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Um die Landwirthschaft von der Stufe der Feudalzeit auf ihre moderne Höhe zu heben und sie an dem ununterbrochen vor sich gehenden technischen und ökonomischen Fortschritt theilnehmen zu lassen, dazu war und ist Geld nothwendig – sehr viel Geld. Das bedarf keines Beweises und kaum einer Illustration. Es sei nur bemerkt, daß in England 1835–1842 allein für Drainirungszwecke über 100 Millionen Mark, 1846–1855 über 50 Millionen ausgegeben wurden. Mit den 50 Millionen wurden 1s65.000 Acres drainirt, aber noch bedurften weitere 21.525.000 Acres der Drainirung.
Ohne Geld ist der moderne landwirthschaftliche Betrieb unmöglich, oder, was dasselbe sagen will, ohne Kapital; denn in der heutigen Produktionsweise kaum jede Geldsumme, die nicht Zwecken des persönlichen Konsums dient, zu Kapital, zu Mehrwerth heckendem Werth werden und wird es in der Regel auch.
Der moderne landwirthschaftliche Betrieb ist also kapitalistischer Betrieb. Er trägt die charakteristischen Merkmale der kapitalistischen Produktionsweise, die aber bei ihm eigenartige Formen annehmen. Um diese verständlich zu machen, müssen wir 1ms hier eine kleine Abschweifung in das Gebiet der ökonomischen Abstraktionen gestatten und kurz unsern theoretischen Standpunkt skizziren, den der Marxschen Werth-, Mehrwerth-, Profit- und Grundrententheorien. Wir werden uns natürlich mit Andeutungen begnügen und verweisen diejenigen unserer Leser, die mit den drei Bänden des Marxschen Kapital noch nicht Bekanntschaft gemacht, auf diese, wenn sie sich in den Hauptgegenstand des vorliegenden Kapitels eingehender vertiefen wollen.
Wenn wir die moderne Landwirthschaft betrachten, so zeigt sie uns zwei Grundthatsachen: das Privateigenthum an Grund und Boden und den Waarencharakter der landwirthschaftlichen Produkte. Die erstere dieser zwei Thatsachen haben wir bereits in ihrer Entstehung kennen gelernt, die letztere mit ihren Konsequenzen ist’s die uns hier beschäftigt. Eine Waare, das ist ein Erzeugniß menschlicher Arbeit, das nicht zu dem Zwecke hergestellt wurde, um von dem Erzeuger selbst verzehrt (oder an Andere, Familienmitglieder, Grundherrn &c. ohne Entgelt zum Verzehr abgegeben) zu werden, sondern das der Erzeuger nicht braucht und das an Andere im Austausch gegen Produkte, die er braucht, abgegeben werden soll.
Das Verhältniß, in dem bestimmte Mengen einer Waare gegen andere Waarenmengen ausgetauscht werden, ist anfänglich sehr vom Zufall bestimmt. Je mehr aber die Waarenproduktion sich entwickelt, je mehr das Austauschen regelmäßig sich wiederholt, um so weniger wird dies Verhältniß ein zufälliges, uni so mehr tritt eine gewisse Gesetzmäßigkeit des Tauschverhältnisses zu Tage; jede Waare erhält einen unter bestimmten Verhältnissen bestimmten Tauschwerth. Bei noch weiterer Entwicklung wird der Tausch zum Verkauf, das heißt, eine besondere Waare wird zur Geldwaare, zur Waare, die Jedermann brauchen kann, die Jedermann gern eintauscht und in der alle anderen Waaren ihre Werthe messen. Die bestimmte Menge der Geldwaare – Gold oder Silber – die für eine bestimmte Waare gegeben wird, heißt deren Preis.
Der Waarenwerth tritt zu Tage nur als Tendenz, als ein gesetzmäßiges Streben, das den Vorgang des Tausches oder Verkaufs beherrscht. Das Produkt dieses Vorgangs ist das jeweilige wirkliche Tauschverhältniß respektive der wirklich erlangte Preis. Das Gesetz und sein Resultat sind natürlich zwei verschiedene Dinge. Der Erforscher natürlicher oder gesellschaftlicher Vorgänge muß sie isoliren, wenn er die Gesetze entdecken will, von denen sie beherrscht werden, er muß jeden Vorgang für sich allein, gesondert von störenden Nebenumständen betrachten. Nur so kann er zu einem Verständniß der im Grunde der Erscheinungen wirkenden Gesetze gelangen; kennt man diese, dann kommt man leicht zum Verständniß der an der Oberfläche liegenden Erscheinung. Auf dem umgekehrten Wege begreift man weder diese noch jene. Das ist sonnenklar und schon unzählige Male gesagt worden, und doch wird es namentlich bei der Werththeorie, immer wieder übersehen.
Was ist es nun, was den Tauschwerth, das bestimmte, gesetzmäßige Tauschverhältniß zweier Waaren bestimmt? Der Austausch entspringt aus der Arbeitstheilung, Die Waarenproduktion ist jene Form der Produktion, in der von einander unabhängige Arbeiter verschiedener Arbeitszweige für einander arbeiten. In einer sozialistischen Gesellschaft würden sie direkt für einander arbeiten; als Produzenten, die von einander unabhängig sind, können sie nur in der Weise für einander arbeiten, daß sie ihre Arbeitsprodukte miteinander austauschen. Sie sind aber Freie und Gleiche – nur zwischen solchen ist ein wirklicher Waarenaustausch möglich; wo der eine Theil vom anderen abhängig ist, da kann man von Erpressung oder Raub, nicht aber von Tausch reden. Ein Freier will aber nicht umsonst für einen Fremden arbeiten, er will nicht mehr Arbeit hingeben als er erhält. So sehen wir die Tendenz erstehen, daß im Austausch Produkte gleichen Arbeitsaufwands einander gleichgesetzt werden, daß der durchschnittlich zur Herstellung einer Waare nothwendige Arbeitsaufwand ihren Werth bestimmt. Ob aber der Produzent auf dem Waarenmarkt den Werth realisirt, ob er im Preis wirklich mindesten seine Arbeit bezahlt erhält, das hängt von einer Reihe von Umständen ab, die man alle unter der Rubrik von Nachfrage und Angebot zusammenfassen kann.
Die Theorie, daß der Werth einer Waare durch die zu ihrer Herstellung gesellschaftlich nothwendige Arbeit bestimmt werde, wird von der modernen Universitätswissenschaft allerdings aufs Lebhafteste bestritten. Aber wenn man näher zusieht, rühren alle ihre Einwände daher, daß sie den Waarenwerth auf der einen Seite mit dem Gebrauchswerth, auf der anderen Seite mit dem Preis verwechselt. Alle die akademischen Werththeorien laufen darauf hinaus, neben dem Arbeitsaufwand auch noch die Nützlichkeit des Produkts und die Nachfrage danach als Elemente des Werthes hinzustellen.
Es ist selbstverständlich, daß ein jedes Produkt nützlich sein, einem (wirklichen oder eingebildeten) Bedürfniß entsprechen muß, wenn es zur Waare werden, Werth erlangen soll. Der Gebrauchwerth ist die Vorbedingung des Waarenwerths, aber er bestimmt nicht die Höhe des Letzteren. Voraussetzung jedes Austausches ist, daß beide Waaren verschiedener Art, sonst hätte der Austausch keinen Zweck. Zwischen Gebrauchswerthen verschiedener Art ist aber eine derartige rein zahlenmäßige Vergleichung, wie sie das Tauschverhältniß darstellt, nicht möglich. Wenn ich sage, eine Elle Leinwaud ist zehnmal so viel werth wie ein Pfund Eisen, so wäre es absurd, zu behaupten, das rühre daher, weil eine Elle Leinwand zehnmal so viel Bedürfnisse befriedigt oder zehnmal nützlicher ist als ein Pfund Eisen. Die Nützlichkeit der einen und der anderen Waare sind ganz verschiedene und nicht aneinander meßbare Begriffe.
Bei verschiedenen Stücken derselben Waarenart kann man allerdings einen höheren oder niederen Grad ihres Gebrauchswerthes fesstellen: ein dauerhaftes Paar Stiefel hat größeren Gebrauchswerth an ein ähmiches weniger dauerhaftes, ein Glas Rüdesheimer einen größeren als ein Glas Grünberger. Man wird gern für den größeren Gebrauchswerth mehr zahlen, als für den geringeren: also ist der Gebrauchswerth doch ein Element des Waarenwerths. So könnt es fast scheinen. Aber da erhebt sich die Frage: wenn der größere Gebrauchswerth höheren Waarenwerth schafft, warum produzirt nicht jeder Produzent einer Waarengattung nur Exemplare besserer Qualität; warum erzeugt nicht jeder Schuster nur Schuhe der solidesten Art, warum baut nicht jeder Winzer erstklassige Weine? Die Antwort ist sehr einfach. Bei den Schuhen ist die bessere Qualität – wenn wir absehen von individuellen Unterschieden der Arbeiter und von Rohmaterial, Werkzeugen u. dgl., deren Berücksichtigung am Resultat nichts ändern würde – Folge soliderer Arbeit, also eines größeren Arbeitsaufwands. und dieser höhere Arbeitsaufwand, nicht der höhere Gebrauchswerth, bestimmt den höheren Waarenwerth der besseren Qualität. Man sagt bekanntlich, daß die theuersten Waaren die billigsten sind, das heißt, ihr Gebrauchswerth übersteigt den der niedrigen Qualitäten in viel höherem Maße, als ihr Waarenwerth den der letzteren. Ein Paar Stiefel um 12 Mark dauert vielleicht doppelt so lang als eines um 10 Mark.
Der höhere Preis des Johannisberger oder Rüdesheimer aber rührt daher, daß man eben nicht überall Weine dieser Art bauen kam. Hier verliert das Werthgesetz überhaupt seine Geltung, weil wir es hier mit dem Monopol zu thun haben. Das Werthgesetz setzt aber die freie Konkurrenz voraus.
Wo innerhalb derselben Waarenart Qualitätsunterschiede Preisunterschiede bedingen, da lassen diese sich stets entweder auf Unterschiede im Arbeitsaufwand oder auf Monopolverhältnisse zurückführen. Es wäre auch eine Narrheit, anzunehmen, wo weder der eine noch der andere dieser Faktoren wirksam, würde nicht jeder mit durchschnittlicher Geschicklichkeit, die ja auch vorausgesetzt wird, Begabte nur die beste Qualität seiner Waarenart produziren.
Aehmich wie mit der größeren oder geringeren Nützlichkeit, steht’s mit dem größeren oder geringeren Bedarf. Der Wechsel von Nachfrage und Angebot kann allerdings erklären, warum der Preis – nicht Werth – derselben Waare heute hoch steht und morgen niedrig, aber er kann nie erklären, warum dauernd die eine Waarenart um so viel höher im Preise steht als die andere, warum z. B. viele Jahrhunderte lang trotz vieler Preisschwankungen im Durchschnitt ein Pfund Gold immer ungefähr dreizehnmal so theuer war wie ein Pfund Silber? Das läßt sich nur dadurch erklären, daß mehrere Jahrhunderte lang die Produktionsbedingungen dieser beiden Metalle die gleichen blieben. Es wäre lächerlich, annehmen zu wollen, die Nachfrage nach Gold sei ununterbrochen dreizehnmal so groß gewesen wie die nach Silber.
Man schämt sich förmlich, alle diese Auseinandersetzungen zum xten Male hier wiederholen zu müssen, aber sie erweisen sich immer wieder als nothwendig, so oft man auf die Werththeorie zu sprechen kommt, weil ihre Gegner nicht müde werden, immer wieder dieselben qui pro quos gegen sie vorzubringen. Da kommt z. B. Professor Lujo Brentano in seiner jüngsten Schrift über Agrarpolitik (1. Theil: Theoretische Eimeitung in die Agrarpolitik) auf die Lehre von der Grundrente, damit auch auf deren Voraussetzung, die Werththeorie, zu sprechen. Da heißt es:
„Ricardo und seine Schule redeten von natürlichem Werth und bezeichneten als solchen die Summe der Kosten, die auf die Herstellung eines Gutes verwendet worden. In der sozialdemokratischen Weiterbildung dieser Lehre bezeichnet man als natürlichen Werth die Summe gesellschaftlicher Arbeitszeit, die zur Herstellung eines Gutes nothwendig ist.“
Was sich Brentano unter „gesellschaftlicher Arbeitszeit“ vorstellt, wissen wir nicht. „Gesellschaftlich nothwendige Arbeitszeit“ ist sicher etwas anderes. Brentano fährt fort:
„Beide Werththeorien – die Ricardosche und die Marxsche – gelten heute in der Wissenschaft als überwunden. Schon Hermann hat ihre Unhaltbarkeit dargethan, als er darlegte, daß die Kosten mir einen unter vielen Preisbestimmungsgründen bilden; daß außer ihnen die Dringlichkeit des Bedürfnisses, die Brauchbarkeit, die Zahlungsfähigkeit, die anderweitige Beschaffungsmöglichkeit, die Nothwendigkeit des Verkäufers, zu verkaufen, der Tauschwerth des Zahlungsmittels und sonstige vom Käufer gebotene Vortheile, sowie die anderweitige Verkaufsgelegenheit bei der Preisbestimmung eilte Rolle spielen.“ (S. 84)
Also: die Marxsche Werththeorie ist „in der Wissenschaft überwunden“, weil – der Preis nicht durch den Arbeitsaufwand allein bestimmt wird.
Ricardo und schon Adam Smith sprachen vom „natürlichen Preis“. Brentano läßt sie und sogar Marx von „natürlichem Werth“ reden! So wirbeln in diesen wenigen Zeilen Preis und Werth bunt durcheinander!
Sieht man aber ab von den Faktoren, welche die Schwankungen der Preise bestimmen, dann bleibt uns auch bei Brentano nur ein Bestimmungsgrund übrig, der Arbeitsaufwand, oder, wie Brentano „verbessernd“ sagt, die Produktionskosten. Diese Verbesserung ist jedoch höchst zweifelhafter Natur.
Die Produktionskosten setzen das bereits voraus, was sie erklären sollen, den Werth. Wodurch werden die Produktionskosten bestimmt? Ihre Summe ist eine Summe verausgabter Werthe. Zuerst wird also der Werth durch die Produktionskosten erklärt, dann diese durch den Werth! So werden wir von Pontius zu Pilatus geschickt!
Dennoch ist der Satz, daß der Werth einer Waare durch ihre Produktionskosten bestim/ut wird, nicht gauz sinmos; aber wir erfahren von der Universitätsökonomie nicht die Umstände, unter denen er einen Sinn bekommt. Um diese Umstände klar zu machen, müssen wir den Unterschied zwischen einfacher und kapitalistischer Waarenproduküon auseinandersetzen.
Die einfache Waarenproduktion ist die unrsprüngliche Form dieser Produktionsart. Sie wird dadurch gekennzeichnet, daß die Produzenten einander nicht nur als Freie und Gleiche gegenüber stehen, sondern auch im Besitz ihrer Produktionsmittel sind.
Wie keine der großen Epochen der wirthschaftlichen Entwicklung, so hat auch die einfache Waarenroduktion nie in voller Reinheit geherrscht, sondern gemischt mit anderen Wirthschastsformen, mit Naturalwirthschaft, mit Feudalwirthschaft, zünftiger Monopolwirthschaft. So ist auch das Gesetz des Werthes unter ihr nur theilweise zum Durchbruch gelangt, so weit eben innerhalb der gegebenen Schranken eine regelmäßige Produktion frei miteinander konkurrirender Produzenten für den Markt sich entwickelte.
Auf einem gewissen Höhepunkt der Entwicklung tritt an Stelle der einfachen die kapitalistische Waarenproduktion, das heißt, der Arbeiter hört auf, der Besitzer seiner Produktionsmittel zu sein. Der Kapitalist tritt jetzt dem besitzlos gewordenen Arbeiter als Besitzer der Produktionsmittel entgegen, der Arbeiter kann nicht mehr direkt für den Konsumenten arbeiten, er muß für den kapitalistischen Unternehmer arbeiten, dem er seine Arbeitskraft verkauft, er wird ein Lohnarbeiter.
Erst unter dieser Produktionsweise wird die Waarenproduktion die allgemeine, oder wenigstens die herrschende Form der Produktion, verschwindet rasch die Naturalwirthschaft, werden feudale Ausbeutung und zünftige Monopolisirung unmöglich, Freiheit und Gleichheit der Produzenten allgemeine Regel. Aber gerade diese Produktionsweise, die erst die Bedingungen schafft, unter denen das Werthgesetz zu allgemeiner Geltung kommt, läßt zwischen Werth und Marktpreis ein Zwischenglied erstehen, welches das Werthgesetz verdunkelt und sein Wirken modifizirt. Dieses Zwischenglied sind die Produktionskosten, das ist die Summe der Geldausgaben, die zur Herstellung einer Waare erforderlich ist.
Unter der einfachen Waarenproduktion ist die Bestimmung der Preise der fertigen Waaren durch ihre Produktionskosten sinnlos. Nehmen wir das einfachste Beispiel, einen bäuerlichen primitiven Weber, der sein Rohmaterial selbst produzirt und auch seinen Webstuhl selbst verfertigt. Er hat bei seiner Produktion nicht die mindeste Geldausgabe zu machen; sein Produkt kostet ihn ganz und gar nichts anderes, als Arbeit.
Nicht so absurd erscheint die Festsetzung des Preises durch die Produktionskosten dort, wo in Folge der Arbeitstheilung der Produzent die Produktionsmittel kauft. Wie beim primitiven Weber wird beim handwerksmäßigen der Werth seiner Leinwand durch die gesellschaftlich zu ihrer Herstellung nothwendige Arbeitszeit bestimmt; aber das tritt nicht mehr so klar zu Tage. Denn er produzirt nicht mehr das Garn und auch nicht den Webstuhl selbst, er kauft sie. Ihr Werth bildet seine Produktionskosten, und diese gehen in den Werth des Produkts ein: der Werth des verarbeiteten Garns vollständig, der des Webstuhls nach Maßgabe der bei der Erzeugung der Leinwand erfolgten Abnützung. Aber diese Produktionskosten bilden nicht den gesammten Werth der Leinwand; diesen Findet man erst dann, wenn man zu den Produktionskosten noch den durch die Arbeit des Leinewebers geschaffenen Werth hinzuzählt.
Ganz anders aber gestaltet sich die Sache unter der kapitalistischen Waarenproduktion. Der Besitzer der Produktionsmittel und der Arbeiter sind zwei verschiedene Personen geworden. Will der Kapitalist produziren lassen, muß er nicht blos Rohstoffe und Werkzeuge kaufen, wie unser Leineweber im letzten Beispiel, sondern auch die Arbeitskraft des Arbeiters selbst. Für den Kapitalisten lösen sich also allerdings alle Elemente der Produktion in Geldausgaben, in Kosten auf, aber auch erst für diesen. Ihn kostet die Produktion der Waaren nicht Arbeit, sondern Geld, für ihn werden die Produktionskosten, der Geldaufwand, preisbestimmend, nicht der Arbeitsaufwand; aber man muß blind sein für den Unterschied zwischen einfacher und kapitalistischer Waarenproduktion, um die Bestimmung der Preise durch die Produktionskosten für ein allgemeines Gesetz der Waarenproduktion zu erklären und die Arbeitswerththeorie dadurch zu „verbessern“.
Mit den wirklichen Kosten der Produktion sind jedoch die Produktionskosten, wie der Kapitalist sie als preisbestimmend rechnet, nicht erschöpft. Wäre der Preis der Waare gleich der Geldsumme, die der Kapitalist bei ihrer Produktion aufgewendet, so würde er bei ihrem Verkaufe nichts gewinnen. Der Gewinn ist aber das Motiv der kapitalistischen Produktion. Würde die Anlage seines Geldes in einem Unternehmen dem Kapitalisten keinen Gewinn bringen, dann wäre es ja vortheilhafter für ihn, es zu seinem persönlichen Konsum zu verwenden. Gerade der Gewinn, der Profit, macht eine Geldsumme zu Kapital. Jede Geldsumme, die derartig angewendet wird, daß sie Profit abwirft, ist Kapital.
Der Kapitalist macht also einen Aufschlag auf die Summe seiner Produktionsanlagen; er glaubt, mit Verlust produzirt zu haben, wenn er nicht mindestens den landesüblichen Profit erzielt. Die Summe seiner Produktionsauslagen plus dem landesüblichen Profit, das sind für ihn die Produktionskosten, danach bemißt er den Preis, den er erzielen muß, um auf die Kosten zu kommen.
Das ist eile Thatsache, die au der Oberfläche der kapitalistischen Praxis liegt und daher altbekannt ist.
Schon Adam Smith unterschied den Arbeitswerth, der in der einfachen Waarenproduktion allein den schwankenden Marktpreisen zu Grunde liegt, und die Modifizirung des Werthes in der kapitalistischen Produktionsweise durch die Produktionskosten, die den natürlichen Preis (nicht Werth, wie Brentano angiebt), das heißt, das, was Marx Produktionspreis nennt, bilden. Der Fortschritt der heutigen Universitätsökonomie über diesen „veralteten“ Oekonomen besteht darin, daß sie nicht blos einfache Waarenproduktion und kapitalistische Produktion, sondern auch Werth, natürlichen Preis und Marktpreis zusammenwirft und erklärt, die klassische Werththeorie sei überwunden, weil der „natürliche Werth“ die Preisschwankungen nicht erkläre.
„In dem ersten rohen Zustand der Gesellschaft“, sagt Smith im 6. Kapitel des 1. Buches seines Wealth of Nations „bevor Grund und Boden in Privateigenthum übergegangen war und Kapital sich gebildet hatte, scheint das Verhältniß zwischen den Quantitäten von Arbeit, die zur Hervorbringung der verschiedenen Produkte erforderlich waren, der einzige Maßstab gewesen zu sein, nach welchem ihr Austausch geregelt wurde ...
„Sobald sich aber Kapital in den Händen Einzelner angesammelt hat, werden einige von diesen es natürlich dazu anwenden, gewerbfleißige Leute an die Arbeit zu setzen, die sie mit Arbeitsmaterial und Lebensmitteln versehen, um durch den Verkauf ihrer Produkte oder des Werthes, den ihre Arbeit dem Arbeitsmaterial zugesetzt, einen Profit zu erzielen.“
Hier ist der Unterschied zwischen einfacher und kapitalistischer Waarenproduktion scharf hervorgehoben. Im 7. Kapitel bemerkt dann Smith, daß in jeder Gesellschaft und jedem Lande ein Durchschnittssatz sowohl des Lohnes wie des Profits als auch der Grundrente existirt – von welch letzterer wir bald mehr sprechen werden und welche wir daher hier nicht weiter beachten. Diese Durchschnittssätze kann man ihre natürlichen Raten nennen.
„Wenn der Preis einer Waare nicht mehr noch weniger beträgt, als die Geldsumme, die erforderlich ist, die natürliche Rate der Grundrente, des Arbeitslohns und des Profits von dem Kapital, das aufgewendet wurde, die Waare zu erzeugen, herzurichten und zu Markt zu bringen, so wird die Waare zu ihrem, wie man sagen kann, natürlichen Preise verkauft.“
Die „natürliche“ Profitrate existirt ebenso wie der Werth nur als Tendenz; wie die Preise nach dem Werthe hin gravitiren, so die Profite nach dem „natürlichen“ oder Durchschnittsprofit.
Wodurch wird aber die Höhe dieses „natürlichen“ oder, wie man auch sagt, „landesüblichen“ Profits bestimmt? Darüber weiß uns Adam Smith ebenso wenig wie Ricardo oder einer der anderen bürgerlichen Oekonomen etwas zu sagen; was sie darüber vorbringen, das größere oder geringere Risiko, der höhere oder niedrigere Arbeitslohn und dergleichen erklärt nur die Abweichungen des wirklichen Profits vom Durchschnittsprofit, sowie Nachfrage und Angebot nur die Abweichungen des Marktpreises vom Werthe, respektive vom Produktionspreis erklären, sie erklären nicht die jeweilige Höhe des Durchschnittsprofits; sie erklären wohl, warum der Profit hier 19 und dort 21 Prozent beträgt, nicht 20 Prozent, wie der durchschnittliche, sie erklären aber nicht, warum dieser 20 Prozent beträgt und nicht etwa 200 oder 2000.
Diese Erklärung hat erst Marx mit seiner Mehrwerththeorie gegeben.
Die Thatsache des Mehrwerths selbst hat Marx allerdings nicht entdeckt. Er brauchte sie auch keineswegs bei Thompson zu entlehnen, denn er konnte sie schon beim alten Adam Smith verzeichnet finden, der in dem schon erwähnten 6. Kapitel seines Wealth of Nations (1. Buch) sagt:
„Der Werth, den die Arbeiter dem Arbeitsmaterial zusetzen, löst sich also in diesem Falle (denk der kapitalistischen Produktion) in zwei Theile auf, von denen der eine die Löhne bezahlt, der andere den Profit des Unternehmers von dem gesammten Kapital an Materialien und Löhnen, das er vorgeschossen hat.“
Hier ist bereits der Mehrwerth erkannt und festgestellt, und Thompson hat dieser Erkenntniß nichts mehr hinzugefügt, er hat nur aus der ökonomischen Thatsache eine juristische Forderung zweifelhafter Güte abgeleitet. Zur Erklärung ökonomischer Vorgänge wußte er mit dem Mehrwerth ebenso wenig anzufangen, an Adam Smith oder irgend ein anderer der vormarxistischen Oekonomen. Der Mehrwerth diente ihm dazu, den Profit zu verurtheilen, nicht dazu, ihn zu erklären. Das ist erst Marx gelungen, erst er hat eingehend und systematisch gezeigt, wie der Mehrwerth entsteht und funktionirt, und daran wird durch alle Entdeckungen der Anton Menger und Konsorten nichts geändert.
Der Mehrwerth entspringt aus der Thatsache, daß die menschliche Arbeitskraft von einer gewissen Höhe der technischen Entwicknmg an einen Ueberschnß über den Betrag der zu ihrer Erhaltung und Fortpflanzung nothwendigen Produkte zu erzeugen vermag. Einen derartigen Ueberschuß, ein Mehrprodukt, liefert die menschliche Arbeit seit undenklichen Zeiten und der ganze Fortschritt der Kultur beruht auf der allmäligen Steigerung dieses Ueberschusses durch die Vervollkommnung der Technik.
Unter der einfachen Waarenproduktion nimmt das Mehrprodukt die Form von Waaren an, erhält es einen Werth, den man aber noch nicht Mehrwerth nehmen kann, da die menschliche Arbeitskraft in diesem Stadium wohl Werthe schafft aber selbst noch keinen Werth hat, weil sie noch keine Waare ist.
Der Erlös des Mehrprodukts fällt da dem Arbeiter zu; er kann ihn verwenden zu größerem Wohlleben seiner Familie, zu Genüssen gröberer oder feinerer Art, zum Anhäufen eines Nothpfennigs oder gar eines Schatzes, oder zur Verbesserung seiner Betriebsmittel. Aber er muß auch von dem Erlös des Mehrprodukts größere oder geringere Theile abtreten, Abgaben an den Landesherrn, die Gemeinde, den Grundherrn entrichten, mitunter Wucherzinsen zahlen, wenn er in Noth gerathen ist. Es kann aber auch vorkommen, daß der Werth des Mehrprodukts ihm von vornherein ganz oder zum Theil vorenthalten wird. Einen etwaigen Nothstand des freien Arbeiters macht sich nicht nur der Wucherer, sondern bei einem gewissen Stande des Marktes auch der Kaufmann zu Nutze, der oft mit dem Wucherer identisch ist. Der Profit des Kaufmanns kann unter der einfachen Waarenproduktion nicht blos daher rühren, daß er die Waaren, mit dem er handelt, über ihrem Werth verkauft, sondern auch daher, daß er sie unter ihrem Werthe kauft. Je größer die Konkurrenz auf dem Waarenmarkt und je gedrückter die Lage der Produzenten, desto mehr wird die letztere Quelle des Profits in Wirkung treten. Es bedarf nur noch eines Schrittes über dieses Stadium hinaus und wir sind auf dem Gebiete der kapitalistischen Produktionsweise.
Es liegt nahe, daß der Kaufmann, statt dem freien Produzenten dessen Produkt unter seinem Werthe abzupressen, es vorzieht, die Nothlage des Arbeiters in der Weise auszunutzen, daß er ihn zu einem Produzenten in kapitalistischem Dienste, zu einem Lohnarbeiter macht, der Waaren nicht im eigenen Betrieb, sondern im Betrieb des Kapitalisten produzirt, und der ficht von dem Verkauf seiner Produkte, sondern von dem Verkauf seiner Arbeitskraft lebt.
Die Arbeitskraft wird nun eine Waare und erhält als solche einen Werth, der gleich ist dem Werth der zu ihrer Erhaltung und Fortpflanzung nothwendigen Lebensmittel. Der Ueberschuß an Werth, den der Arbeiter über den Werth der eigenen Arbeitskraft hinaus produzirt, wird nun Mehrwerth. Er fällt dort, wo der Preis der Arbeitskraft, der Lohn, ihrem Werth entspricht, ganz dem Kapitalisten zu.
Dem industriellen Kapitalisten fällt das ganze, von seinem Lohnarbeiter geschaffene Produkt zu. Der Werth dieses Produkts ist gleich dem Werth der verarbeiteten Produktionsmittel – Rohstoffe, Verschleiß an Maschinen und Baulichkeiten und dergleichen –, plus dem Werth der Arbeitskraft des Arbeiters, populär gesprochen, seinem Lohn, plus dem Mehrwerth. Der letztere ist es, der den Profit bildet. Aber die Verwandlung des Mehrwerth in den Profit ist noch weniger eine einfache Operation, an die Verwandlung des Werthes in den Preis
Was der Kapitalist in den Produktionsprozeß einführt, ist nicht seine Arbeit, sondern sein Kapital. Der Profit erscheint ihm nicht als Produkt der Mehrarbeit seiner Arbeiter, sondern als Produkt seines Kapitals. Er berechnet die Rate feines Profits nicht nach der Menge der von ihm angewandten Arbeit, sondern nach der Menge des von ihm angewandten Kapitals. Daraus folgt aber, daß, wenn mehrere Unternehmungen dieselbe Rate des Mehrwerths erzielen, sie verschiedene Profitraten ergeben müssen, wenn die Kapitalmengen, die beide anwenden, verschieden sind.
Wir wollen dies an einem Beispiel klar machen, das wir so einfach als möglich gestalten. Wir nehmen daher drei Unternehmungen an, in denen nicht nur die Rate des Mehrwerths, das heißt die Ausbeutung der Arbeiter, die gleiche, sondern auch der Umschlag des Kapitals der gleiche. Der Kapitalist rechnet die Profitrate nach dem Verhältniß, in dem die in einem Jahre von seinem Unternehmen erzielte Masse des Profits zu der während dieses Jahres dazu vorgeschossenen Kapitalsmenge steht. Wenn zwei Unternehmungen bei gleicher Mehrwerthsrate und gleicher Kapitalsmenge verschiedene Umschlagszeiten ihres Kapitals haben, wird auch ihre Profitrate verschieden sein.
Wenn ein Kapital von je 100.000 Mark bei jedem Umschlag einen Mehrwerth von 10.000 Mark erzielt, so wird, wenn das Kapital im Jahre einmal umschlägt, das Verhältniß zwischen dem jährlichen Mehrwerth und Kapital gleich 1 : 10 sein, wenn es zehnmal umschlägt, gleich 10 : 10; im ersten Falle würde die Profitrate 10 Prozent betragen, im zweiten 100 Prozent.
Von dieser Verschiedenheit, die das Problem zu sehr kompliziren würde, sehen wir hier ab.
Nehmen wir also drei Unternehmungen mit gleicher Mehrwerthsrate, gleicher Umschlagszeit des Kapitals und gleicher Arbeiterzahl. Was in den drei Unternehmungen verschieden, ist die Menge Kapital, die zur Beschäftigung der gleichen Arbeiterzahl erforderlich ist. Hier sei noch bemerkt, daß Marx zwei Arten von Kapital unterscheidet, variables und konstantes. Das variable ist das in Löhne ausgelegte, dessen Anwendung den Mehrwerth schafft. Dieser Kapitaltheil wächst im Produktionsprozeß, er ist veränderlich oder variabel. Dagegen der Theil des Kapitals, der in Baulichkeiten, Maschinen, Rohstoffen &c., also in Produktionsmitteln angelegt ist, verändert seine Werthgröße im Laufe des Produktionsprozesses nicht, sein Werth erscheint unverändert in dem aus ihm geschaffenen Produkt wieder, er ist also konstant. Für unser Beispiel gehen wir also von der Annahme aus, daß in den drei Unternehmungen gleich große Mengen variables, dagegen ungleich große Mengen konstantes Kapital angewendet werden. In dem einen Unternehmen werde ungewöhnlich wenig konstantes Kapital angewendet, es sei etwa ein Zimmerplatz, auf dem ohne Baulichkeiten und Maschinen mit einfachen Werkzeugen billiges Bauholz verarbeitet werde.,In dem zweiten Unternehmen werde ungewöhnlich viel konstantes Kapital angewendet; wir können da vielleicht an eine chemische Fabrik denken, die äußerst ausgedehnte und solide Baulichkeiten und zahlreiche Maschinen hat, dagegen im Verhältniß nur wenige Arbeiter beschäftigt. Und endlich sei das dritte Unternehmen ein solches, in dem der allgemeine Durchschnitt von variablem und konstantem Kapital angewendet wird, sagen wir, eine Möbelfabrik.
Noch eine Annahme müssen wir machen, um unser Beispiel so einfach als möglich zu gestalten: die Annahme, daß das gesammte konstante Kapital im Laufe eines Jahres aufgezehrt wird und im Werthe des Produkts wieder erscheint. Es ist klar, daß das in Wirklichkeit bei einem kapitalistischen Betrieb kaum je vorkommt. Baulichkeiten und Maschinen verschleißen nicht so rasch; wenn eine Maschine etwa zehn Jahre lang im Gang bleibt, dann giebt sie im Jahr nur 1/10 ihres Werthes an die mit ihr geschaffenen Produkte ab. Indessen, wenn wir unsere Annahme nicht machten, würden wir unser Beispiel unnöthig kompliziren, ohne am Endresultat etwas zu ändern. In jedem der drei Unternehmungen werden 100 Arbeiter zu einem Lohn beschäftigt, dessen jährliche Summe gleich 1.000 Mark pro Kopf. Die Rate des Mehrwerths beträgt in jeder 100 Prozent, die Masse des Mehrwerths 100.000 Mark. Aber das konstante Kapital betrage in dem Zimmerplatz A 100.000 Mark, in der Möbelfabrik B 300.000 Mark, in der chemischen Fabrik C 500.000 Mark. Das Kapital schlage überall einmal im Jahre um.
So haben wir
Unternehmen |
Kapital |
Mehrwerth |
Verhältniß des |
||
---|---|---|---|---|---|
Variables |
Konstantes |
Gesammt |
|||
A |
100.000 |
100.000 |
200.000 |
100.000 |
1 : 2 |
B |
100.000 |
300.000 |
400.000 |
100.000 |
1 : 4 |
C |
100.000 |
500.000 |
600.000 |
100.000 |
1 : 6 |
Würden die Waaren nach ihrem Werthe verkauft, so würde A einen Profit von 50 Prozent, B von 25 Prozent, C von 16,6 Prozent erzielen. Das oberste Gebot der kapitalistischen Produktionsweise, die Gleichheit, nicht der Menschen, sondern der Profite, wäre aufs Gröblichste verletzt. Die Kapitalien würden die Fabriken der Branche C meiden, wie die Pest, sie würden dagegen sich den Unternehmungen der Branche A in hellen Haufen zuwenden. In C würde das Angebot von Produkten bald sinken und damit die Preise über das Niveau des Werthes steigen; das Umgekehrte würde in A eintreten, schließlich würden die Preise in A und C ein Niveau erreicht haben, auf dem sie dieselbe Profitrate abwerfen, wie das Durchschnittskapital B. Diese Profitrate ist die Durchschnittsprofitrate, sie bestimmt den Produktionspreis.
Wir haben dann
Unternehmen |
|
Gesammt- |
|
Mehrwerth |
Gesammtwerth des |
Profitrate |
Profit |
Gesammtproduktions- |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
|
Mk. |
Mk. |
Mk. |
|
Mk. |
Mk. |
||
A |
200.000 |
100.000 |
300.000 |
25 % |
50.000 |
250.000 |
||
B |
400.000 |
100.000 |
500.000 |
25 % |
100.000 |
500.000 |
||
C |
600.000 |
100.000 |
700.000 |
25 % |
150.000 |
750.000 |
||
Zusammen |
1.200.000 |
300.000 |
1.500.000 |
25 % |
300.000 |
1.500.000 |
Die durch die „Produktionskosten“ bestimmten Produktionspreise weichen also von den Produktenwerthen etwas ab, aber das Werthgesetz wird dadurch nicht aufgehoben, sondern nur modifizirt. Es bleibt das hinter den Produktionspreisen wirkende regulirende Element und behält absolute Giltigkeit für die Gesammtheit der Waaren und für die Gesammtmasse des Mehrwerths, wodurch es die solide Basis, wie für die Preise, so für die Profitrate liefert, die sonst haltlos in der Luft schwebt.
Die Universitätsökonomie sieht verächtlich auf die von der „Wissenschaft“ längst überwundene Marxsche Werththeorie herab, was allerdings nicht verhindert, daß dieselbe Oekonomie es noch immer für nöthig hält, jahraus jahrein eine Reihe dicker Bücher und Abhandlungen zur erneuten Ueberwindung der längst überwundenen Theorie zu produziren, Schriften, deren Werth ja vielleicht nicht immer im Verhältniß zu der bei ihrer Herstellung aufgewendeten Arbeit steht: aber was hat sie anderes zur Erklärung der Höhe des Durchschnittsprofits vorzubringen, als das Wörtchen: „landesüblich“?
Mit der Erklärung des „landesüblichen“, „bürgerlichen“ Gewinn sind wir endlich an der Schwelle der Grundrente angelangt.
Die eine ihrer Quellen entspringt dein Umstand, daß der Kapitalist neben dem „landesüblichen“ „bürgerlichen“ Gewinn auch einen Extraprofit machen kann. Von den verschiedenen Arten desselben interessirt uns hier nur eine, auf dem Gebiete der Produktion gelegene, die daraus entsteht, daß ein industrieller Unternehmer Dank besonders vortheilhafter Produktionsmittel, die ihm allein zu Gebote stehen, zu einem Kostpreis produzirt, der geringer ist als der, den die allgemein herrschenden Produktionsverhältuisse in der Regel nothwendig machen.
Ein Beispiel möge uns die Natur dieses Extraprofits klar machen. Wir nehmen dabei dieselben Vereinfachungen vor, wie bei dem oberen Beispiel.
Nehmen wir etwa zwei Schuhfabriken in einer Stadt. Die eine, Firma Müller, produzire mit den allgemein üblichen Maschinen, der zweiten, Schulze, sei es gelungen, außergewöhnlich gute Maschinen anzuschaffen. Müller produzirt im Jahr mit einem Kapitalaufwand von 320.000 Mark 40.000 Paar Schuhe. Die durchschnittliche Profitrate beträgt 25 Prozent. Müller muß also den Preis der 40.000 Paar Schuhe, die ihn 320.000 Mark kosten, so hoch ansetzen, daß er einen Profit von 80.000 Mark macht. Nur wenn er diesen einheimst, hat er nach kapitalistischen Begriffen ohne Verlust produzirt. Der Produktionspreis der 40.000 Paar Schuhe stellt sich für die Firma Müller also auf 400.000 Mark, der jedes einzelnen Paares auf 10 Mark.
Schulze dagegen produzirt, Dank seinen vortrefflicheu Maschinen, mit einem Aufwand von 320.000 Mark 45.000 Paar Schuhe, Sein wirklicher, individueller Produktionspreis für ein Paar Schuhe beträgt nicht 10, sondern nur 8,88 Mark. Aber er kann sie zu dem allgemeinen Produktionspreis verkaufen, wie sein Konkurrent, also um 10 Mark pro Paar. Er bekommt demnach für seine Schuhe 450.000 Mark, neben seinem bürgerlichen Gewinn von 80.000 Mark streicht er noch das nette Sümmchen von 50.000 Mark als Extraprofit ein.
Uebertragen wir nun diesen Fall in Landwirthschaftliche. Statt der beiden Fabriken nehmen wir zwei Ackerflächen (etwa je 20 Hektar) von ungleicher Fruchtbarkeit, die von kapitalistischen Unternehmern bewirthschaftet werden. Die eine produzire bei einem Aufwand von 3.200 Mark 400 Zentner Weizen, die andere dagegen bei gleichem Aufwand 450 Zentner. Der Besitzer der ersteren Ackerfläche wird nun, wenn er den landesüblichen Profit einstecken will, bei dem Kostpreis eines Zentners Weizen von 8 Mark und einer durchschnittlichen Profitrate von 25 Prozent 2 Mark daraufschlagen müssen, der Produktionspreis wird sich auf 10 Mark stellen, der Profit des Landwirths auf 800 Mark. Der zweite Landwirth verkauft seinen Weizen auch um 10 Mark den Zentner, löst dafür 4500 Mark, erzielt daher neben dem Durchschnittsprofit noch einen Extraprofit von 500 Mark.
Anscheinend ist dieser Fall ganz derselbe, wie der aus der Industrie genommene; und doch ist er von diesem grundverschieden. Die hier betrachtete Art des Extraprofits in der Landwirthschaft unterliegt ganz eigenartigen Gesetzen und bildet darum auch eine besondere ökonomische Kategorie: die Grundrente.
Der Grund und Boden, – und dazu sind auch alle Produktivkräfte zu rechnen, die „als Zubehör von Grund und Boden sich darstellen (Marx) z. B. die Kraft von Wasserfällen und fließenden Gewässern überhaupt – ist eben ein Produktionsmittel ganz eigener Art. Er ist nicht beliebig vermehrbar, er besitzt keineswegs überall dieselben Eigenschaften, und die besonderen Eigenschaften eines besonderen Stückes Grund und Boden sind an dasselbe geheftet und nicht beliebig übertragbar. Maschinen und Werkzeuge dagegen sind beliebig vermehrbar, und übertragbar und können alle von gleicher Qualität sein.
Wenn daher ein industrieller Kapitalist durch außergewöhnlich gute Produktionsbedingungen einen Extraprofit erzielt, so dankt er dies anßergewöhnlichen persönlichen Eigenschaften oder Verhältnissen, einem besonders glücklichen Zufall, besonderer Erfahrung, Intelligenz oder Energie oder einem außergewöhnlich großen Kapitalbesitz. Aber sein Extraprofit wird bald andere Kapitalisten nach gleichen Gewinnen lüstern machen, sie werden trachten, Betriebe mit gleichen Produktionsbedingungen einzurichten, und so werden früher oder später die außergewöhnlich vortheilhaften Produktionsbedingungen zu allgemein verbreiteten werden, die vermehrte Zufuhr auf dem Markt wird die Preise senken und der Extraprofit jenes Kapitalisten, der zuerst die Verbesserungen eingeführt, wird verschwinden.
In der Industrie ist der Extraprofit, der aus vortheilhafteren Produktionsbedingungen herrührt, stets nur eine ausnahmsweise und vorübergehende Erscheinung.
Anders dagegen der Extraprofit in der Landwirthschaft, der aus der ungleichen Produktivität verschiedener Bodenarten herrührt. Diese ungleiche Produktivität ist ein Ergebniß natürlicher Bedingungen, und ist unter gegebenen technischen Verhältnissen eine bestimmte Größe. Selbst wenn wir annehmen, daß alle anderen Produktionsbedingungen für die verschiedenen Landwirthe völlig gleich sind, werden die Unterschiede der Bodenqualitäten doch bestehen bleiben. Die Grundrente ist daher nicht, wie der Extraprofit in der Industrie, eine vorübergehende, sondern eine dauernde Erscheinung.
Noch mehr. Der Produktionspreis eines industriellen Produkts wird, wie wir wissen, bestimmt durch den landesüblichen Profit und den unter den gegebenen Produktionsverhältnissen im Durchschnitt nothwendigen Kostpreis, das heißt den zur Herstellung des Produkts nothwendigen Kapitalaufwand. Derjenige Betrieb, dessen individueller Kostpreis geringer als der „gesellschaftlich nothwendige“, erzielt einen Extraprofit; wer dagegen theurer produzirt, der erzielt einen geringeren, als den landesüblichen Profit, unter Umständen sogar ein Defizit.
In der Landwirthschaft sind es dagegen nicht die auf Durchschnittsboden erheischten Produktionskosten, welche den Kostpreis bestimmen. Wenn dein besten Boden in größerem Ausmaße schlechterer bearbeitet wird, so ist das, wie wir schon bemerkt haben, nicht außergewöhnlichen persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften des Landwirths zuzuschreiben. Es rührt daher, daß der bessere Boden allein nicht ausreicht, die Lebensmittel zu produziren, die zur Erhaltung der Bevölkerung nöthig sind. Aber der Kapitalist – und nur um kapitalistische Landwirthschaft handelt es sich hier – verlangt von einem Unternehmen, in das er sich einläßt, neben dem Kostpreis auch den landesüblichen Profit. Der schlechtere Boden wird daher nur dann vom Kapitalisten bewirthschaftet werden, wenn die mangelnde Zufuhr die Preise der Lebensmittel so sehr gesteigert hat, daß auch die Bodenkultur auf schlechterem Boden lohnend wird. Das heißt, in der Landwirthschaft sind es nicht die auf Durchschnittsboden, sondern die auf den schlechtesten Kulturboden in der Regel erheischten Produktionskosten, die den Produktionspreis bestimmen.
Aus diesen beiden folgt aber noch ein dritter Unterschied der Grundrente vom industriellen Profit. Die Bevölkerung wächst, namentlich dort, wo die Industrie sich entwickelt, und damit wächst die Nachfrage nach Lebensmitteln. Neuer Boden muß in Anbau genommen werden. Damit wachsen im Laufe der ökonomischenu Entwicklung die Unterschiede der Produktivität zwischen den verschiedenen Stücken des Kulturbodens und es wächst damit die Grundrente.
Wir brauchen unser obiges Beispiel nur weiterzuführen, um das deutlich zu zeigen. Der größeren Uebersichtlichkeit wegen bringen wir die Darstellung in Tabellenform, wobei wir annehmen, daß die Kultur von dem im ersten Beispiele erwähnten schlechten Boden, der bei einem Aufwand von 3.200 Mark 400 Zentner Weizen trägt, zu noch schlechterem vorgeschritten ist, der bei gleichem Kapitalaufwand auf gleicher Fläche nur noch 320 Zentner produzirt.
Bodenarten |
Produkt |
Kapital- |
Profit- |
Individueller |
Allgemeiner |
Grund- |
||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Ztr. |
Mk. |
|
Im Ganzen |
pr. Ztr. |
Im Ganzen |
pr. Ztr. |
Mk. |
|
A |
450 |
3.200 |
25 % |
4.000 |
8,88 |
4.500 |
10,00 |
500 |
B |
400 |
3.200 |
25 % |
4.000 |
10,00 |
4.000 |
10,00 |
— |
A |
450 |
3.200 |
25 % |
4.000 |
8,88 |
5.650 |
12,50 |
1.650 |
B |
400 |
3.200 |
25 % |
4.000 |
10,00 |
5.000 |
12,50 |
1.000 |
C |
320 |
3.200 |
25 % |
4.000 |
12,50 |
4.000 |
12,50 |
— |
Wir sehen, in Folge der Ausdehnung der Produktion und des Uebergangs zu schlechterem Boden ist die Grundrente auf dem Boden A von 500 Mark auf 1.650 Mark gestiegen. Der Boden B, der früher gar keine abwarf, trägt jetzt eine solche von 1.000 Mark.
Die Profitrate hat die Tendenz, im Laufe der kapitalistischen Entwicklung zu sinken. Wir können hier die Gründe dieser Erscheinung nicht anführen, sie selbst ist unbestritten. Dagegen hat die Grundrente die Tendenz zu steigen. Doch ist damit nicht gesagt, daß die Grundrente eines bestimmten Grundstücks immer steigen muß. In einem alten Kulturland wird die Ausdehnung der Bodenkultur allerdings in der Regel von gutem zu schlechterem Boden fortschreiten. In einem neuen Lande tritt häufig das umgekehrte ein, weil man da zuerst nicht den besten, sondern den leichtest zugänglichen Boden in Anbau nimmt. Nehmen wir an, daß durch die Ausdehnung des Landbaus statt schlechterer, besserer Boden in Kultur genommen wird, dann würde unsere Tabelle etwa folgendermaßen ausgesehen haben:
Bodenarten |
Produkt |
Kapital- |
Profit- |
Individueller |
Allgemeiner |
Grund- |
||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Ztr. |
Mk. |
|
Im Ganzen |
pr. Ztr. |
Im Ganzen |
pr. Ztr. |
Mk. |
|
X |
500 |
3.200 |
25 % |
4.000 |
8,00 |
5.000 |
10,00 |
1.000 |
A |
450 |
3.200 |
25 % |
4.000 |
8,88 |
4.500 |
10,00 |
500 |
B |
400 |
3.200 |
25 % |
4.000 |
10,00 |
4.000 |
10,00 |
— |
In diesem Falle ist die Grundrente auf A nicht gestiegen, aber Boden X, der früher keine Grundrente abwarf, wirft jetzt 1.000 Mark ab. Die Masse der Grundrente, die dem Grundbesitz zufällt, ist absolut, und auch im Verhältniß zum gesammten vorgeschossenen Kapital gegenüber der in Tabelle I verzeichneten gewachsen.
Unter Umständen kann sogar so viel und so gutes Land urbar gemacht werden, daß die Preise der Lebensmittel sinken und die Landwirthschaft auf dem schlechtesten bisher bebauten Boden unrentabel wird und aufgegeben werden muß. In diesem Falle sinkt die Grundrente von bestimmten Grundstücken, und doch kann auch dann noch die Masse der gesammten Grundrente absolut und im Verhältniß zur Gesammtmenge des in der Landwirthschaft angewendeten Kapitals steigen. Dies wird durch die folgende Tabelle illustrirt.
Bodenarten |
Produkt |
Kapital- |
Profit- |
Individueller |
Allgemeiner |
Grund- |
||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Ztr. |
Mk. |
|
Im Ganzen |
pr. Ztr. |
Im Ganzen |
pr. Ztr. |
Mk. |
|
Y |
600 |
3.200 |
25 % |
4.000 |
6,66 |
5.328 |
8,88 |
1,328 |
X |
500 |
3.200 |
25 % |
4.000 |
8,00 |
4.440 |
8,88 |
440 |
A |
450 |
3.200 |
25 % |
4.000 |
8,88 |
4.000 |
8,88 |
— |
Der Produktionspreis ist heruntergegangen, der Boden B ganz außer Bewirthschaftung gekommen. Boden A hat aufgehört eine Rente zu tragen, auf Boden X ist die Grundrente von 1.000 Mark auf 440 Mark gesunken, und doch ist der Gesammtbetrag der Grundrente gestiegen von 1.500 Mark (Tabelle III) auf 1.768 Mark (Tabelle IV).
Es ändert nichts an dem Exempel, wenn man anstatt einzelner Grundstücke die gesammten Bodenarten eines Landes oder gar der Weltwirthschaft annimmt. Nur handelt sich’s dann statt um Hunderte und Tausende um Hunderte und Tausende von Millionen.
Aber nicht nur die Unterschiede in der Fruchtbarkeit der Ländereien bilden Grundrente, sondern auch die Unterschiede in der Lage, in der Entfernung vom Markte. Je mehr die Bevölkerung eines Lebensmittelmarktes und damit dessen Nachfrage nach Lebensmitteln wächst, desto größer die Entfernungen, aus denen diese noch herbeigeschafft werden müssen. Aber die ferner liegenden Grundstücke werden erst dann in Anbau für den Markt genommen werden, wenn die Lebensmittelpreise so hoch gestiegen sind, daß sie neben den Produktionskosten auch noch die Transportkosten decken und den durchschnittlichen Profit für das Kapital abwerfen. Das ergiebt dann eine Grundrente für die näher liegenden Grundstücke.
Nehmen wir drei Grundstücke an, die in verschiedener Entfernung vom Markte liegen, und alle, der größeren Einfachheit wegen, gleich fruchtbar sein sollen. Die Transportkosten betragen für das Produkt, etwa Weizen, pro Zentner und Kilometer einen Pfennig. Dann haben wir:
Grundstück |
Entfernung |
Produktion |
Individueller |
Transport- |
Marktpreis von |
Grundrente |
---|---|---|---|---|---|---|
|
Kilometer |
Ztr. |
Mk. |
Mk. |
Mk. |
Mk. |
A |
5 |
400 |
4.000 |
20 |
4.400 |
380 |
B |
50 |
400 |
4.000 |
200 |
4.400 |
200 |
C |
100 |
400 |
4.000 |
400 |
4.400 |
— |
Auch diese Art Grundrente hat die Tendenz, in dem Maße, in dem die Bevölkerung zunimmt, zu steigen. Aber Verbesserungen des Verkehrswesens, die den Lebensmitteltransport billiger machen, wirken in entgegengesetzter Richtung.
Endlich ist noch eine dritte Form der Grundrente möglich, und diese wird in alten Kulturländern die wichtigste. Man kann die Lebensmittelproduktion nicht nur dadurch steigern, daß man noch nicht bebauten Boden in Anbau nimmt, sondern auch dadurch, daß man den bereits der Kultur unterworfenen Boden verbessert, mehr Arbeit auf ihn verwendet, kurz, ein größeres Kapital (Ausgaben für Löhne, Vieh, Dünger, Werkzeuge &c.) vorschießt. Wenn dieses zusätzliche Kapital, auf besseren Boden angewendet, einen höheren Ertrag erzielt, als durch Bebauung des schlechtesten Bodens erzielt wird, der sonst noch in Anbau genommen werden muß, so bildet der Mehrertrag einen neuen Extraprofit, neue Grundrente.
Zur Illustrirung dieses Vorgangs wollen wir auf die Tabelle I zurückgreifen. Wir haben da die zwei gleichgroße Grundstücke A und B. B gehöre zum schlechtesten Boden, sein Produktionspreis (10 Mark pro Zentner Weizen) sei der für den Markt maßgebende. Auf dem Grundstück A werde nun eine zusätzliche Kapitalsanlage gemacht, etwa das ursprüngliche Kapital verdoppelt, die neue Anlage sei nicht so produktiv, wie die erste, aber produktiver als die auf dem schlechtesten Boden angewandte. Wir finden dann
Bodenarten |
Produkt |
Kapital- |
Profit- |
Produktions- |
Marktpreis |
Grund- |
|
---|---|---|---|---|---|---|---|
pro |
des Gesammt- |
||||||
Ztr. |
Mk. |
|
Mk. |
Mk. |
|||
A1 |
450 |
3.200 |
25 % |
4.000 |
10,00 |
4.500 |
500 |
A2 |
420 |
3.200 |
25 % |
4.000 |
10,00 |
4.200 |
200 |
Zusammen |
870 |
6.400 |
25 % |
4.000 |
10,00 |
8.700 |
700 |
B |
400 |
3.200 |
25 % |
4.000 |
10,00 |
4.000 |
— |
Die Grundrente von A ist also der Gesammtmasse nach durch die zusätzliche Kapitalanlage A2 gesteigert worden.
Wie verschiedenartig die hier betrachteten Formen der Grundrente auch sein mögen, eines haben sie gemeinsam: sie entspringen alle den Differenzen in der Fruchtbarkeit oder Lage der einzelnen Grundstücke, sie sind Differentialrenten.
Wem aber fallen sie zu?
Die Extraprofite in der Industrie, die aus größerer, den Durchschnitt überragender Produktivität der Arbeit hervorgehen, werden vom Kapitalisten eingeheimst, wenn er auch die bessere Maschine nicht erfunden, sondern nur sich angeeignet hat, auf der seine Ueberlegenheit über seine Konkurrenten beruht, und wenn auch die größere Produktivität der Arbeit, die daher rührt, daß er mit größerem Kapital, also auf erweiterter Stufenleiter produziren kann, nicht sein Verdienst ist. Nicht so gut geht es ihm mit dem Extraprofit, der aus der größeren Fruchtbarkeit oder günstigeren Lage eines Grundstücks stammt.
Ist er Grundbesitzer und Landwirth gleichzeitig, dann steckt er freilich auch den Extraprofit ein. Ganz anders dort, wo der kapitalistische Landwirth und wo der Grundbesitzer zwei verschiedene Personen sind, wo der erstere bloßer Pächter auf fremdem Boden ist. Dieser ist weder beliebig verzehrbar noch übertragbar. Der Landwirth, der nicht selbst Grundbesitzer, kann Landwirthschaft nicht treiben ohne die Erlaubniß des Grundbesitzers, und er muß diese Erlaubniß erkaufen durch Hingabe seines Extraprofits, der Grundrente. Mehr als diesen Extraprofit wird der Gutsbesitzer von dem Pächter (wenigstens wenn dieser kapitalistisch wirthschaftet, was ja hier vorausgesetzt) jedoch in der Regel nicht erlangen. Wenn der Kapitalist nicht Aussicht hat, seinen bürgerlichen Gewinn zu machen, verzichtet er auf das Geschäft, der Grundbesitzer bekommt keine Pächter. Ist dagegen der Pachtzins geringer an die Grundrente, so bleibt ein Theil des erzielten Extraprofits in den Händen des Pächters, dieser macht einen größeren als den durchschnittlichen Profit, dadurch wird die Konkurrenz angezogen und sie wirkt dahin, den Pachtzins zu steigern.
Aber das Monopol des Grundbesitzers ohne dessen Erlaubniß jegliche Landwirthschaft verboten ist, macht sich noch in anderer Weise geltend. Wir haben bisher angenommen, daß der schlechteste Boden keinen Extraprofit abwirft. Würden aber die Marktpreise der kapitalistisch produzirten Waaren direkt durch ihre Werthe und nicht durch ihre Produktionspreise bestimmt, dann könnte für die kapitalistische Landwirthschaft auch auf dem schlechtesten Boden ein Extraprofit entfallen.
Wir wollen zur Erläuterung dessen die auf S. 67 gegebene Tabelle reproduziren, in der wir das Verhältniß des Mehrwerths zu den Gesammtkapitalien dreier verschiedener Unternehmungen veranschaulichen. Wir haben drei Unternehmungen A, B, C von, wie Marx sagt, „verschiedener organischer Zusammensetzung des Kapitals“, worunter er die „Zusammensetzung des Kapitals“ versteht „insofern sie durch seine technische Zusammensetzung bestimmt wird und diese wiederspiegelt“ (Kapital, III 1, S. 124). Je weniger konstantes Kapital im Verhältniß zum variablen verwendet wird, desto niederer die Zusammensetzung des Kapitals. Die Ausbeutung der Arbeiter, also die Rate des Mehrwerths, sei in allen drei Fällen die gleiche.
Unternehmen |
Kapital |
Mehrwerth |
Verhältniß des |
||
---|---|---|---|---|---|
Variables |
Konstantes |
Gesammt |
|||
A |
100.000 |
100.00 |
200.000 |
100.000 |
1 : 2 |
B |
100.000 |
300.000 |
400.000 |
100.000 |
1 : 4 |
C |
100.000 |
500.000 |
600.000 |
100.000 |
1 : 6 |
Würden die Waaren zu ihren Werthen verkauft, also die Masse des Mehrwerths in jedem einzelnen Falle gleich der des Profits sein, so müßte A, wenn B die durchschnittliche Zusammensetzung des Kapitals repräsentirt, einen Extraprofit gegenüber dem Durchschnittsprofit erzielen. Der Profit von A ist gleich 50 Prozent, der von B gleich 25 Prozent. Also Extraprofit von A gleich 25 Prozeut.
Produzirt A unter den Bedingungen der freien Konkurrenz, dann wird diesen Extraprofit nicht behaupten können, er wird ein vorübergehender sein. Anders dagegen, wenn es eine Ausnahmsstellung einnimmt, wenn es im Stande ist, die Konkurrenz bis zu einem gewissen Grade auszuschließen. Das ist beim Grundbesitz der Fall. Er bildet in allen alten Ländern ein Monopol und besitzt die Möglichkeit, seinen Boden von der Bebauung auszuschließen, wenn dieser ihm keine Rente abwirft. Wo alles liebt, kann Carlos nicht hassen, und wo jeder Grundbesitzer eine Rente bezieht, will auch der Besitzer des schlechtesten Bodens, der keine Differentialrente abwirft, eine Grundrente einstecken. Er läßt seinen Boden nicht früher anbauen, als bis die Lebensmittelpreise über ihre Produktionspreise hinaus gestiegen sind, so daß sie auch für ihn einen Extraprofit ergeben.
Dieser Extraprofit kann aber entstehen, ohne daß der Produktionspreis des Getreides seinen Werth übersteigt. Denn die Landwirthschaft gehört zu jenen Betriebszweigen, die wenigstens bis zu einer gewissen Höhe der technischen Entwicklung, eine niedere Zusammensetzung des Kapitals dadurch aufweisen, daß sie so gut wie gar kein Rohmaterial verarbeitet, welches sie selbst erst produzirt. Rodbertus, der das Verdienst hat, zuerst auf den daraus entstehenden Extraprofit der Landwirthschaft als Quelle von Grundrente hingewiesen zu haben, irrt jedoch, wenn er meint, die niedere Zusammensetzung des landwirthschaftlichen Kapitals sei unter allen Umständen in der Natur der Dinge begründet. Verwendet sie auch weit weniger Rohmaterial als andere kapitalistische Betriebszweige, so wird ihr Aufwand an Maschinen und Baulichkeiten – Speichern, Stallungen, Wasserbauten &c. – mit dem Fortschreiten der Technik immer größer. Es ist sehr fraglich, ob heute noch eine intensive Landwirthschaft eine unter dem Durchschnitt stehende organische Zusammensetzung des Kapitals aufweist.
Bei Berechnung des Profits kommt aber auch die Umschlagszeit des Kapitals in Betracht, von der wir bisher abgesehen haben, um unsere Ausführungen nicht unnöthig zu kompliziren, die wir aber nicht übersehen dürfen. Der Kapitalist berechnet seine Proftrate aus dem Verhältniß der Profitmasse, die er in einem bestimmten Zeitraum (einem Jahre) erzielt, zum aufgewendeten Gesammtkapital. Das Gesammtkapital wird aber, bei gleicher organischer Zusammensetzung und gleicher Größe des Betriebs, ein um so größeres sein müssen, je langsamer der Umschlag des Kapitals. In der Landwirthschaft ist aber der Umschlag des Kapitals ein besonders langdauernder, und ein Umschlag, der langsamer als der durchschnittliche, kann sehr wohl einen Extraprofit, der aus anderer Quelle entsteht, aufheben.
Nehmen wir au, daß die drei Unternehmungeu unserer obigen Tabelle A, B, C verschiedene Umschlagszeiten ihres Kapitals haben. Die erste muß 200.000 Mk., die zweite 400.000 Mk., die dritte 600.000 Mk. aufwenden um 100.000 Mk. Mehrwerth zu erzielen. Die Umschlagszeit der ersten betrage ein Jahr (wir sehen von dem Unterschied zwischen fixem und zirkulirendem Kapital hier ab), die des zweiten sechs Monate, die des dritten drei Monate. Dann muß A, um 200.000 Mk. im Jahre aufzuwenden, die vollen 200.000 Mk. vorschießen. B braucht zu seinem Anfwand von 400.000 Mk. ebenfalls um 200.000 Mk. und C bestreitet gar den Jahresaufwand von 600.000 Mk. mit einem Kapital von 150.000 Mk.
Wir haben dann:
Unternehmen |
Gesammtkapital |
Mehrwerth |
Verhältniß des |
---|---|---|---|
Mk. |
Mk. |
||
A |
200.000 |
100.000 |
50,0 % |
B |
200.000 |
100.000 |
50,0 % |
C |
150.000 |
100.000 |
66,6 % |
Der schnellere Umschlag hat den Verlust, den C in der obigen Tabelle durch die hohe Zusammensetzung seines Kapitals erlitt, mehr als ausgeglichen.
Rodbertus war also im Irrthum, wen er annahm, daß aus der niederen Zusammensetzung des landwirthschaftlichen Kapitals naturnochwendig ein Extraprofit entspringen müsse, wenn die landwirthschaftlichen Produkte zu ihren Werthen verkauft werden. Einmal ist diese niedere Zusammensetzung keine Nothwendigkeit, und dann kann ihre Wirkung durch die Langsamkeit des Umschlags des Kapitals in der Landwirthschaft mehr als ausgeglichen werden.
Aber hat Rodbertus auch übers Ziel geschossen, wenn er beweisen wollte, daß aus der niederen Zusammensetzung des landwirthschaftlichen Kapitals eine besondere Rentenform entstehen muß, so hat er doch den Weg gewiesen, um zu zeigen, wie sie entstehen kann. Marx war es vorbehalten, die Gesetze dieser besondern Rente zu erforschen, die er die absolute Grundrente nannte.
Wie jeder Monopolpreis kann auch der durch das Monopol des Grundbesitzen geschaffene Preis der Lebensmittel über deren Werth hinaus steigen. Die Höhe dieser Steigerung hängt nur noch davon ab, wie weit innerhalb der Schranken des Monopols noch die Gesetze der Konkurrenz sich geltend machen können. Sie wird bestimmt durch die Konkurrenz der Grundbesitzer untereinander und die des Auslands, durch die Ausdehnung, in der unter dem Einfluß der steigenden Preise zusätzliches Kapital dem besseren Boden zugeführt und dessen Produktion erhöht wird, sowie endlich, und das bildet das wichtigste Moment, durch die Kaufkraft der Bevölkerung. Je höher die Lebensmittelpreise, desto kleiner der Kreis der Konsumenten, desto größer die Zahl derjenigen, die diese Preise nicht erschwingen können und sich einschränken müssen, was die Nachfrage nach Surrogaten steigern, deren Produktion fördern muß. Wenn es nicht gelingt, die Masse der Bevölkerung auf diese Weise ausreichend mit Lebensmitteln zu versehen, werden schließlich vermehrte Auswanderung und vermehrte Sterblichkeit, also ein Rückgang der Bevölkerung eintreten.
Die Herren Grundbesitzer können die absolute Grundrente also nicht willkürlich hochstellen, aber was sie erpressen können, das erpressen sie.
Wird einmal absolute Grundrente vom schlechtesten Boden gezahlt, dann muß sie auch von jedem anderen gezahlt werden. Das zeigt eine einfache Rechnung. Erinnern wir uns der Tabelle II. Danach zahlte der schlechteste Boden 0 bei einem Preise von 12,50 Mk. pro Zentner Weizen gar keine Grundrente. Sehen wir nun zu, wie sich diese Tabelle gestalten würde, wenn der Boden C so lange der Bewirthschaftung vorenthalten würde, bis der Preis des Weizens weit über 12,50 Mk. gestiegen. Nehmen wir an, daß er so hoch steigt, daß selbst die Inangriffnahme des Bodens C und damit die Vermehrung der Zufuhr auf den Markt ihn nicht unter 15 Mk. herabdrückt. Wir hätten dann:
Bodenarten |
Produkt |
Produktionspreis pro Zentner |
Marktpreis pro |
Differential- |
Absolute |
Gesammt- |
|
---|---|---|---|---|---|---|---|
Individueller |
Allgemeiner |
||||||
Zentner |
Mk. |
Mk. |
Mk. |
Mk. |
|||
A |
450 |
8,88 |
12,50 |
15,00 |
1.650 |
1.125 |
2.750 |
B |
400 |
10,00 |
12,50 |
15,00 |
1.000 |
1.000 |
2.000 |
C |
320 |
12,50 |
12,50 |
15,00 |
— |
800 |
800 |
Der oder die Besitzer der Bodenart C haben in ihrem praktischen Christenthum durch Vertheuerung des Weizens nicht blos sich selbst eine Rente geschaffen, sondern auch die ihrer Kollegen fast verdoppelt. Das Mittel, mit dem sie das erreichen, ist das eines jeden Kartells – Einengung der Produktion zur Steigerung der Preise. Der Unterschied von einem industriellen Kartell besteht darin, daß das natürliche Monopol der Herren Grundbesitzer diesen die Preissteigerung leichter macht als ihren Kollegen von der Industrie und vom Handel, die sich ein Monopol erst künstlich schaffen müssen. Das hindert natürlich nicht, daß Niemand entrüsteter ist über Kornwucherer und Weizenringe, als gerade die Grundbesitzer – dieselben, die den „jüdischen“ Terminhandel verbieten, weil er angeblich der Brotvertheuerung im Wege steht.
Die Grundrente wird eingesteckt einzig auf den Besitztitel des Grundbesitzers hin. Wo dieser sein Gut verpachtet, braucht er keinen Finger zu rühren, um seine Grundrente einzuheimsen, um den Profit zu realisiren, den seine Arbeiter für ihn produzirten, muß der kapitalistische Unternehmer, wenn er schon in der Produktion nicht thätig mitwirkt, wenigstens in der Zirkulationssphäre der Waaren, beim Kauf und Verkauf thätig sein, oder er mußte es wenigstens, bis die Aktiengesellschaften seine Entbehrlichkeit auch auf diesem Gebiete herbeiführten und offenbar machten. Der Grundbesitzer braucht seinen Grundbesitz blos zu besitzen und er sieht nicht nur seine Renten einkommen, sondern oft auch noch von selbst wachsen.
Man darf die kapitalistische Grundrente nicht verwechseln mit den Lasten, die ehedem dem Bauern von dem feudalen Grundherrn auferlegt wurden. Denselben entsprachen ursprünglich, und mehr oder weniger das ganze Mittelalter hindurch, wichtige Funktionen, welche dieser zu erfüllen hatte, Funktionen, die dann der Staat übernommen hat und wofür der Bauer dem Staate Steuern zahlt. Der Grundherr hatte das Gerichtswesen zu besorgen, die Polizei zu handhaben, die Interessen seiner Hintersassen nach außen hin zu vertreten, sie mit gewaffneter Hand zu schützen, den Kriegsdienst für sie zu versehen.
Von alledem ist bei dem Grundbesitzer der kapitalistischen Gesellschaft keine Rede. Soweit die Grundrente Differentialrente, wird sie erzeugt durch die Konkurrenz, soweit sie absolute Rente, durch das Monopol. Daß sie dem Grundbesitzer zufällt, ist in dem einen wie in dem anderen Falle nicht Folge irgend welcher sozialen Funktionen, sondern einzig und allein des Privateigenthums an Grund und Boden.
Die Grundrente selbst tritt in der Praxis ungeschieden zu Tage; man kann nicht erkennen, welche ihrer Theile Differentialrente, welche absolute Rente sind. Gewöhnlich sind sie noch gemischt mit Kapitalzins für Aufwendungen, die der Grundbesitzer gemacht hat. Wo der Grundbesitzer gleichzeitig auch Landwirth ist, erscheint die Grundrente als ein Theil des landwirthschaftlichen Profits.
Doch ist die Unterscheidung der beiden Rentenarten von der höchsten Bedeutung.
Die Differentialrente entsteht aus dem kapitalistischen Charakter der Produktion, nicht aus dem Privateigenthum an Grund und Boden; sie würde fortdauern, wenn der Grund und Boden verstaatlicht würde, wie die Bodenreformer wollen, der kapitalistische Betrieb der Landwirthschaft dagegen erhalten bliebe; nur flösse sie dann nicht mehr einzelnen Privaten, sondern dem Gemeinwesen zu.
Die absolute Grundrente entspringt dem Privateigenthum an Grund und Boden und dem Gegensatz, in dem das Interesse des Grundeigenthümers zu dem der Gesammtheit steht. Die Verstaatlichung von Grund und Boden böte die Möglichkeit, sie abzuschaffen und um ihren Betrag die Preise der landwirthschaftlichen Produkte zu reduziren.
Denn, und das ist der zweite Unterschied zwischen differentialer und absoluter Rente, die erste bildet kein Element der Preisbestimmung der landwirthschaftlichen Produkte, wohl aber die zweite. Die erste entspringt den Produktionspreisen, die zweite aus einem Wachsen der Marktpreise über die Produktionspreise hinaus. Die erste wird gebildet aus dem Ueberschuß, dem Extraprofit, den die größere Produktivität der Arbeit auf besserem Boden, in besserer Lage erzielt. Die zweite entspringt dagegen nicht einem Mehrertrag gewisser Theile landwirthschaftlicher Arbeit, sie ist daher nur möglich durch einen Abzug an den vorhandenen Werthen, den der Grundeigenthümer an sich zieht, einen Abzug von der Masse des Mehrwerths, also eine Senkung des Profits, oder einen Abzug vom Lohn. Steigen die Lebensmittelpreise und damit die Löhne, so sinkt der Kapitalprofit. Steigen jene, ohne daß die Löhne im selben Maße sich heben, dann werden die Arbeiter verkürzt.
Endlich kann es vorkommen, und das wird in der Regel der Fall sein, daß Arbeiter und Kapitalisten sich in den Verlust theilen, den sie durch die absolute Grundrente erleiden.
Zum Glück hat das Steigen der absoluten Grundrente seine Grenzen. Wir haben schon oben darauf hingewiesen, daß die Grundbesitzer nicht völlig willkürlich ihre Höhe festsetzen können. Bis vor Kurzem war sie allerdings in Europa in stetem Steigen begriffen, ebenso wie die Differentialrente, Dank dem Wachsen der Bevölkerung, welches den Monopolcharakter des Grundbesitzes immer mehr verschärfte. Aber die überseeische Konkurrenz hat dieses Monopol in hohem Grade durchbrochen. Wir haben keinen Grund zur Annahme, daß die Differentialrente in Europa unter der überseeischen Konkurrenz gelitten hat, ausgenommen einige Distrikte Englands. Sonst sehen wir nirgends, daß Boden außer Anbau gesetzt wird; der schlechteste Boden wird immer noch bewirthschaftet, höchstens die Art, aber auch nicht die Intensivität seiner Bewirthschaftung ist eine andere.
Aber die absolute Grundrente ist gesunken und dies ist vor Allem den arbeitenden Klassen zu Gute gekommen. Wenn deren Lebenshaltung seit den siebziger Jahren sich vielfach, namentlich in England, verbessert hat, so ist dies sicher im Wesentlichen dem Sinken der absoluten Grundrente zuzuschreiben, daneben freilich auch dem Erstarken der politischen und ökonomischen Macht des Proletariats, die es verhinderte, daß ausschließlich die Kapitalistenklasse daraus Vortheil zog.
Aber diesen Vortheilen stehen auch Nachtheile gegenüber. Das Sinken der Grundrente hat zu einer Krisis in der Landwirthschaft geführt, die nicht blos, wie industrielle und Handelskrisen, eine vorübergehende, sondern eine chronische ist, namentlich in jenen Gegenden, wo, wie dies in den meisten Ländern der Fall, der Grundeigenthümer und der Landwirth eine Person ist, so daß jeder Verlust des Grundeigenhümers auch ein Verlust des Landwirths wird, und wo die Grundrenten fixirt sind im Bodenpreis.
Das Privateigenthnm an Grund und Boden, das vor dem Auftreten der überseeischen Konkurrenz durch das Steigen der Grundrente zu einer der ergiebigsten Quellen der Verelendung der arbeitenden Klassen wurde, ist seit dem Wirken dieser Konkurrenz zu einer Quelle der Verelendung der Grundbesitzer und Landwirthe geworden. Und jeder Versuch, die eine dieser Quellen zu verstopfen, läßt die andere um so ergiebiger fließen.
Herrscht das Privateigenthum an Grund und Boden und werden aus ihm Waaren produzirt, dann werden die einzelnen Grundstücke selbst zu Waaren. Werden die Produktionsmittel zu Kapital, dann liegt es nahe, auch den Boden als Kapital zu betrachten. Das ist er jedoch keineswegs. Mag man noch so oft den Boden Kapital nennen, dadurch wird der Grundbesitzer um keinen Pfennig reicher. Wohl ist sein Grundbesitz zur Waare geworden, die einen bestimmten Preis und Marktwerth hat. Aber dieser unterliegt ganz anderen Gesetzen, als der gewöhnliche Waarenwerth. Der Grund und Boden ist kein Produkt menschlicher Arbeit, sein Preis wird also nicht durch die zu seiner Herstellung nothwendige Arbeit, auch nicht durch seine Produktionskosten bestimmt. Er wird bestimmt durch die Grundrente. In der kapitalistischen Gesellschaft wird der Werth eines Grundstücks oder Landguts dem eines Kapitals gleichgesetzt, dessen Zinserträgniß gleich ist der Größe der betreffenden Grundrente. Die Größe dieses Kapitals, das ist der Marktwerth des Bodens. Dieser wird also bestimmt einerseits durch die Höhe der Grundrente und andererseits durch die Höhe des „landesüblichen“ Zinsfußes.
Der Kapitalzins, das ist jener Theil des Profits, den ein kapitalistischer Unternehmer einem Kapitalbesitzer dafür überläßt, daß dieser ihm sein Kapital zur Verfügung stellt. Oder anders gesagt, jener Theil des Profits, den der Kapitalist auf Grund der bloßen Thatsache seines Eigenthumrechts am Kapital zu erlangen vermag, ohne daß er selbst als Unternehmer in Handel oder Industrie thätig auftritt. Dies ist der Fall nicht blos beim Leihkapital, sondern auch beim Aktienkapital. Die Formen des primitiven Leihkapitals und sein Auftreten außerhalb der Sphäre der Produktion gehen uns hier nichts an.
Wie die Profitraten haben auch die Raten des Kapitalzinses die Tendenz, sich untereinander auszugleichen. Wo höherer als der Durchschnittszins gezahlt wird, da strömen neue Kapitalien zu, wo niederer gezahlt wird, da strömt das Kapital ab – unter sonst gleichen Umständen, gleicher Sicherheit u. s. w. Ja, „der Zinsfuß, sei es der mittlere, sei es die jedesmalige Marktrate, erscheint ganz anders als eine gleichmäßige, bestimmte und handgreifliche Größe, als dies bei der allgemeinen Profitrate der Fall ist“. (Marx, Kapital, III, 1, S. 349)
Die Ausgleichung des Zinsfußes erfolgt auch weit rascher, als die der Profitraten. Diese vollzieht sich durch Veränderungen des gesammten nationalen Produktionsprozesses, durch Vermehrung der Produktion auf dem einem, ihre Verminderung auf einem anderen Gebiet. Das Geldkapital hat eine bequemere Methode der Ausgleichung des Zinsfußes, die im Handumdrehen zu vollziehen ist. Auf dem Markte, wo Kapitalanlagen gekauft und verkauft werden, bewerthet man solche, die einen höheren als den durchschnittlichen Zinsfuß abwerfen, entsprechend höher, Kapitalanlagen, die einen niederen einbringen, niedriger. Wenn eine Aktie, die ich um 200 Mark gekauft habe, eine Dividende von 10 Prozent trägt, und der landesübliche Zinsfuß steht auf 5 Prozent, so kann ich sie um 400 Mark verkaufen, ganz einerlei, wie hoch der Werth der Produktionsmittel, die sie repräsentirt.
Als eine ebensolche Kapitalsanlage wird der Grund und Boden angesehen und nach der Höhe der Grundrente, die er seinem Eigenthümer abwirft, bewerthet.
Wenn aber manche Oekonomen deswegen den Boden zum Kapital rechnen, so übersehen sie ganz die Unterschiede, die dabei obwalten.
Die überdurchschnittlichen Zinsen, die ein in industriellen Unternehmungen angelegtes Geldkapital trägt, können bei freier Konkurrenz, also abgesehen von Monopolverhältnissen, wie wir sie z. B. bei Eisenbahnen, Bergwerken und dergleichen finden, sich ebenso wenig auf die Dauer behaupten, wie überdurchschnittliche Profitraten. Die Bewerthung einer Kapitalsanlage über ihrem Produktionspreise kann daher auch nur ein vorübergehendes Stadium sein.
Bei dem Bodenpreis ist davon keine Rede, wir wissen ja bereits, daß der Boden als solcher keinen Produktionspreis hat. Ein allgemeines Sinken des Zinsfußes affizirt in keiner Weise den Marktwerth der Geldkapitalien, wohl aber den des Bodens. Ein Stück Land, das eine Grundrente von 6.000 Mark abwirft, wird bei einem Zinsfuß von 6 Prozent 100.000 Mark, bei 4 Prozent 150.000 Mark werth sein. Es wäre dagegen lächerlich zu erwarten, ein Leih- oder Aktienkapital von 100.000 Mark, das heute 6 Prozent trägt, werde bei einem allgemeinen Fall des Zinsfußes auf 4 Prozent 150.000 Mark werth werden. Es wird vielmehr in der Regel, in Folge einer Konversion oder vermehrter Neuanlagen auf dem betreffenden Gebiet, aufhören 6 Prozent: zu tragen, auch nur 4 Prozent tragen, und 100.000 Mark werth bleiben. Das allgemeine Sinken des Zinsfußes erhöht den Marktwerth des Bodens, nicht den der Geldkapitalien.
Wohl ist es möglich, daß im Boden auch Kapital steckt, und in kapitalistischen Ländern ist dies meist der Fall. Aber das komplizirt blos den Fall, ohne an seinem Wesen etwas zu ändern. Dann enthält der Antheil des Grundbesitzers am landwirthschaftlichen Mehrwerth nicht blos Grundrente, sondern auch Kapitalzins, und der Bodenpreis neben der kapitalisirten Grundrente noch den kapitalisirten Kapitalzins, das ist eben in normalen Fällen das Kapital selbst.
Der Kapitalzins allein kann aber auf keinen Fall den Bodenpreis erklären, denn auch Boden, in dem kein Kapital steckt, ja Boden, der völlig unbebaut ist, bekommt einen Preis, wenn die kapitalistische Produktionsweise genügend entwickelt ist. Und da haben wir den zweiten Unterschied zwischen dem Boden und dem Kapital. Der jeweilige Werth eines Geldkapitals wird auf dem Kapitalsmarkt bemessen nach dem Zins, den es wirklich abwirft; der Preis eines Grundstücks wird bemessen nach der Grundrente, die es abwerfen kann. Und noch ein dritter Unterschied ist vorhanden: die von der menschlichen Arbeit geschaffenen Produktionsmittel verschleißen (physisch und moralisch; letzteres durch neue Erfindungen), und hören früher oder später auf zu existiren; sie müssen immer wieder erneuert werden. Der Boden dagegen ist unzerstörbar und ewig – wenigstens vom Standpunkt der menschlichen Gesellschaft.
Die beiden letztgenannten Momente ließen es als unsinnig erscheinen, wenn der Besitzer eines industriellen Unternehmens dieses nicht ausnutzte, sondern stille stehen ließe. Für die Grundbesitzer ist dieses Vorgehen bei steigender Grundrente (also namentlich in den Städten) durchaus nicht unsinnig. Für sie kann es oft sehr profitabel werden, ein Grundstück der Bebauung vorzuenthalten.
Alle diese Unterschiede werden verdeckt, wenn man den Grund und Boden Kapital nennt. Trotzdem halten bis heute noch viele Oekonomen daran fest, so Brentano in seiner schon mehrfach erwähnten Schrift über Agrarpolitik. Den Beweis dafür bildet ihm die Thatsache, daß in den Boden Kapital hineingesteckt ist und daß Rodbertus ein städtisches Gebäude als Kapital bezeichnet,
„trotzdem die Fläche, auf der das Gebäude errichtet ist, monopolisirte Naturgabe ist ... Der Boden ist also heute Kapital. Allein er unterscheidet sich von anderen Kapitalien allerdings, sofern er eine monopolisirte Naturgabe ist, die nur in beschränkter Menge vorhanden ist. Allein es ist dies nicht blos der landwirthschaftlich, sondern ebenso der zu Wohnzwecken oder der zu industriellen Zwecken benutzte Boden, ebenso ein Wasserfall, ein Bergwerk, eine Eisenbahn u. dgl.“ (Agrarpolitik, S. 13)
Das beweist natürlich „icht, daß der Boden Kapital ist, sondern daß auch der städtische Boden, Wasserfälle und Bergwerke eine Grundrente abwerfeu. Was aber die Eisenbahnen anbelangt, so gehört eine blühende Phantasie dazu, sie zu den „Naturgaben“ zu rechnen. Wie sagt doch Dogberry: „Ein hübsches Gesicht ist ein Geschenk des Glückes, aber Schreiben und Lesen zu können, ist eine Gabe der Natur.“
Mag man noch so oft den Grund und Boden Kapital nennen, dadurch wird der Grundbesitzer kein Kapitalist.
Bei der Bemessung des Preises eines Landgutes kommen allerdings neben der Grundrente noch andere Faktoren in Betracht; außer dem „Grundkapital“, d. h. der kapitalisirten Grundrente, noch das wirkliche zu dem landwirthschaftlichen Betrieb vorgeschossene Kapital: Baulichkeiten, Anlagen, lebendes und todtes Inventar. Der Marktwerth dieses Kapitals wird berechnet nach den Produktionspreisen (minus der Abnutzung).
Ein Landgut kann aber auch mit Luxusanlagen verbunden sein und ist es in der Regel beim Großgrundbesitz. Solche Anlagen, die mit der Produktion gar nichts zu thun haben, erhöhen natürlich den Preis des Gutes, nicht aber die Grundrente. Je höher der Preis dieser Luxusanlagen, desto geringer wird die Verzinsung des „Grundkapitals“ erscheinen, wenn man ihn zu diesem hinzuzählt. Wenn, um bei unserem Beispiel zu bleiben, ein Stück Land eine Grundrente von 6.000 Mark abwirft, so wird es bei einem durchschnittlich üblichen Zinsfuß von 3 Prozent 200.000 Mark werth sein. Erbaut der Besitzer darauf ein Schloß mit einem Aufwand von 100.000 Mark, so wird er den Marktwerth des Gutes jetzt auf 300.000 Mark veranschlagen; das heißt aber, daß das „Grundkapital“ sich nun nur noch mit 2 Prozent verzinst, viel niedriger, als das gewöhnliche Kapital.
Die Behauptung, daß das Grundkapital die merkwürdige Eigenschaft besitze, sich besonders schlecht zu verzinsen, daß keine Kapitalsgattung so niedrigen Zins abwerfe, kann man sehr oft ausgesprochen hören. Sie ist gänzlich verkehrt.
Wie wir eben gesehen, existirt diese Art Kapital gar nicht, sie ist nur eine Fiktion; was wirklich vorhanden, ist die Grundrente, aus ihr wird der Betrag des „Grundkapitals“ erst berechnet. Bei dieser Berechnung wird allerdings in der Regel die Grundrente höher kapitalisirt, als dem durchschnittlichen Zinsfuß entspricht, nicht, weil das Grundkapital die mysteriöse Eigenschaft hat, geringeren Zins zu tragen, sondern weil der Kapitalist die durchaus nicht mysteriöse, sondern sehr wohl verständliche Eigenschaft hat, den Grund und Boden, die Produktionsstätte der Grundrente, für eine Kapitalsanlage zu halten, die besondere Vorzüge aufweist. Das ist auch meist der Fall. Nicht nur sind oft mit dem Grund und Boden materielle und immaterielle Vortheile verbunden, die in der Grundrente nicht zum Vorschein kommen – der Besitz eines Landhauses oder Schlosses, auf den wir schon hingewiesen, Produktion von Lebensmitteln für den Selbstgebrauch, Jagd, politischer Einfluß –; die Grundrente hatte auch bis vor Kurzem in Europa – und hat noch in den Städten und der Umgebung der Städte – im Gegensatz zum Kapitalzins die Tendenz, zu steigen. Diese Aussicht mußte der Kapitalist besonders bezahlen, wenn er Grund und Boden kaufte.
Aber alle diese Transaktionen machen den Grundbesitzer – als Grundbesitzer – nicht zum Kapitalisten. Man kann natürlich Grundbesitzer und Kapitalist gleichzeitig sein, aber darum handelt es sich hier nicht. Kauf und Verkauf machen den Grundbesitz zu einer Kapitalsanlage, aber nicht zu Kapital, ebenso wenig als etwa eine Richterstelle im vorigen Jahrhundert dadurch, daß ihre Erwerbung ein Kapital kostete, selbst zu einem Kapital wurde. Der Grundbesitzer kann allerdings seinen Grundbesitz verkaufen und dadurch Kapitalist werden; aber in dem Moment, in dem er es wird, hört er auf, Grundbesitzer zu sein. Umgekehrt, der Kapitalist, der sein ganzes Kapital dazu verwendet, Grundbesitz zu kaufen, hört mit dem Moment auf, Kapitalist zu sein, in dem er Grundbesitzer wird.
Daß der Grundbesitzer kein Kapitalist ist, das merkten zuerst die englischen Grundherrn, die früher als die kontinentalen der feudalen Dienste ihrer Hintersassen verlustig gingen, und früher daran zu gehen hatten, kapitalistisch zu wirthschaften. Es blieb bei dem Versuch, denn das Kreditwesen war noch nicht entwickelt. Sie sahen sich (schon im 15. Jahrhundert) gezwungen, ihre Güter in größere oder kleinere Pachtungen zu zertheilen und diese an Landwirthe zu verpachten, welche das nöthige lebende und todte Inventar zur Bewirthschaftung des Gutes selbst besaßen. Die Verpachtung an den kapitalistischen Pächter, das war der Weg, auf dem sie der Landwirthschaft das nöthige Kapital zuführten.
Weniger entwickelt, wie in England, ist das moderne, kapitalistische Pachtwesen auf dem europäischen Festland, namentlich nördlich der Alpen.
In England waren 1895 von der Kulturfläche nur 4.640.000 Acres in Eigenbetrieb, dagegen 27.940.000 in Pachtbetrieb. Man zählte dort 61.014 Betriebe mit Eigenland und 459.092 mit Pachtland.
Anders lauten die Zahlen aus Deutschland und Frankreich. Doch ist auch hier der Pachtbetrieb im Zunehmen. Im deutschen Reiche haben sich die Betriebe mit Pachtland von 1882 bis 1895 von 2.322.899 auf 2.607.210, also um 284.311 vermehrt, während die Zahl der Betriebe ohne Pachtland von 2.953.445 auf 2.951.107 herabging. In Frankreich zählte man Landwirthe mit:
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Eigenbetrieb |
|
Pachtbetrieb |
|
---|---|---|---|---|
1882 |
3.525.342 |
1.309.904 |
||
1892 |
3.387.245 |
1.405.569 |
||
|
Abnahme (−) |
− 138.097 |
+ 95.665 |
Selbst in den Vereinigten Staaten ist das Pachtwesen im Zunehmen. Man zählte dort Farmen in:
|
|
Eigenbetrieb |
|
Pachtbetrieb |
||
---|---|---|---|---|---|---|
1880 |
2.984.306 |
75 % |
1.024.601 |
25 % |
||
1890 |
3.269.728 |
72 % |
1.294.913 |
28 % |
In den alten, nordatlantischen Staaten der Union finden wir nicht blos eine relative, sondern ebensso wie im alten Europa eine absolute Abnahme der Eigenwirthschaft. Dort waren Farmen in:
|
Eigenbetrieb |
|
Pachtbetrieb |
|
---|---|---|---|---|
1880 |
584.847 |
111.292 |
||
1890 |
537.376 |
121.198 |
||
|
Abnahme (−) |
− 47.471 |
+ 9.901 |
Aber in allen diesen Ländern herrscht der Eigenbetrieb noch weit vor. Der kapitalistische Betrieb der Landwirthschaft fing da erst zu einer Zeit an, von Bedeutung zu werden, als das städtische Kapital und damit das Kreditwesen sehr entwickelt war. Damit war der Landwirthschaft ein zweiter Weg eröffnet, zu Kapital zu kommen durch Inanspruchnahme des Kredits. Dieser ist zum Theil persönlicher Kredit, zum Theil Real- oder Pfandkredit. Nur dieser soll uns hier beschäftigen. Der Grundbesitzer nimmt eine Hypothek auf, das heißt, verpfändet seine Grundrente und erhält so das Geld, um die nöthigen Meliorationen vornehmen, die nöthigen Anschaffungen an Vieh, Maschinen, Hilfsdünger &c. machen zu können.
Bei dem kapitalistischen Pachtsystem erscheinen die drei großen Gruppen des Einkommens in der kapitalistischen Gesellschaft scharf getrennt. Der Besitzer des Grund und Bodens und der der übrigen Produktionsmittel, der Kapitalist, sind zwei verschiedene Personen und ihnen steht der vom Kapitalisten ausgebeutete Lohnarbeiter gegenüber. Dieser bezieht den Arbeitslohn, der Kapitalist den Unternehmergewinn, der Grundbesitzer die Grundrente. Die Person des Letzteren ist für den landwirthschaftlichen Betrieb völlig überflüssig; er ist weder organisatorisch noch kommerziell thätig, wie der kapitalistische Unternehmer, er hat nichts zu thun, als diesem möglichst hohe Pachtzinse zu erpressen und sie mit seinen Parasiten zu verzehren.
Beim Hypothekarsystem liegt die Sache weniger klar und einfach, aber im Grunde läuft es auf dasselbe hinaus. Auch hier finden wir die Zweitheilung zwischen dem Grundeigenthümer und dem Unternehmer – allerdings hinter besonderen juristischen Formen versteckt. Die Grundrente, die beim Pachtsystem dem Grundeigenthümer zufließt, fällt beim Hypothekarsystem dem Hypothekengläubiger anheim. Dieser ist der Besitzer der Grundrente, damit aber auch der thatsächliche Besitzer von Grund und Boden selbst. Der nominelle Grundeigenthümer dagegen ist in Wirklichkeit ein kapitalistischer Unternehmer, der den Unternehmergewinn und die Grundrente einstreicht und letztere in Form von Hypothekenzinsen wieder abgiebt. Schlägt sein Unternehmen fehl, kann er die schuldige Grundrente nicht bezahlen, dann hat er ebenso seinen angeblichen Besitz zu verlassen, wie der Pächter, der seinen Zins schuldig bleibt, das Pachtgut; ja sehr oft hat der Hypothekargläubiger sogar die Macht, durch Kündigung der Hypothek einen nnbequemen Landwirth von Haus und Hof zu treiben, ebenso wie der Grundbesitzer es durch Kündigung des Pachtvertrags vermag. Der Unterschied zwischen dem Pachtsystem und dem Hypothekarsystem ist da nur der, daß bei letzterem der wirkliche Grundbesitzer Kapitalist heißt und der wirkliche kapitalistische Unternehmer Grundbesitzer. Dank diesem quid pro quo lieben es unsere Landwirthe, welche doch thatsächlich kapitalistische Funktionen verrichten, sich über die Ausbeutung durch das „mobile Kapital“ zu entrüsten, nämlich über die Hypothekengläubiger, denen thatsächlich dieselbe ökonomische Rolle zufällt, die im Pachtsystem der Grundbesitzer spielt.
In allen Kulturstaaten finden wir eine rasche Zunahme der Hypothekenschulden.
In Preußen überstieg die Summe der Neubelastungen der ländlichen Grundstücke die der Löschungen um:
1886/87 |
|
133 Millionen Mark |
|
1891/92 |
|
207 Millionen Mark |
1887/88 |
88 Millionen Mark |
1892/93 |
209 Millionen Mark |
|||
1888/89 |
121 Millionen Mark |
1893/94 |
228 Millionen Mark |
|||
1889/90 |
179 Millionen Mark |
1894/95 |
255 Millionen Mark |
|||
1890/91 |
156 Millionen Mark |
|
Das zeigt binnen wenigen Jahren eine Zunahme von 1½ Milliarden!
Diese rasche Zunahme bedeutet nichts anderes, als daß allenthalben derselbe Prozeß, wenn auch in anderer Form vor sich geht, der in England schon so weit gediehen, die Loslösung des Landwirths vom Grundeigenthum. Ein Proletarier wird der Landwirth dadurch noch lange nicht, ebenso wenig als der englische Pächter ein Proletarier ist. Er besitzt so wie dieser alle seine Produktionsmittel mit Ausnahme von Grund und Boden (es handelt sich hier nur um Hypothekar-, nicht um persönliche Verschuldung).
Die Zunahme der Hypothekarverschuldung braucht auch nicht nothwendiger Weise einen Nothstand der Landwirthschaft anzuzeigen. Sie kann einem solchen entspringen – das Bedürfniß nach Verbesserung und Hebung des Betriebs ist nicht die einzige Ursache der Hypothekarschulden. Wir werden später noch andere Ursachen kennen lernen. Aber auch der Fortschritt und die Blüthe der Landwirthschaft muß sich in einer Zunahme der Hypothekarschulden äußern, einmal wegen des wachsenden Kapitalbedürfinisses, das von einer fortschreitenden Landwirthschaft entwickelt wird, und dann wegen des Steigens der Grundrente, das eine Ausdehnung des landwirthschaftlichen Kredits ermöglicht.
In Oesterreich, das wohl die beste Hypothekenstatistik für einen längeren Zeitraum besitzt, betrug die Zunahme der Hypothekenschulden (ohne Galizien, die Bukowina und das Küstenland):
1871 |
|
46.740.617 Gulden |
|
1881 |
|
10.084.671 Gulden |
1872 |
107.621.665 Gulden |
1882 |
22.926.080 Gulden |
|||
1873 |
202.458.692 Gulden |
1883 |
34.289.210 Gulden |
|||
1874 |
156.127.016 Gulden |
1884 |
57.241.240 Gulden |
|||
1875 |
136.692.565 Gulden |
1885 |
55.871.264 Gulden |
|||
1876 |
99.276.440 Gulden |
1886 |
52.708.237 Gulden |
|||
1877 |
24.694.812 Gulden |
1887 |
56.330.623 Gulden |
|||
1878 |
44.160.263 Gulden |
1888 |
56.954.250 Gulden |
|||
1879 |
22.765.037 Gulden |
1889 |
52.738.749 Gulden |
|||
1880 |
18.404.585 Gulden |
|
Gerade in den besten Zeiten für die Landwirthschaft (und für den städtischen Grundbesitz), anfangs der siebziger Jahre, stiegen die Hypothekelschulden am meisten.
Die Spaltung des grundbesitzenden Landwirths in zwei Personen, den Grundeigenthümer und den Unternehmer, ist eine naturnothwendige Folge des Privateigenthums an Grund und Boden in der kapitalistischen Produktionsweise. Diese Spaltung schafft aber auch die Möglichkeit, das Privateigenthum am Boden aufzuheben, selbst wenn die Bedingungen zur Aufhebung des Privateigenthums an den übrigen Produktionsmitteln der Landwirthschaft noch nicht gegeben sind. In den Gebieten des Pachtsystem kann das geschehen durch die Verstaatlichung respektive Vergesellschaftung des Grundeigenthums, in den Gebieten des Hypothekarsystems durch die Verstaatlichung der Hypotheken.
Die Bedingungen dazu sind um so eher vorhanden, je größer die Konzentration des Grundeigenthums (bei Pachtbetrieb), oder der Hypotheken (bei Eigenbetrieb) in wenigen Händen. Diese Konzentration ist leider für ganze Staaten und größere Zeiträume statistisch schwer nachweisbar. Besitzen wir auch eine ausreichende laudwirthschaftliche Betriebsstatistik, so war dagegen die Hypothekenstatistik bisher völlig unzureichend und die Grundeigenthumsstatistik ncht derart, daß sie Vergleichungen verschiedener Zeiträume gestattete und die Vereinigung verschiedener Besitzungen in einer Hand allgemein verfolgen ließe. Beispiele von Grundeigenthumskonzentrirung in einzelnen preußischen Provinzen werden wir weiter unten in einem anderen Zusammenhange bringen. M Allgemeinen darf man wohl annehmen, daß dort, wo die Zahl der Pachtungen und die Fläche des Pachtlandes zunimmt, auch der Grundbesitz in weniger Händen sich konzentrirt, denn nur wer des eigenen Landes zur Wirthschaft nicht bedarf, Ueberfluß davon hat, kann daran denken, es ganz oder Theile davon zu verpachten. Die Länder des ausgebildeten Pachtsystem3 sind auch Länder mit vorwiegendem Großgrundbesitz.
Wichtiger als das Pachtsystem ist für Deutschland das Hypothekarsystem. Hier ist der Prozeß der Konzentration des Grundbesitzes, oder, wenn man genau sein will, der Grundrente, deutlich sichtbar. Wir werden noch sehen, wie die zahlreichen kleinen Dorfwucherer immer mehr bei Seite geschoben werden, um großen zentralisirten kapitalistischen oder genossenschaftlichen Instituten Platz zu machen, die den Hypothekenkredit monopolisiren. Nach den Angaben von F. Hecht in seinem Werk über die Staatlichen und provinziellen Bodenkreditinstitute in Deutschland erreichte die Gesammtsumme der von den deutschen Bodenkreditinstituten in Umlauf befindlichen Pfandbriefe gegen Ende 1888 den Betrag von mehr als 4½, Milliarden Mark. Davon entfielen auf die genossenschaftlich organisirten Institute 1.900 Millionen Mark, die staatlichen oder provinziellen Bodenkreditinstitute 420 Millionen, auf die Hypothekenaktienbanken 2½ Milliarden. Deren Hypothekarkredit erstreckt sich allerdings zu großem Theil auf das städtische Grundeigenthum. Dafür aber kommen für die Zentralisation des Hypothekarkredits noch andere große Institnte in Betracht, Sparkassen, Versicherungsgesellschaften, Stiftungen und Korporationen aller Art. 35 deutsche Lebensversicherungsgesellschaften haben 80 Prozent ihrer Fonds in Hypotheken angelegt, die preußischen Sparkassen über 50 Prozent. In Preußen betrug der ländliche Hypothekenbesitz der Sparkassen 1892 rund eine Milliarde Mark; die 17 in der preußischen Monarchie befindlichen genossenschaftlichen Bodenkreditinstitute (Landschaften) hatten 1887 für 1.650 Millionen Mark Pfandbriefe ausgegeben, während die 11 in Preußen domizilirten privaten Bodenkreditinstitute 1886 für 735 Millionen Mark Hypothekenforderungen erworben hatten. Diese Zahlen zeigen schon eine enorme Konzentration der Grundrente in wenigen zentralen Instituten an; die Konzentration nimmt aber noch rasch zu. 1875 hatten die deutschen Hypothekenbanken für 900 Millionen Mark Pfandbriefe ausgegeben, 1888 für 2½ Milliarden, 1892 war diese Summe auf 3.400 Millionen gestiegen, die in 31 (1875 in 27) Banken konzentrirt waren.
Hermes bringt in seinem Artikel über Landschaften (im 2. Ergänzungsband des Handwörterbuchs der Staatswissenschaften) einige Beispiele davon, wie schnell die Hypothekenschulden sich in den genossenschaftlichen Bodenkreditinstituten des preußischen Großgrundbesitzes konzentriren. Das kur- und neumärkische ritterschaftliche Kreditinstitut hat Pfandbriefe ausgefertigt (abzüglich der getilgten) im Werthe von:
1805 |
|
11.527.000 Mk. |
|
1875 |
|
82.204.000 Mk. |
1855 |
38.295.000 Mk. |
1894 |
189.621.000 Mk. |
Das Neue Brandenburgische Kreditinstitut, gegründet 1869, hat Pfandbriefe ausgefertigt (abzüglich der getilgten) im Werthe von:
1870 |
|
48.000 Mk. |
|
1890 |
|
74.275.000 Mk. |
1880 |
8.695.000 Mk. |
1895 |
101.484.000 Mk. |
Das sind Zahlen, die wohl deutlich darauf hinweisen, daß das „Marxsche Dogma“ für das Grundeigenthum nicht minder gilt, wie für das Kapital. In diesem Sinne wird seine Wirksamkeit auch gar nicht bestritten. Dagegen soll es für den landwirthschaftlichen Betrieb nicht gelten. Das ist eine viel wichtigere Frage, die wir noch ausführlicher erörtern werden. Hier handeln wir nur vom Grundeigenthum und den beiden Gestalten, die es unter dem kapitalistischen Regime annimmt.
Wir haben gesehen, daß Pachtsystem und Hypothekarsystem sich in vielen Beziehungen als gleichartig erweisen. Aber sie zeigen auch bedeutende Unterschiede.
Der wichtigste ist der, daß die Bewegung des Pachtzinses den Bewegungen der Grundrente folgt. Dagegen ist das mit dem Hypothekarzins nicht der Fall. Wohl ist auch dieser nicht unbeweglich, wenn auch schwerfälliger als der Pachtzins, aber seine Bewegung wird nicht bestimmt durch die Bewegung der Grundrente, sondern durch die des Kapitalzinses, die ganz anderen Gesetzen folgt. Beide können gleichzeitig in entgegengesetzter Richtung sich bewegen. Der Kapitalzins kann sinken und die Grundrente steigen. Das war bis vor Kurzem die regelmäßige Bewegung in den alten Ländern der kapitalistischen Produktion.
Der Vortheil davon fiel beim Pachtsystem dem Grundbesitzer zu. Beim Hypothekarsystem dagegen steckte der thatsächliche laudwirthschaftliche Unternehmer und nominelle Grundbesitzer den Zuwachs der Grundrente in die eigene Tasche oder benutzte ihn zum Erwerb neuen Hypothekarkapitals,
Dieser Vortheil des Grundeigenthums fällt dem Hypothekargläubiger ebenso wenig zu wie die anderen oben erwähnten, die den Marktwerth des Grundeigenthums erhöhen und die niedrige Verzinsung des „Grundkapitals“ herbeiführen. In Folge dessen verlangt der Hypothekargläubiger, wenigstens bei steigender Grundrente, eine höhere Verzinsung seines Kapitals, als die vom „Grundkapital“ abgeworfene, das heißt, die Summe eines Hnpothekenkapitals, das die gesammte Grundrente zu seiner Verzinsung erfordert, ist geringer, als der Marktwerth des damit belasteten Bodens.
Illustriren wir das durch das oben gegebene Beispiel eines Landguts, das 6.000 Mark Grundrente abwirft. Der durchschnittliche Zinsfuß betrage 4 Prozent, die kapitalisirte Grundrente würde also 150.000 Mark betragen. aber mit dem Landgut sind zahlreiche Vortheile verknüpft, die wir schon erwähnt, darunter der wichtigste die Aussicht auf das Steigen der Grundrente. Der Besitzer wird daher erheblich mehr an 150.000 Mark für sein Gut erlangen, sagen wir 200.000 Mark. Das entspräche einer Verzinsung des „Grundkapitals“ mit 3 Prozent. Der Hypothekargläubiger verlangt aber seinen durchschnittlichen Zinsfuß von 4 Prozent, der Landwirth kann ihm indeß nur 6.000 Mark Hypothekenzinsen zahlen. Die hypothekarische Verschuldung kann also nur bis 150.000 Mark gehen, nur drei Viertel des Grundwerths betragen und doch die gesammte Grundrente aufzehren.
Immerhin ist bei steigender Grundrente, und diese ist hier vorausgesetzt, der Landwirth unter dem Hypothekarsystem besser daran als unter dem Pachtsystem. Aber die Medaille hat auch ihre Kehrseite, und die kommt zum Vorschein bei fallender Grundrente.
Nun wälzt der Pächter, wenigstens der kapitalistische, seine Verluste auf den Grundeigenthümer ab, dieser muß, wenn auch nicht ohne Sträuben, nach längerem Kampfe, in eine Herabsetzung der Pachtzinse willigen. Die selbstwirthschaftende Grundeigenthümer dagegen muß die Nachtheile des Sinkens der Grundrente zunächst selbst tragen, er kann sie nicht ohne Weiteres auf den Hypothekargläubiger abwälzen.
Was unter dem Pachtsystem nach einem kürzeren oder längere Uebergangsstadium zu einer Noth des Grundbesitzers wird, ist unter dem Hypothekarsystem stets eine Noth der landwirthschaftlichen Unternehmer, oder, wie man sagt, der „Landwirthschaft“. Die thatsächlichen Grundbesitzer, die Hypothekargläubiger werden davon zunächst nicht getroffen. Wohl kann gleichzeitig mit der Grundrente auch der Hypothekenzinsfuß herabgehen, aber dies ist dann nicht eine Folge des landwirthschaftlichen Nothstamds, sondern des Sinkens des Kapitalzinses überhaupt, einer Erscheinung, die das gesammte Leihkapital trifft. Damit haben wir es hier nicht zu thun. Der Zinsfuß der Hypotheken wird durch den allgemeinen Zinsfuß des Kapitals bestimmt und die größte Bedrängniß der Landwirthschaft kann ihn nicht darunter herabdrücken. Im Gegentheil, je größer die Noth des Landwirths, desto größer die Risikoprämie, die er zu zahlen hat, desto höher wird der Zinsfuß, zu dem er sich bequemen muß, wenigstens bei Aufnahme neuer Schulden, über dem durchschnittlichen stehen, desto tiefer unter dem Preise des Gutes wird die Grenze stehen, bis zu der er es mit Hypotheken belasten kann.
Unter dem Hypothekarsystem vollzieht sich die Anpassung der Landwirthschaft an die sinkende Grundrente nicht wie beim Pachtsystem, durch Herabsetzung der Zinsen, sondern durch den Bankerott der Unternehmer und den Kapitalsverlust der Hypothekengläubiger; jedenfalls nicht die schmerzloseste und rationellste Operation.
Außer dem Pacht- und dem Hypothekarsystem ist noch ein dritter Fall möglich, nämlich der, daß der Grundbesitzer gleichzeitig auch Kapitalist ist, das heißt, daß er außer seinem Grundbesitz genug baares Geld besitzt, und eine moderne Wirthschaft ganz aus eigenen Mitteln einzurichten, und außer dem Unternehmergewinn auch die gesammte Grundrente einzustecken.
Diese Art der Vereinigung des Grundbesitzers mit dem Kapitalisten in einer Person ist jedoch historisch eine Ausnahme; sie muß auch im weiteren Verlauf der kapitalistischen Produktionsweise eine Ausnahme bleiben. Der Grund davon ist zu suchen erstens in der Ueberlegenheit des Großbetriebs über den Kleinbetrieb, und dann im Privateigenthum an Grund und Boden.
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Zuletzt aktualisiert am 26.2.2012