Industrial Workers of the World


Programm und Aufgaben

Die Todeskrise des kapitalistischen Systems und die Aufgaben des Proletariats

(Mai 1933)


Published by the Industrial Workers of the World, 2422 N. Halsted St. Chicago, Ill.
Der Abschnitt „Weltkrise und Arbeiterbewegung“ stammt von Paul Mattick.
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Inhalts-Verzeichnis

Prinzipienerklärung

Vorwort

Rückblick

Weltkrise und Arbeiterbewegung

Der Krieg als Wendepunkt

Todeskrise (I)

Die Marx'sche Akkumulations- und Zusammenbruchstheorie

Todeskrise (II)

Die Realität der Weltkrise

Die proletarischen Konsequenzen

Was ist die I.W.W.?

Die I.W.W. eine Weltunion.

Der Unterschied zwischen der I.W.W. und den Gewerkschaften

Die Methoden der I.W.W.

Die Struktur der I.W.W.

Die Bildungsarbeit der I.W.W.

Die I.W.W. und die Agrarfrage

Die I.W.W. zur Arbeitslosenfrage

Die I.W.W. und die Opfer des Klassenkampfes

Anhang

Die I.W.W. zur Russlandfrage

Zur Frage des Staatskommunismus

Zur Dritten Internationale

Die Lehren des Faschismus in Deutschland

Organisiert Euch in der I.W.W.

Fremdwörter-Verzeichnis

Einheitsfront (Oskar Kanehl)

Anmerkungen





Prinzipienerklärung

Es gibt keine Gemeinschaft zwischen Kapital und Arbeit!

Es gibt keinen Frieden, solange Millionen Arbeiter hungern und verelenden, während die Bourgeoisie ihr Leben genießt.

Der Klassenkampf zwischen Kapital und Arbeit muss geführt werden, bis die Arbeiter der Welt, als Klasse organisiert, die Erde und die Produktionsmittel in Besitz nehmen und das Lohnsystem beseitigen. Die Konzentration des Kapitals, die wachsende Macht der Bourgeoisie, zeigten zugleich, daß die Gewerkschaften unfähige und unbrauchbare Instrumente des Klassenkampfes sind. Die Gewerkschaften haben keine Klassen-, sondern enge Berufsinteressen, die die Kraft des Proletariats zersplittern. Sie schufen Gruppeninteressen innerhalb des Proletariats und wurden zu Werkzeugen der Bourgeoisie, indem sie wirkliche Lohnkämpfe vereiteln und weiterhin, durch Arbeitsgemeinschaften mit der Unternehmerklasse, durch eine Verhandlungs- und Kompromisspolitik das Klassenbewußtsein des Proletariats verdunkeln. Die durch die Gewerkschaftstaktik entstandene Hilflosigkeit des Proletariats kann nur überwunden werden durch eine Organisation, die das Proletariat als KLASSE umfasst. Diese Organisation muss so geformt sein, daß alle ihre Mitglieder in einer Industrie, oder wenn nötig in allen Industrien die Arbeit niederlegen, wenn immer ein Streik oder eine Aussperrung einen Teil der Arbeiter trifft. Ihr Grundsatz muss sein:

Einer für Alle, Alle für Einen!

An Stelle des konservativen Mottos: einen guten Tagelohn für ein gutes Tagewerk, schreiben wir auf unser Banner die revolutionäre Parole:

Abschaffung des Lohnsystems!

Es ist die historische Mission der Arbeiterklasse, den Kapitalismus zu stürzen. So müssen die Arbeiter nicht nur für den täglichen Kampf mit der Bourgeoisie organisiert sein, sondern auch um die Produktion fortzuführen, wenn der Kapitalismus vernichtet ist.

Indem wir uns wirtschaftlich nach Industrien organisieren, bilden wir bereits die Struktur der neuen Gesellschaft in der Schale der alten.




Vorwort

Nicht zufällig wählte KARL MARX England zum Ort seiner Studien und zum Objekt seiner Analyse des Kapitalismus, sondern weil zu seiner Zeit die kapitalistische Entwicklung in England am weitesten fortgeschritten war.

Die schon sehr früh eingetretene Überakkumulation von Kapital hemmte den industriellen Fortschritt in England und gestattete jüngeren Ländern mit noch hohen Kapitalverwertungsmöglichkeiten und hier wieder am besten Amerika, an die Spitze der industriellen Entwicklung zu kommen.

Amerika ist heute .das typische, das kapitalistisch am weitesten entwickelte Land. Es konnte mit den Erfahrungen des europäischen Kapitalismus bereits beginnen, es hatte keine feudalistischen Restbestände mitzuschleppen und so überwand es auch am leichtesten; zugleich mit der embryonalen Form des Kapitalismus; die Embryoformen der Arbeiterbewegung.

Die Unzulänglichkeit der politischen Organisation, die Unmöglichkeit der Berufsverbände und Gewerkschaften als Waffen des Klassenkampfes, wurden zuerst in dem am meisten vertrusteten Amerika erkannt. 1905 war es den Gründern der I.W.W. bereits klar, daß der Klassenfront der Bourgeoisie die Klassenfront des Proletariats entgegengestellt werden muss.

So ist es auch wiederum kein Zufall, daß die I. W: W. in Amerika entstand, sondern; sie ist das Produkt der amerikanischen Verhältnisse, die sich nicht von denen Europas prinzipiell unterscheiden, sondern nur den auf die Spitze getriebenen Kapitalismus darstellen.

Und wie England einst .das Vorbild der allgemeinen kapitalistischen Entwicklung war, so ist die I.W.W., die Klassenorganisation des amerikanischen Proletariats, heute das organisatorische und taktische Vorbild des Weltproletariats.

Die Arbeiterorganisation der nächsten Zukunft ist die

„internationale Klassenorganisation der Industriearbeiter der Welt!“

Dem Kampf für diese Zukunft dient diese kleine Schrift.

Die Herausgeber.

Mai, 1933 — Chicago, Ill.




Rückblick

Die bald dreißigjährige Geschichte der I.W.W. wirft die Frage auf: weshalb es der I.W.W. bisher nicht gelang, den Einfluß der alten Arbeiterbewegung zu brechen, ihre eigenen Reihen genügend zu stärken, den Klassenkampf schärfer zu führen?

Diese Frage wird durch die Entwicklung selbst beantwortet.

Mit der Ausdehnung der kapitalistischen Produktion verband sich nicht nur eine ungeheure Bereicherung der Bourgeoisie, sondern auch der Lebensstandard des Proletariats der führenden Industrieländer, und speziell Amerikas, hob sich allgemein.

Die Arbeiterschaft, die wohl im Verhältnis zu den von ihr erzeugten Werten stets einen geringeren Anteil erhielt, bekam im Verhältnis zu den notwendigen Lebensmitteln, die zu ihrer Reproduktion nötig waren, einen langsam wachsenden Anteil. Wo dieser Anteil nicht wuchs, war in der Aufstiegsepoche des Kapitals das Proletariat doch imstande, sich auf Reproduktionskosten zu halten, d. h. eine gegebene Lohnhöhe zu behaupten.

Wenn auch die im Verhältnis zur Akkumulation des Kapitals allerdings geringere Verbesserung der Lage der arbeitenden Klasse nichts weiter ausdrückte, als die Steigerung der Reproduktionskosten der Arbeit durch die sich rapide entwickelnden gesellschaftlichen Produktivkräfte, so hatte diese Tatsache doch eine der Entwicklung des Klassenbewußtseins entgegenwirkende Tendenz.

Die Marxsche These, daß der „Akkumulation des Kapitals die Akkumulation des Elends entspricht“, schien von der Wirklichkeit widerlegt. Nicht das konkrete Elend wuchs, sondern mit der relativen Verbesserung der ökonomischen Lage des Proletariats wuchsen auch zugleich die Voraussetzungen einer starken reformistischen Arbeiterbewegung. Aus dem Klassenkampf wurde ein Schacher um die Vergrößerung des Anteils am gesellschaftlichen Produkt auf der Basis der Ausbeutung. Die Idee des Klassenkampfes bis zum Sturz der kapitalistischen Gesellschaft wurde eingetauscht für den Gedanken einer automatischen, evolutionären, friedlichen Entwicklung des Kapitals zum Sozialismus. Nicht mehr das Proletariat war Totengräber der bürgerlichen Gesellschaft, sondern die letzte Konsequenz des kapitalistischen Konzentrationsprozesses wurde „theoretisch“ der erste Schritt in den „Sozialismus“. Die parlamentarisch-gewerkschaftliche „Arbeiterbewegung“ wurde zum Turnierplatz einer sich langsam und sicher verfilzenden „Führerschaft“, „deren“ Arbeiterbewegung bald selbst zu einer notwendigen kapitalistischen Einrichtung wurde, die sich auf Tod und Leben mit der Bourgeoisie verbunden sah.

Die Verflachung der Arbeiterbewegung hatte ihre Ursache in der aufsteigenden Tendenz des Kapitalismus. Ohne die objektiven Voraussetzungen zur Revolution, kann auch die revolutionäre Theorie nicht die Massen erfassen. Die Arbeiterbewegung entstand schon in den Gründerjahren des Kapitalismus; die Massen jedoch können erst radikal werden in den Todeskrämpfen des geschichtlich überholten Kapitalismus. Erfüllen kann sich die revolutionäre Theorie nur in einer siegreichen, proletarischen Revolution, die das Übel an der Wurzel packt, d. h. die Produktionsverhältnisse, die die Ausbeutung bedingen, ändert.

Die Unreife der objektiven Voraussetzungen zur Revolution ist der letzte Grund dafür, daß die I.W.W. auch heute noch sich im der Position des Rufers in der Wüste befindet. Aber diese scheinbar verlorene Stellung ist die einzige Gewähr dafür, daß die I.W.W. die Organisation der Revolution sein wird. Die mit dem Kapitalismus verwachsenen und deshalb „erfolgreichen“ Arbeiterorganisationen werden mit dem Kapitalismus, ihrer Nährmutter, zu Grunde gehen.

Seit 1905 versucht die I.W.W. der Arbeiterbewegung einen wirklichen Klassencharakter zu geben. Sie sah sich in diesem Bestreben nicht nur der Bourgeoisie, sondern auch deren Lakaien in der reformistischen-revisionistischen - opportunistischen „Arbeiterbewegung“ gegenüber. Gegen alle Verflachungen und Verfälschungen hielt die I.W.W. das Banner des kompromisslosen Klassenkampfes hoch, und die Geschichte der I.W.W. ist zugleich ihre geschichtliche Rechtfertigung.

Denn die Geschichte der I.W.W. ist mit Blut geschrieben!

Zur Zeit ihrer Gründung bestand die I.W.W. zum größten Teil aus Bergarbeitern, Eisenbahnern, Forst- und Saisonarbeitern. Im Laufe der Jahre dehnte sich ihre Tätigkeit auf immer mehr Industrien aus. Die Organisation hat viele größere und kleinere Streiks in vielen Industrien mit wechselnden Erfolgen geleitet. In ihren Kämpfen mit der herrschenden Klasse um Organisations-, Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit, im wirtschaftlichen Kampf um bessere Lebensbedingungen für das Proletariat, hat die I.W.W. stets in vorderster Front gestanden und ungeheure Opfer gebracht.

Seit ihrem Bestehen haben mehr als 10 000 ihrer besten Mitglieder die Gefängnisse gefüllt. Noch jetzt befindet sich eine Anzahl von I.W.W.-Mitgliedern hinter Zuchthausmauern. Mitglied der I.W.W. zu sein, hieß, für eine lange Periode, vogelfrei zu sein. I.W.W.-Mitglieder wurden gelyncht, viehisch ermordet, geteert und gefedert, ausgewiesen, geschlagen, ihres persönlichen Eigentums beraubt. Der Terror der Bourgeoisie wurde zum Wahnsinn, wenn er sich gegen die verhasste I.W.W. richtete.

Die I.W.W. ist die Organisation der Märtyrer des amerikanischen Proletariats. Wir erinnern hier nur an Joe Hill, an Wesley Everest, an die Centralia Affäre, als Symbole der Blutopfer, die die I.W.W. der Arbeiterbewegung gebracht hat. Wir erinnern nur an das Everettmassaker 1916, an den Coloradostreik 1927, der noch in aller Erinnerung ist, um die Aktivität der I.W.W. zu illustrieren. Wir erinnern nur an die jüngsten Kämpfe in Kentucky und die Solidarität der I.W.W. mit deren Opfern.

Die I.W.W. war und ist die einzige wirkliche revolutionäre Klassenkampforganisation des amerikanischen Proletariats!




Weltkrise und Arbeiterbewegung

Wir sagten, daß der Aufschwung des Kapitals die Entstehung einer revolutionären Bewegung hemmte und daß die Entartung der Arbeiterbewegung das Produkt der kapitalistischen Blütezeit war. Heute, mitten in der allgemeinen kapitalistischen Weltkrise, können wir bereits feststellen, daß mit dem Untergang des Kapitalismus auch „dessen“ Arbeiterbewegungen zu Grunde gehen. Der Zersetzungsprozess der amerikanischen Gewerkschaften, der American Federation of Labor (A. F. of L.) kann z. B. statistisch überzeugend nachgewiesen werden. Aber auch die anderen, traditionell gebundenen, auf „Führerschaft“ und Gruppeninteressen basierenden Arbeiterorganisationen werden über kurz oder lang das Schicksal der A. F. of L. zu teilen haben. Die Arbeiter müssen, um zu leben, die Fessel der veralteten Organisationsform sprengen und sich als KLASSE, in Organisationen, die sie selbst beherrschen, organisieren!

Der Krieg als Wendepunkt

Für die alte Arbeiterbewegung galt als Motto: „Die Bewegung ist alles, das Ziel nichts!“ Der Sozialismus war für sie etwas in die weiteste Ferne Gerücktes. Die Marxsche Theorie von der Unabwendbarkeit des kapitalistischen, ökonomischen Zusammenbruchs des Kapitalismus wurde verlacht. Man „sah“, daß die Krisen, die zyklisch kamen, immer wieder überwunden wurden, ja, daß sie langsam schwächer wurden und man glaubte, daß der Kapitalismus sie einst ganz auszuschalten imstande sein werde. Aus einem Problem des kapitalistischen Produktionsprinzips wurden Zirkulations- und Konkurrenzprobleme, die durch die Konzentration des Kapitals ganz ausgeschaltet werden sollten mit Hilfe einer „richtigen“, planmäßigen Führung der Wirtschaft.

So lebte man unbesorgt dem kapitalistischen Alltag; die Revolution wurde mit Spott in die Unwahrscheinlichkeit verwiesen, die Klassenharmonie feierte ihre höchsten Triumphe — — — bis eines Tages die Bombe des Weltkrieges über den „friedlichen“ imperialistischen Bürgersteig rollte und den Beginn einer neuen Ära einleitete.

Die alte Arbeiterbewegung verlor den letzten Schein pietätvoller, revolutionärer Phraseologie und zeigte mit ekelerregender Klarheit, daß ihre reaktionäre Form die Form ihres reaktionären Inhalts war. Gemeinsam mit ihrer Bourgeoisie kämpfte die Arbeiterschaft eines jeden Landes um den besten Platz an der Sonne. Und hier zeigte es sich, daß die alte Arbeiterbewegung nichts weiter war, als ein Teil der kapitalistischen Ausbeutungsmaschinerie.

Nur die I.W.W. verkaufte nicht das Erstgeburtsrecht der Revolution für das Linsengericht kapitalistischer Zugeständnisse. Sie pfiff auf die Burgfriedenspolitik, führte gerade in der Kriegszeit die besten ihrer Streiks und hielt das Banner des Klassenkampfes aufrecht. Durch den Krieg wurde der „schon überwundene“ Standpunkt des „Kommunistischen Manifestes“ durch ein Millionenopfer an Leichen wieder zurückgewonnen. Die Selbstbesinnung des Proletariats fand ihren großartigen Ausdruck in den Stürmen der russischen und mitteleuropäischen Revolutionen. Der Glaube an den Kapitalismus, als der „besten der Welten“, war erschüttert.

Der Konjunkturablauf nach dem Weltkriege änderte sich. Die Krisen wurden länger und schärfer. Aber die Intensität der Krise war noch geographisch verschieden gelagert. Einzelne Länder wurden schwerer, andere leichter betroffen. Die Krise war vorerst noch keine Weltkrise in dem Sinne, wie sie sich jetzt seit fünf Jahren äußert.

Es war dem amerikanischen Kapital selbst in der Zeit des sichtbaren, permanenten Niedergangsprozesses des kapitalistischen Europas möglich gewesen, seine Krisen mit ungeahnten Konjunkturen abzulösen. Das schon erwähnte Fehlen zu gewichtiger frühkapitalistischer Restbestände, die günstige organische Zusammensetzung des Kapitals, die äußerst rationalisierte Wirtschaft, die relative ökonomische Unabhängigkeit vom Rohstoffweltmarkt, die Surplusprofite während des Krieges und andere Momente, machten aus dem U.S.A.-Kapitalismus das Reklameschild der kapitalistischen Welt.

Die Prosperitätsideologie trübte das Klassenbewußtsein des amerikanischen Proletariats so sehr, daß die Theorie der I.W.W. nicht nur nicht Fuß fassen konnte, sondern ihr Einfluß sogar zurückging. Dies spricht nicht gegen die I.W.W. und die amerikanische Arbeiterschaft, sondern ist das natürliche Produkt der Entwicklungseigentümlichkeiten des amerikanischen Kapitalismus.

Als 1928 die industrielle Krise in U.S.A. einsetzte, als sie sich mit dem Börsenkrach von 1929 den Weg in die kapitalistische Presse bahnte, glaubte die amerikanische Arbeiterschaft mit ihrer Bourgeoisie, daß die Krise, wie frühere Depressionen in kurzer Zeit behoben sein würde. Dieser schon erschütterte Glaube im fünften Jahr der Weltkrise und ihrer Perspektiven, die nur auf weiteren Abstieg deuten, muss von der revolutionären Bewegung gänzlich vernichtet werden.

Todeskrise I.

Obwohl die Revolution keine Doktorfrage ist, ist es doch notwendig, daß das Proletariat seine Situation in ihrer ganzen Schärfe erfasst. Die Bourgeoisie und die an ihrer Existenz gebundene Arbeiterbewegung ist außerstande, die Krise in ihrer wirklichen Gestalt und Bedeutung zu erkennen. Tauchen Probleme auf, die das Ende der kapitalistischen Produktionsweise in sich enthalten, so muss die „Theorie“ der Bourgeoisie und ihrer Lakaien absolut versagen. Sie können keine Lösung finden, denn die Lösung liegt hinter ihrem Tod. Das Kapital kann sich nicht selbst vernichten, so ist allein das Proletariat imstande, die ökonomische Wissenschaft zu Ende zu führen.

An der Stellung der Arbeiterbewegung zum Krisen- und Zusammenbruchsproblem ist der Charakter dieser Bewegung zu erkennen. Wer nicht zum Kern der Dinge vordringt, wer nicht die Krise und den endlichen Zusammenbruch auf die Eigentümlichkeiten der kapitalistischen Produktionsverhältnisse zurückzuführen imstande ist, der ist auch außerstande, die Theorie für die Änderung der Produktionsweise zu geben, der ist auch nicht zur revolutionären Praxis fähig.

Die Marxsche Akkumulations- und Zusammenbruchstheorie ist zugleich die Praxis der proletarischen Revolution, eins drückt das andere aus; wo diese Totalität nicht besteht, existiert auch nur die Untauglichkeit zur geschichtlich gestellten Aufgabe.

Die Krise des Kapitals kann von der revolutionären Bewegung nur vom Standpunkt des Proletariats aus betrachtet werden. Die objektiven Bedingungen sind für uns in der Niedergangsepoche des kapitalistischen Systems gegeben, die sich dadurch charakterisiert, daß das Kapital nur noch Profite machen kann, durch die allgemeine, absolute und dauernde Verelendung des Proletariats.

Wir lehnen jede mechanische Auffassung vom Zusammenbruch des Kapitals ab. Wir sind als Anhänger der materialistischen Dialektik der Auffassung, daß die kapitalistische Gesellschaft nur durch die organisierte Kraft des Proletariats beseitigt werden kann.

Wir wissen, daß ganz bestimmte Verhältnisse notwendig sind, die den Sturz des Kapitals erst ermöglichen. Der Wille des Proletariats genügt nicht, ohne diese bestimmten Verhältnisse kann sich ein solcher Wille garnicht entwickeln. Wir sind aber der Überzeugung, daß heute die objektiven Verhältnisse reif genug sind, um die subjektiven Voraussetzungen für die endgültige Emanzipation der Arbeiterklasse zu schaffen.

Die Entwicklung des Kapitalismus zeigte uns, daß es ihm möglich war, bis zu einem gewissen Punkt die Reallöhne der Arbeiter zu steigern. Marx wies nach, dass, wenn dieser bestimmte Punkt erreicht ist, auch der Reallohn, wie vorher schon der relative Lohn, fallen muss, will der Kapitalismus seinen Profit sichern. Marx, allgemein zusammenfassend, sagte:

„Es folgt daher, daß in dem Maße, wie Kapital akkumuliert, die Lage des Arbeiters, welches immer seine Zahlung, hoch oder niedrig, sich verschlechtern muss.“ ... „Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation!“

Und sein berühmtes Akkumulationskapitel illustriert in großartiger Weise diese absolute Tendenz des Kapitalismus:

„Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, also auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee. Die disponible Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen entwickelt wie die Expansivkraft des Kapitals. Die verhältnismäßige Größe der industriellen Reservearmee wächst also mit den Potenzen des Reichtums. Je größer aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die konsolidierte Übervölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Lazarusschicht der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer der offizielle Pauperismus.“ (Das Kapital I, S.609-10.)

Also die kapitalistische Akkumulation, die zur Entfaltung des Kapitalismus führte, wird zugleich die Ursache seines Zusammenbruchs. Dieselben Tendenzen, die seinen rapiden Aufstieg ermöglichten, werden an einem bestimmten Punkt der Entwicklung die Ursachen des rapiden Niedergangs.

Das Marxsche Akkumulations- und Zusammenbruchsgesetz

Für alle Gesellschaftsordnungen manifestiert sich der technische und ökonomische Fortschritt darin, daß der Mensch imstande ist, mit seiner Arbeitskraft eine stets größere Menge von Produktionsmitteln in Bewegung zu setzen. Weniger Arbeit liefert ein immer größeres Produkt. Das Eigentümliche der kapitalistischen Produktionsweise liegt darin, daß in ihr dieser allgemeingültige Arbeitsprozess zugleich ein Verwertungsprozess ist, d. h. die Produktionsmittel und die Arbeitskraft haben neben ihrer Naturalform noch einen Wertcharakter. Mit anderen Worten: Grundbesitz, Maschinen, Rohstoffe und beschäftigte Arbeiter sind im Kapitalismus nicht nur Grundbesitz, Maschinen, Rohstoffe und beschäftigte Arbeiter, sondern zugleich ein Kapitalverhältnis. Konstantes und variables Kapital, das verwertet werden muss, oder einfacher gesagt, Profit zu erzeugen hat. Auf dieses dualistische Prinzip der kapitalistischen Produktionsweise lassen sich alle ihre weiteren Erscheinungen zurückführen.

Der allgemeingültige, natürliche Prozeß der menschlichen Emanzipation, der sich in immer mehr Produktionsmittel und immer weniger Arbeitskraft ausdrückt, äußert sich im Rahmen der kapitalistischen Akkumulation gleichzeitig, als das beständige Anwachsen des konstanten Kapitals im Verhältnis zum variablen. Immer mehr Kapital wird in die Maschinerie (fixes Kapital) und in Rohstoffe, immer weniger, im Verhältnis zum ersteren weniger, in Arbeitslöhnen angelegt. Da aber der variable, in Arbeitslöhnen steckende Kapitalteil die einzige Quelle des Profits ist, muss mit der verhältnismäßigen Abnahme dieses Teils auch der Profit geringer werden. Da aber der Profit die einzige Triebfeder der kapitalistischen Produktion ist, wird die Akkumulation nur solange fortgesetzt werden, als sie eben profitabel ist.

Die amerikanischen Zensuszahlen bestätigen, daß das auf den Kopf des Arbeiters angewandte konstante Kapital im Verhältnis zum Lohnkapital (variables) stets wächst. Diese Tatsache des schnelleren Wachsens des konstanten Kapitals im Verhältnis zum variablen wird als organische Zusammensetzung des Kapitals bezeichnet. Infolge der fortschreitend höheren organischen Zusammensetzung des Kapitals und der damit verbundenen Steigerung der Produktivität der Arbeit, wird der Lohn einen stets kleineren Teil des Gesamtprodukts betragen und dadurch wohl die absolute Mehrwertmasse steigen, aber die Profitrate zugleich fallen. Im Verlauf der kapitalistischen Akkumulation, die dauernd vom Fall der Profitrate begleitet ist, wird bald ein Punkt erreicht, wo nicht nur die Profitrate, sondern zugleich auch die Profitmasse sinkt.

Die kapitalistische Akkumulation erfordert eine dreifache Teilung der Mehrwertmasse. Es wird aus ihr bestritten das zusätzliche konstante Kapital, das zusätzliche variable Kapital und der dritte Teil bildet den Konsumtionsfond der Kapitalisten. Wächst die organische Zusammensetzung des Kapitals, und sie wächst solange das Kapital akkumuliert, dann muss aus dem Mehrwert ein relativ immer größerer Teil desselben für die Zwecke der zusätzlichen Akkumulation verwendet werden. Bei einer niedrigen organischen Zusammensetzung ist der Mehrwert groß und ausreichend, um mit ihm die Akkumulation fortzusetzen. Auf einer höheren Akkumulationsstufe wird die Mehrwertmasse verhältnismäßig zu klein und reicht nicht aus, um die Bedürfnisse des zusätzlichen konstanten Kapitals und der anderen Teile zugleich zu sichern. Soll die Akkumulation trotzdem fortgesetzt werden, so kann die Bourgeoisie entweder auf ihren Konsumtionsfond verzichten, oder den variablen Teil, das heißt den Lohnanteil der Arbeiter verringern. Sie wird das letztere tun, da sie nicht freiwillig verhungern wird. Diese ökonomische Situation verschärft den Klassenkampf. Ein dauernder Angriff auf die Löhne, im Interesse des eigenen Konsumtionsfonds setzt ein. Von der Verelendung des Proletariats hängt nun das weitere Schicksal des Kapitals ab.

An einem solchen Punkt angelangt, wo die zu erwartende Mehrwertmasse nicht groß genug ist, um einen notwendigen Profit zu sichern, setzt die weitere Akkumulation aus. Der aus den bisherigen Kapitalanlagen fließende Mehrwert liegt brach, ein Überfluss von müßigem, vergeblich nach Anlagemöglichkeiten suchendem Kapital tritt ein.

Henryk Grossmann fasst diese Tendenz der kapitalistischen Akkumulation in einer außerordentlich treffenden Formulierung folgendermaßen zusammen:

„Der Kapitalismus findet seine endgültige Schranke an der mangelnden Verwertung des Kapitals. Je mehr der Kapitalismus wächst, umso größer wird der Kapitalanteil, der für Rohstoffe und Produktionsmittel ausgegeben wird, umso kleiner wird im Verhältnis dazu der Kapitalanteil, der für Arbeiterlöhne einzusetzen ist. Weil aber der Mehrwert nichts ist, als die unbezahlte Mehrarbeit der beschäftigten Arbeiter, so muss mit dem Wachstum des Kapitals der Mehrwert und damit der Profit im Verhältnis zum gesamten angelegten Kapital sinken. Zum Teil wird das ausgeglichen durch das Wachstum des Grades der Ausbeutung. Weil aber ein fortwährend größeres Kapital angewandt wird, gleicht sich weiterhin das Sinken der Profitrate aus durch das Wachsen der Profitmasse. An einem bestimmten Punkt der Akkumulation ist das Sinken der Profitrate aber auch zugleich von einem Sinken der Profitmasse begleitet. Dann bringt ein größeres, gesellschaftliches Kapital einen absolut kleineren Profit. Wir haben dann: Überproduktion von Kapital und stets wachsende Arbeitslosigkeit. Unverwertbarer Überschuss von Kapital bei unanwendbarer überschüssiger Bevölkerung. Das ist der letzte große Widerspruch der kapitalistischen Produktion, an dem sie zu Grunde gehen muss!“ (Das Akkumulations- und Zusammenbruchsgesetz des kapitalistischen Systems.)

Diese reine, absolute Tendenz der kapitalistischen Akkumulation wird durch Gegentendenzen, die sich aus der kapitalistischen Entwicklung selbst ergeben, aufgehalten. Die Zusammenbruchstendenz drückt sich in den Krisen aus und wird durch die Krisen überwunden. Die Krisen sind durch Gegentendenzen abgeschwächte, nicht zur vollen Entfaltung gelangte Zusammenbruchserscheinungen. Aber diese Gegentendenzen schalten sich im Laufe der Entwicklung selbst aus.

Die Rationalisierung wird zur Fehlrationalisierung. Die Fusionen der Betriebe und die damit verbundene günstigere, organische Zusammensetzung richtet sich gegen sich selbst, z. B. durch die belastende Verzinsung und Amortisation des Kapitals der stillgelegten Betriebe. Die Herabsetzung der Löhne der Arbeiter ist begrenzt. Man kann die Arbeiter nicht dauernd unter Reproduktionskosten halten. Tote oder verhungernde Arbeiter erzeugen keinen Profit. Auch die Abkürzung der Umschlagszeit hat seine Grenzen, weil sie, übertrieben, die Kontinuität des Produktionsprozesses aufhebt. Der Handelsprofit kann nur ausgeschaltet werden; ist er aber ausgeschaltet, so hört dieses Mittel der Profiterhöhung auf, Gegentendenz zu sein. Auch die Gegenwirkung des Kapitalexports ist nur temporärer Natur. In dem Maße, in dem durch die fortgesetzte Akkumulation die Zahl der kapitalübersättigten und deshalb kapitalexportierenden Länder und die Masse ihrer Kapitalisten größer werden, vergrößert sich die Konkurrenz auf dem Weltmarkt, der Kampf um gewinnbringende Anlagesphären und wird der Kapitalexport als Gegentendenz wirkungsloser. Es zeigt sich, daß durch die immanenten Gesetze der Kapitalakkumulation diese und weitere Gegentendenzen, die die bisherigen Krisen stets überwanden, sich langsam selbst aufheben. Haben diese Gegentendenzen keine Wirkung mehr, so setzt sich der Zusammenbruch durch. Dann haben wir die Krise in Permanenz, oder die Todeskrise.

Todeskrise II.

Das heutige Stadium des Kapitalismus, der Imperialismus, manifestiert die Herrschaft des Monopolkapitals. Das Industriekapital beherrscht als Finanz- oder Monopolkapital das Bankkapital und bestimmt den Staat und seine Politik. Es sprengt den nationalen Rahmen und schließt sich international zusammen, wodurch der Konkurrenzkampf auf breiterer Grundlage verschärft wird. Die imperialistischen Konflikte wegen profitabler Anlagequellen für das überschüssige Kapital und der Beherrschung günstiger Rohstoffbasen, verschärfen sich und drängen zu neuen Kriegen.

Aber wie schon der letzte Krieg nicht imstande war, die kapitalistischen Schwierigkeiten durch Kapitalzerstörung und der dadurch ausgedrückten, gewaltsamen Herabsetzung der organischen Zusammensetzung des Kapitals aufzuheben, so drücken die drohenden Kriege auch nichts weiter aus, als den beschleunigten Marsch in die kapitalistische Barbarei. Auch die heute unternommenen Kapitalentwertungen durch Abschreibungen haben keine tieferen Wirkungen im Sinne eines erneuten Aufschwungs. Wie auch der schon vollzogene kolossale Preissturz, und in erster Linie Preissturz des Lohnes, nichts zur Überwindung der Krise beitrug, oder in anderen Worten, nicht eine neue Konjunktur durch die Krise ermöglichte. Die Höhe der Produktivkraft der Arbeit lässt auch jede neue Erfindung, jede neue Eröffnung neuer Industrien, als Mittel einer neuen Konjunktur nicht mehr zu. Die Rationalisierung hat die Arbeitsperioden für die Produktion bereits derart verkürzt, daß jede neue Industrie bereits erschöpft wäre, ehe sie als krisenmildernd bemerkbar würde.

Die Krise bleibt als allgemeine Krise bestehen. Sie trifft alle Gebiete des internationalen Kapitalismus. Sie entwickelt keine neue Konjunktur, sondern drückt sich aus im ständigen Rückgang der Produktion und dem dauernden Wachsen der Arbeitslosigkeit. Sie ist zugleich Finanz-, wie Agrarkrise. Alle spekulativen Gegentendenzen, wie Inflation und Zollpolitik, zerschellen an ihrer Härte. Der durch den Kolonialimperialismus erzeugte zusätzliche Mehrwert wird immer geringer durch die Eigenakkumulation der Kolonien. Die imperialistischen Tendenzen verschärfen den Druck auf das Proletariat, anstatt wie früher, ihn zu mildern. Es zeigt sich, daß die Krise im Rahmen des Kapitalismus nicht überwunden werden kann.

Wir wiederholen: Das Marxsche Akkumulationsgesetz ist zugleich Krisentheorie und das Zusammenbruchsgesetz des kapitalistischen Systems. Es zeigte sich, daß die gegen den Zusammenbruch sich wendenden Tendenzen ihre Wirkung verloren haben. Es bleibt dem Kapital nichts weiter, als seinen weiteren Profit allein aus der dauernden und absoluten Verelendung des Proletariats zu schöpfen. Während der, die Aufstiegsepoche begleitenden Krisen des Kapitals, gelang die Wiederherstellung der notwendigen Profitsumme, ohne daß es notwendig wurde, den absoluten Arbeitslohn dauernd zu senken. Erst in der Endphase des Kapitals reicht der Mehrwert nicht mehr aus, um ein genügendes Lohnniveau und die erforderliche Akkumulation zugleich sicher zu stellen.

Erst an diesem Punkt, wo die Expansion, die Konzentration, die Rationalisierung, die Ausschaltung profitfressender Mittelschichten, des Handelskapitals etc., als Gegentendenzen gegen den Profitschwund keine Wirkung mehr haben, oder schon aufgehoben sind, bleibt dem Kapital nichts weiter, als die Verelendung der Arbeiterschaft.

Im Kampf um den Mehrwert drückt sich der Klassenkampf innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft aus. Der Klassenkampf um den Mehrwert muss umschlagen in den Kampf um die Vernichtung des Kapitalverhältnisses in der Produktion. Was die Endkrise von den bisherigen Krisen allein unterscheidet, ist, daß mit der „Überwindung“ der Krise vom kapitalistischen Standpunkt aus, was nur die Wiederherstellung der Verwertung des Kapitals bedeuten kann, das Lohnniveau nicht wiederhergestellt werden kann, daß es dauernd sinkt, ohne Rücksicht darauf, ob das Kapital von Krise oder „Normalität“ spricht. Die Überwindung der Krise vom Standpunkt des Kapitals hebt nicht die Todeskrise für das Proletariat auf. Vor dem Proletariat steht die Alternative: KOMMUNISMUS ODER DIE BARBAREI!

Das Kapital bricht nicht von selbst zusammen. Wenn die Arbeiterschaft nicht, in kraftvollen Industrie-Unionen organisiert, die Produktionsmittel in Besitz nimmt und das Ausbeutungssystem beseitigt, dann geht die Arbeiterschaft, über die vollständige Kulisierung, der Massenvernichtung, der Barbarei entgegen.

Todeskrise des kapitalistischen. Systems heißt nichts weiter, als daß die objektiven Bedingungen für die proletarische Revolution gegeben sind. Für das Proletariat gibt es nur einen Weg aus der Krise, den Weg, der zur Beseitigung des kapitalistischen Systems führt.

Die Realität der Weltkrise

Die Fragen des Proletariats können in der kapitalistischen Ordnung weder beantwortet noch gelöst werden. Sie können nicht einmal hinausgezögert werden. Der Reformismus zeigt sich gerade in der heutigen Zeit als Utopie und fällt der Lächerlichkeit anheim. Die Weiterexistenz des Systems verlangt die Vernichtung von Millionen. Die Errettung der Millionen würde Selbstmord der kapitalistischen Nutznießer bedeuten. So muss für Revolutionäre diese Krise die Todeskrise des Systems sein. Denn alle Momente, die den Klassenkampf vom Reformismus zur Revolution drängen, sind gegeben. Diese Überzeugung hat nicht in Wünschen, sondern in der Betrachtung der realen Wirklichkeit ihre Begründung. Wir befinden uns im fünften Jahr einer allgemeinen Weltkrise, wie sie die bisherige Geschichte des Kapitals nicht kannte. Wir sehen, daß alle bisher wirkenden Krisenüberwindungsmomente an der Tiefe der jetzigen Krise scheitern. Es gibt keine Symptome, die eine Besserung anzudeuten vermögen. Und nicht nur für das Proletariat erscheint dieser Krisenzustand unertragbar, auch die Bourgeoisie betrachtet ihr eigenes Werk mit Schaudern. In einem Leitartikel schreibt der Economist (4.6.1932):

„Der Gang der Weltereignisse berechtigt von Tag zu Tag immer mehr den Vergleich mit dem Irrenhaus.“

Und die Charakterisierung, die Lenin der Bourgeoisie vor zehn Jahren gab:

„Sie (die Bourgeoisie) verhält sich wie ein Räuber, der frech geworden ist und seinen Kopf verloren hat, sie macht eine Dummheit nach der anderen, sie verschärft ihre Lage, sie beschleunigt ihren Untergang.“

Diese Beschreibung gilt heute mehr als damals. Das ist jedoch nur die äußere Erscheinung; die Bourgeoisie ist weder dumm noch irrsinnig, die Handlungen der Bourgeoisie sind nicht willkürlich. Sie verschärft ihre Lage nicht, weil sie den Kopf verloren hat, sondern sie verliert den Kopf, weil sich, gegen alle ihre Maßnahmen, die Krise weiter verschärft.

Ihre Götter stürzen, und zwar buchstäblich. Sie nehmen sich das Leben, entlarven sich als „Kriminalverbrecher“ (wir erinnern nur an Kreuger und Insull). Was der Bourgeoisie allein geblieben ist, ist die kindlichste Hoffnung. Seit Jahren sieht sie und die ihr verpflichteten „Wissenschaftler“ täglich den Umschwung zur Besserung eintreten. In jeder jämmerlichen Hausspekulation sieht sie den Stern von Bethlehem, der ihr neue Prosperität verspricht. Wie oft schon betonte sie, der Tiefstand sei erreicht, schlimmer könne es nicht werden, und es wurde schlimmer. In der Märzausgabe (1932) der Zeitschrift Commerce (offizielles Organ der „Chicago Association of Commerce“) schreibt der führende Finanzkapitalist Edwin L. Lobdell folgendes:

„Wenn die Verhältnisse nicht schlechter werden können (und allem Anschein nach ist dieser Punkt bereits erreicht), muss jede Änderung eine Veränderung zum Besseren sein. Das Jahr 1932 wird ein Jahr der Reinigung sein und nur die besten werden leben bleiben. Die Vereinigten Staaten überwanden viele Krisen, manche, die schwerer waren, als die jetzige. Das Land wurde stets wieder gesund und begann mit neuer Frische größere Dinge. Die Geschichte wird sich wiederholen und die jetzigen Verhältnisse werden vergessen sein, wenn eine neue Generation die Kontrolle in die Hände nimmt.“

Aber diese Analogien mit der Vergangenheit haben absolut keinen Wert. Diese Krise kann nicht mit den vorhergehenden verglichen werden, auch dann nicht, wenn grundsätzlich der Charakter aller kapitalistischen Krisen derselbe ist. Gegen alle Prophezeiungen hat sich die Krise in allen großen kapitalistischen Ländern dauernd verschärft und verschärft sich noch immer und wird sich noch weiter verschärfen.

Die Produktion von Produktionsmitteln ersetzt nicht einmal den natürlichen Verschleiß. Die Produktionskapazität wird kaum noch halb ausgenutzt. Das Arbeitslosenheer schwillt noch immer an und wird weiter anschwellen. Die Profite werden immer geringer, die Bankerotte häufen sich. Alle Gegenmaßnahmen versagen. Kartelle, die den Preisfall aufhalten sollen, zerfallen selbst. Inflationsversuche verpuffen wie ein Tropfen auf heißem Stein. Die politische Unsicherheit wird größer.

Was den Umfang der Produktion betrifft, so ist die kapitalistische Welt schon weit hinter den Stand der Vorkriegsperiode zurückgeworfen. Setzt man den Index der Produktion von 1913 mit 100 an, so hielten sich Ende 1932 die Vereinigten Staaten noch auf dem Niveau von 1913, während in Frankreich der Index auf 95, in England auf 83, Deutschland auf 63 und Polen auf 46 gefallen ist. Noch klarer wird der Niedergang des Kapitalismus, vergleicht man den Produktionsstand der einzelnen Industriezweige 1932 mit den jeweiligen Jahren der Vergangenheit, die dieselbe Höhe aufwiesen.

Kohle Roheisen Stahl Baumwoll-
Verbrauch
U.S.A. 1906 1898 1905 1913
England 1900 1860 1897 1872
Deutschland 1899 1891 1895 1889

Mithin sind die entscheidenden Zweige der kapitalistischen Industrie um 25 bis 40 Jahre zurückgeworfen.

Am klarsten wird der Niedergang des kapitalistischen Systems ausgedrückt durch das krasse Abnehmen der Nachfrage nach allen Arten der schwerindustriellen Produktion, wie sich dies aus den Angaben über die Roheisenerzeugung ergibt.

U.S.A. Frankreich Deutschland England
In Millionen Tonnen
1929 18,3 4,3 5,4 2,9
1931 9,6 3,8 2,8 1,7
1932 4,6 2,3 1,7 1,6

Die chronische Agrarkrise erfährt durch die industrielle Krise noch weitere Vertiefungen. In den Vereinigten Staaten z. B. stellte sich der Index der Farmerzeugnisse im Mai 1932 (Vorkriegsindex: 100) auf 56. Die Kaufkraft der Farmerzeugnisse auf der Preisbasis der anderen Produkte betrug, gegenüber der Vorkriegsperiode, 50 Prozent. Die Schrumpfung des Innenmarktes zwingt zur verschärften Konkurrenz auf dem Weltmarkt; gleichzeitig schrumpft der Welthandel ein durch Schutzzollmaßnahmen.

Ein- und Ausfuhr sanken von 1929-1932:
Einfuhr Ausfuhr
England 39% 48%
U.S.A. 67% 68%
Deutschland 65% 54%
Frankreich 50% 60%
Italien 60% 59%
Kanada 64% 61%
Australien 48% 60%

Die Schrumpfung des Welthandels vertieft die Krise, indem sie die Währungs- und Finanzlage der Länder erschwert. Parallel zu diesen Erscheinungen vollzieht sich die krasse Abnahme der Gewinne. Die Gewinne der amerikanischen Unternehmungen stellten sich' im ersten Quartal 1932 nur auf 20 Prozent jener im entsprechenden Quartal 1931. Die Aktien der amerikanischen Unternehmungen haben seit 1929 85 Prozent ihres Kurswertes eingebüßt. Die Lage des Bankkapitals ist katastrophal. Zinsraten sanken bis auf 1½ Prozent. Die Schließung der Banken, oder die gewaltsame Enteignung der Spargelder der Arbeiter und des Mittelstandes verschärft die Situation noch mehr.

Am aller deutlichsten sprechen die Arbeitslosenziffern der Welt. Amerika zählt im März 1932 rund 16 Millionen Arbeitslose. Deutschland hat 6 Millionen registrierte und 2 Millionen ausgesteuerte Erwerbslose. In England wurden 2.859.828 Erwerbslose gezählt. Ihre Anzahl ist in Wirklichkeit viel höher. Polen hat eine Million Arbeitslose. In allen Ländern steigen die Erwerbslosenziffern höher und höher. Die Weltarbeitslosigkeit umfasst mehr als 30 Millionen Menschen.

Der Angriff auf die Löhne wird international geführt. Was für Amerika gilt, gilt für alle anderen Länder ebenfalls. Die Lohnsumme, die in amerikanischen Fabriken 1932 ausgezahlt wurde. beträgt nur 45 Prozent der des Jahres 1926. Das Gesamtarbeitereinkommen ist innerhalb der letzten sechs Jahre auf weniger als die Hälfte gesunken.

Die proletarischen Konsequenzen

Die Revolution ist ein dialektischer Prozeß. Es gibt für sie kein fertiges Rezept. Ihre Theorie und Praxis ist dem Wechsel unterlegen. Der Klassenkampf findet seinen Höchstpunkt in der Übernahme der Produktionsmittel durch die Industrie-Unionen des siegreichen Proletariats zur Herstellung der: ASSOZIATION FREIER UND GLEICHER PRODUZENTEN.

Die Betriebsorganisation, die Industrie-Union, die Klassenorganisation ist zugleich die Organisation der zukünftigen Gesellschaft. So bildet in der I.W.W. das Ziel und die Taktik eine Totalität. Ihr organisatorischer Aufbau ist bereits die Struktur der neuen Gesellschaft in der Schale der alten.

Nach Industrien organisiert, für den Tageskampf mit der Bourgeoisie; nach Industrien organisiert für die Weiterführung der industriellen Produktion nach Übernahme der Macht. Die Tendenz der Organisation: DIE EINE GROSSE UNION ist zugleich ihr ZIEL.

Dahin drängt die Entwicklung. Aber um die Entwicklung selbst zu verstehen, ist es notwendig, alle Tendenzen, die sich gegen das Ziel wenden, in die Kalkulation einzubeziehen.

Der Klassenkampf ist das natürliche Produkt der Privateigentumsgesellschaft. Die Formen des Klassenkampfes wechseln mit der Entwicklung der Klassenkämpfe. Die Entwicklung wird gehemmt durch Gegenaktionen der Bourgeoisie, durch traditionelle Einflüsse; gehemmt durch neue konterrevolutionäre Elemente, die sich erst aus dem Klassenkampf selbst heraus entwickeln, z. B. die reaktionären Arbeiterorganisationen.

Wenn wir sagten, daß die Revolution ein dialektischer Prozeß ist, dann sagen wir damit, daß beide Seiten des Entwicklungsprozesses, die objektiven und die subjektiven Momente sich gegenseitig beeinflussen. Im Prozeß des Klassenkampfes, in dem beide Elemente sich verschmelzen, ist die bewusste Tat des bewußten Teils des Proletariats von eminenter Bedeutung. Hier liegt die Begründung für die Notwendigkeit der Organisation.

Das Proletariat macht, wenn auch nicht aus freien Stücken, seine eigene Geschichte. In der Endphase der bürgerlichen Gesellschaft fehlen dem Kapital genau so die objektiven Voraussetzungen für seine Weiterexistenz, wie die subjektiven für die Revolution noch nicht voll gegeben sind. Die Bourgeoisie und die revolutionäre Minderheit ringt um die Ideologie der Arbeiterschaft. Die Entwicklung dieses Kampfes drückt sich aus in der Entwicklung der Formen des Klassenkampfes, nach unserer Auffassung in der Entwicklung der Selbstaktivität der kämpfenden Arbeiterschaft, die sich in Organisationen zusammenschließt, die sie selbst beherrscht und bestimmt und die zugleich wirklich brauchbare Klassenkampfwaffen sind. So ist für uns die I.W.W. das wichtigste Instrument der Revolution.

Die I.W.W. unterscheidet sich grundsätzlich von allen anderen existierenden Arbeiterorganisationen. Schon in der Kritik der alten Arbeiterbewegung liegt bereits das Positive der I.W.W.

Die alte Arbeiterbewegung ist nach dem bürgerlichen Staatsprinzip „Führer und Masse“ (von oben nach unten) aufgebaut. Sie verbesserte die Existenzmöglichkeiten von Teilen des Proletariats in der Aufstiegsepoche des Kapitalismus. Sie entwickelte Organisationen, die selbst zu Gliedern der kapitalistischen Gesellschaft wurden. Sie erzogen eine Führerschaft, einen Beamtenapparat, der dem Proletariat im Interesse ihrer eigenen Kastenexistenz genau so gegenüber tritt, wie das Kapital selber. Wie der Parlamentarismus die geistige, so verkörpert die Gewerkschaftsbewegung die materielle Macht der Führer über die Arbeitermassen. In diesen Organisationen herrscht die Bürokratie über die Machtmittel, die Geldmittel, die Presse usw. Die Führer identifizieren sich mit der Organisation; die Organisation ist ihr Privateigentum geworden. Die Mitglieder sind nicht imstande, ihren Willen gegen die Bonzokratie durchzusetzen. Die Organisation tritt den Arbeitern als etwas Fremdes gegenüber, als eine äußere Macht, gegen die sie wohl rebellieren können, die aber über ihnen steht, obgleich doch diese Macht aus ihnen selbst entsprießt. Das Verhältnis der Arbeiter zu ihren Organisationen ist genau so, wie das Verhältnis der Arbeiter zum bürgerlichen Staat.

In revolutionären Perioden finden wichtige ideologische Umformungen statt. Die Zielstellung der Arbeiter wird eine vollkommen andere, sie wird radikalisiert. Dies wird bestätigt durch die Tatsache, daß die Arbeiterklasse in der Revolution andere Organisationsformen gebraucht, als in dem Zeitabschnitt der ruhigen Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Die wichtigste Lehre, die die revolutionäre Periode in Europa von 1917 bis 1923 brachte, ist die, daß die Arbeiterschaft sich neuer Kampfmethoden bediente, die im strikten Gegensatz zu denen der alten Arbeiterorganisationen und zu diesen Organisationen selbst standen. Die Arbeiterräte, die Aktionsausschüsse, die Betriebsorganisationen wurden von der alten Arbeiterbewegung aufs blutigste bekämpft. Das heißt, die Organisationen, in denen das Proletariat sich selbst bestimmen konnte, die sich nicht durch eine Schmarotzerklique beherrschen ließen, waren die Todfeinde der parlamentarisch-gewerkschaftlichen Bewegung.

Die I.W.W. ist deshalb so gehasst, weil sie das neue Prinzip der wirklichen Arbeiterbewegung „VON UNTEN NACH OBEN“ bis zur letzten Konsequenz verkörpert, weil hier, in der I.W.W., die Arbeiter ihre Organisation beherrschen.

Wir wendeten unsere Aufmerksamkeit ganz besonders der Krise zu, weil es für uns als revolutionäre Organisation klar ist, daß die Taktik und die Aufgaben der Bewegung absolut von dem wirtschaftlichen Zustand abhängig sind. Die I.W.W. greift ihre Theorie nicht aus der Luft, sondern versucht sie wissenschaftlich nachzuweisen.

Mit der Überakkumulation des Kapitals ist die geschichtlich objektive Grenze der reinen Gewerkschaftsbewegung erreicht. In der Endphase der bürgerlichen Gesellschaft kann durch keine Organisation irgend etwas an der Tatsache geändert werden, daß die Verelendung der notwendige Endpunkt der kapitalistischen Entwicklung ist. Auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise kann das Proletariat nur verelenden. Alle Organisationen, die nur innerhalb des kapitalistischen Systems für die „Interessen“ der Arbeiter eintraten, müssen zu Grunde gehen. Denn die Beseitigung des Systems ist nun die einzige Lösung für die Arbeiterschaft. Nur eine Organisation, die sich als Ziel die klassenlose Gesellschaft gesteckt hat, ist in solch einer Periode noch imstande, den Klassenkampf zu führen.

Jeder größere Lohnstreik, jedes feste Eintreten für die Verbesserung der Lebenslage der Arbeiterschaft wird, wenn erfolgreich geführt, zu einer Frage von Leben und Tod für die Bourgeoisie. Jede Organisation, die den Kapitalismus erhalten will, muss gegen die Verbesserung der Lebenslage der Arbeiterschaft mit der Bourgeoisie gemeinsam kämpfen.

In der Endphase der kapitalistischen Gesellschaft haben die Gewerkschaften keine Funktion mehr zu erfüllen, sie haben auch im Kommunismus keine Funktionen. Sie sind an ihrer objektiven Schranke angelangt. Damit verschwinden sie allerdings noch nicht, da die Ideologien immer den Verhältnissen nachhinken. Aber sie werden konterrevolutionär, versuchen, um ihr eigenes Leben zu retten, dem Kapitalismus wieder auf die Beine zu helfen. Ein gut funktionierender Kapitalismus ist eine Lebensfrage für die Gewerkschaften. Deshalb werden die Gewerkschaften zu Streikbrecherorganisationen, deshalb versuchen sie durch verräterischen Kuhhandel mit den Unternehmern die wirklichen Klassenkämpfe abzuleiten.

In der Niedergangsperiode des Kapitals hat der Streik aber erst wirkliche revolutionäre Bedeutung. Jeder Erfolg der Arbeiter vertieft die Krise. Jede Widerstandsaktion des Proletariats geht auf Kosten der Bourgeoisie. Und selbst jeder Misserfolg, durch die einfache Tatsache des Ausfalls der Produktion und damit der Verringerung der Mehrwertmasse, schnürt den Strick um den kapitalistischen Hals noch enger. In jedem Falle ist das Proletariat, vom Standpunkt der Revolution aus gesehen, der Gewinner. Alles, was die Arbeitslosen der Bourgeoisie abringen, führt zur verschärften Ausbeutung in den Betrieben, führt damit zur Verschärfung der Klassenkämpfe, führt auf den Weg zur Revolution, zur Beseitigung der Profitordnung.

Der wirtschaftliche Kampf der Arbeiter ist der revolutionäre Kampf. Dieser Kampf muss geführt und kann nur geführt werden von den Arbeitern selbst, kann nur geführt werden von Organisationen, die nicht den Kapitalismus erhalten, sondern die ihn beseitigen wollen, kann nur geführt werden zum endgültigen Sieg in Klassenfronten vom gesamten Proletariat, nicht von einzelnen Gruppen. Die Industrie-Unionen sind die diesem Kampfe angepassten Organisationen.




Was ist die I.W.W.?

Die I.W.W. organisiert nur Lohnarbeiter. Wer kein Lohnarbeiter ist, kann kein Mitglied werden. Dadurch' wird der Klassencharakter der Organisation gewahrt. Die I.W.W. kennt keine politischen, religiösen oder Rassenprobleme. Sie fragt ihre Mitglieder nicht nach deren ideologischen, sondern nach deren ökonomischen Interessen. Sie unterscheidet die Menschen allein gemäß ihrer ökonomischen Stellung in der Gesellschaft und lehnt alle anderen Klassifizierungen ab.

Der Entschluss zur Gründung der I.W.W. wurde schon 1904 gefasst; die Gründung selbst fand 1905 während einer großen Zusammenkunft daran interessierter Arbeiter in Chicago statt. Die dort angenommenen Thesen über Struktur, Methoden und Prinzipien blieben in ihren wesentlichsten Zügen bis auf den heutigen Tag unverändert. Die I.W.W. ist eine industrielle Arbeiterunion. Sie richtet nicht, wie die politischen Parteien, ihr Augenmerk auf die Beherrschung des Staates, sondern auf die Beherrschung der Produktionsmittel. Die Produktionsmittel in den Händen von Privateigentümern ist die Basis der Ausbeutung der Lohnarbeiter. Die Produktionsmittel in den Händen der Produzenten selbst, hebt die Ausbeutung auf.

Die I.W.W. ist eine WELTUNION, sie kennt keine nationalen Grenzen und sie nimmt jeden in ihren Reihen auf, ganz gleich welcher Rasse oder Nationalität er auch zuzuzählen ist, solange er für Lohn arbeitet. Frauen und Kinder der Arbeiterklasse sind gleichberechtigte Mitglieder der Organisation.

Der Name „INDUSTRIEARBEITER DER WELT“ drückt schon aus, daß die Vereinigung aller Industriearbeiter der Welt zu einer einheitlichen Organisation ihr Zweck und Ziel zugleich sind. Dieses Ziel wurde bisher nicht erreicht, aber der Einfluß der I.W.W. breitet sich aus.

Die I.W.W. eine Weltunion

I.W.W. Gruppen entstanden in England, Deutschland, Ungarn, Kanada, Australien, Südafrika. Mexiko, Argentinien, Chile und in Skandinavien. Da die I.W.W. weder eine Berufsorganisation ist noch eine politische Partei, noch eine syndikalistische Gewerkschaft, konnte sie sich weder der „Zweiten“, noch der „Dritten Internationale“ anschließen. Ja, sie befindet sich auch in direkter Opposition zu den zwei Internationalen. Die I. W .W. hat nur lose Verbindungen mit der Berliner Syndikalistischen (I. W. A.) Internationale. Da sie sich von ihr strukturell grundsätzlich unterscheidet, kann sie sich ihr nicht anschließen. Seit ihrem Entstehen hat die I.W.W. jedoch jeden Kampf der internationalen Arbeiterschaft unterstützt, ohne Rücksicht darauf, von welchen Organisationen und in welchen Ländern er geführt wurde, solange diese Kämpfe proletarischen Interessen dienten.

Die I.W.W. hält es für ihre Pflicht, mit den Klassenorganisationen in allen Ländern, die, wie sie, sich keiner der existierenden Internationalen anschließen können, in engsten Kontakt zu kommen und zu bleiben. Organisationen wie die „Kommunistische Arbeiter-Union“ in Deutschland, die „Gruppe der Internationalen Kommunisten“ in Holland, Frankreich, Dänemark, der Tschechoslowakei und andere, stehen mit der I.W.W. in freundschaftlichen Beziehungen und diskutieren die programmatischen und taktischen Differenzen untereinander im Interesse einer eventuellen Verständigung. Es ist möglich, daß aus diesen Verbindungen in nächster Zukunft die INTERNATIONALE DER UNIONEN entstehen wird und damit das Ziel der I.W.W.: DIE EINE GROSSE WELTUNION ihr Fundament erhält.

Der Unterschied zwischen der I.W.W. und den Gewerkschaften

Das letzte Ziel der I.W.W. ist die Übernahme der Industrien durch das Proletariat. Produktion und Distribution nach Vernichtung des Kapitalismus zu leiten, die neue Gesellschaft zu organisieren. Auf dem Wege zu diesem Ziel und im Einklang damit, kämpft die I.W.W. im täglichen Kampf mit der Bourgeoisie um höhere Löhne, verkürzte Arbeitszeit, bessere Arbeitsbedingungen, Existenzmöglichkeiten für das erwerbslose Proletariat usw. Das letzte Ziel überschattet den Tageskampf und im Tageskampf sind die Augen stets auf das letzte Ziel gerichtet.

Anders bei den Gewerkschaften. Die Gewerkschaften haben kein endgültiges Ziel. Sie versuchen die „Härten“ des Kapitalismus zu mildern und dabei ein Geschäft für die Führeroligarchie zu machen. Abgesehen davon, daß in der Niedergangsperiode des kapitalistischen Systems die Gewerkschaften gar keine Streiks mehr führen können, oder, wenn sie durch den Zwang von Verhältnissen gezwungen sind, sie zu führen, sie sie nur deshalb führen, um sie besser abwürgen zu können; abgesehen davon ist auch ihre Organisationsform unbrauchbar für den wirklichen Kampf der Arbeiterschaft im Monopolkapitalismus. Die Idee der I.W.W. wurde geboren aus der Erkenntnis der Unzulänglichkeit der Gewerbeorganisationen. Nehmen wir uns zur Illustration eine amerikanische Schiffswerft für einen Augenblick unter die Lupe.

Auf einer Schiffswerft gibt es ungefähr 40 verschiedene Berufe. Wir wollen einige aufzählen: Schiffsmonteure, Kesselschmiede, Maschinisten, Techniker, Installateure, Rohrleger, Schlosser, Asbestarbeiter, Zimmerleute, Tischler, Maler, Arbeiter usw. Jeder dieser einzelnen Berufe hat seine eigene Organisation. Oft kommt es vor, daß eine Berufsgruppe auf der Schiffswerft in den Streik tritt, ohne daß hiervon die anderen Berufsgruppen irgendwie berührt werden. Was für die Schiffswerft gilt, gilt im Prinzip für alle anderen Betriebe und Industrien auch. So können die Gewerkschaften, in Amerika die „A. F. of L.“, nicht mehr als Arbeiterorganisationen bezeichnet werden. Sie wahren ihre engen Berufsinteressen nicht nur gegenüber der Bourgeoisie, sondern auch gegen das Gesamtinteresse des Proletariats. Sie sind „Arbeitertrusts“, ohne jede Beziehung zum Klassenkampf, allein für die Sicherung von Sonderinteressen gegen die allgemeinen Interessen der Arbeiterschaft. Die Zertrümmerung der Gewerkschaften, der „A. F. of L.“, ist eine der Hauptaufgaben des Proletariats. Die von der „Dritten Internationale“ empfohlene „Eroberung” der Gewerkschaften durch Zellentaktik ist unsinnig. Erstens ist dies ebenso unmöglich wie die Eroberung des bürgerlichen Staates, und zweitens, wäre die Eroberung möglich, bliebe sie noch immer unsinnig, denn auch die eroberten Gewerkschaften sind noch immer unbrauchbar für den Klassenkampf.

Die „Oppositionellen“, oder „revolutionären Gewerkschaften“ und Pseudoindustrie-Unionen haben den Zersetzungsprozess der Gewerkschaftsbewegung durch den Aufbau von „besseren“ Gewerkschaften aufzuhalten versucht. Die Methoden, wie auch der Aufbau dieser Organisationen differenzieren in nichts von denen der reaktionären Gewerkschaften. Diese Organisationen stehen unter der Kontrolle bestimmter politischer Strömungen und damit unter der Kontrolle eines beruflichen Politikantentums, das sie benutzt im Interesse seines politischen Einflusses und als Mittel zur Befriedigung seiner politischen Ambitionen. Diese Organisationen sind nur Hindernisse einer wirklichen Unionsbewegung und müssen von der Arbeiterschaft als solche beseitigt werden. Diese Taktik ist umso leichter, als mit der Zersetzung des bürgerlichen Systems zugleich mit den Gewerkschaften, der „A. F. of L.“, auch deren Konkurrenzorganisationen mit zersetzt werden.

1920 hatte die „A. F. of L.“ 4.078.740, 1930 nur noch 2.961.096 Mitglieder. Die Kohlenarbeiter waren 1920 zu 60%, 1930 nur noch zu 14% gewerkschaftlich organisiert. Die Metallarbeiterorganisationen hatten 1920: 330.000, 1930 nur noch 78.000 Mitglieder. Die Textilarbeiter waren 1920 zu 100.000, 1930 nur noch 30.000 Mitglieder organisiert usw. Die oppositionellen Gewerkschaften und Pseudoindustrie-Unionen kommen nicht aus ihrer Bedeutungslosigkeit heraus. Sie umfassen 1932 kaum 10.000 Mitglieder. Die Politik all dieser Organisationen unterscheidet sich von der der „A. F. of L.“ nur in der Phrase. Aufbau und Taktik, wie schon gesagt, sind überall der „A. F. of L.“ entliehen. Sie sind Konkurrenzunternehmen der an der Arbeiterschaft schmarotzenden Führerklique.

Schon im Aufbau der I.W.W. sehen wir den grundsätzlichen Unterschied von der Gewerkschaftsbewegung. Greifen wir noch einmal auf das Beispiel der Schiffswerft zurück. Das erste, was die I.W.W. in der Schiffswerft tut, ist, die beruflichen Schranken, die die Arbeiter trennen, niederzureißen. Sie nimmt den Schiffsmonteuren, Kesselschmieden, Maschinisten, Technikern, Installateuren, Rohrlegern, Schlossern, Asbestarbeitern, Zimmerleuten, Tischlern, Malern, Arbeitern usw. die Mitgliedskarten der Berufsorganisationen ab und sagt ihnen: „Ihr seid nun nicht mehr Zimmerleute, Rohrleger, Tischler, Schlosser usw., sondern als Schiffsbauarbeiter, ohne Rücksicht auf euren speziellen Beruf, vereinigt.“ An Stelle von 20 oder 30 Gewerkschaften haben wir dann nunmehr eine einzige große Schiffsbauarbeiterunion, die alle Werften eines Landes und später aller Länder umfasst. Man kann sich nicht mehr durch Gruppenaktionen gegenseitig schädigen. Wird gestreikt, so streiken alle Arbeiter in dieser Industrie und wenn nötig im internationalen Maßstabe. Aber reicht der Streik dieser Industrie nicht aus, um ihn zum Siege zu bringen, so werden alle anderen Industrieunionen, die sich alle in der EINEN GROSSEN UNION, als dem Zentralkörper, vereinigen, mit in den Streik treten und ihm zum Siege verhelfen. Wir sehen, es gibt keine beruflichen und organisatorisch bestimmten Unterschiede in den Betrieben. Jeder Betrieb ist eine geschlossene Einheit. Alle Betriebe einer bestimmten Industrie sind eine geschlossene Einheit. Und alle Industrien sind zusammengeschlossen in der einen großen Union der Industriearbeiter der Welt. Diese Organisation stellt die Klassenfront des gesamten Proletariats her. Sie steigert die Schlagkraft der Arbeiterschaft ins Unermeßliche und sie sichert den Sieg der proletarischen Revolution.

Die Methoden der I.W.W.

Im Gegensatz zu den parlamentarischen Kuhhandelsmethoden der alten Arbeiterbewegung bezeichnet die I.W.W. ihre Kampfmethode als „ÖKONOMISCHE DIREKTE AKTION“.

Die parlamentarische Arbeiterbewegung ist zu einem konterrevolutionären Faktor geworden. Das Parlament ist kein Mittel zum Sturz des Kapitals, sondern ein organisches Glied des bürgerlichen Staates. Es kann weder die organisatorische Grundlage für das Proletariat abgeben, noch als „revolutionäre Tribüne“ für das Proletariat gelten. Es dient lediglich der legalen Auseinandersetzung bürgerlicher Klasseninteressen und zur demokratischen Illusionierung der Arbeiterschaft. Die Teilnahme der Arbeiterklasse an den parlamentarischen Auseinandersetzungen der Bourgeoisie kann nur erfolgen auf der Grundlage von Kompromissen, d. h. Preisgabe der proletarischen Klasseninteressen. In diesem Sinne erfüllen das Parlament und die parlamentarischen Parteien dieselben Aufgaben zur Aufrechterhaltung der bürgerlichen Ordnung wie die übrigen Organe des bürgerlichen Staates. In der Endphase der kapitalistischen Gesellschaft verliert der Parlamentarismus (die Demokratie) seine Notwendigkeit selbst für die Bourgeoisie. Sie tauscht ihn ein gegen die nackte Diktatur.

Die Diktatur des Monopolkapitals gibt dem Reformismus nicht einmal mehr Gelegenheit, Differenzen innerhalb der Bourgeoisie auszunutzen. Die I.W.W. wendet sich schroff gegen jeden parlamentarischen Schwindel. Der „revolutionäre Parlamentarismus“ unterscheidet sich vom parlamentarischen Kretinismus der 2. Internationale in nichts. Die „Ausnützung“ der „Tribüne“, der Parlamentarismus als „Gradmesser“ der „Reife“ des Proletariats ist nur die Wiederherstellung des verlorenen Kredits durch parlamentarischen Verrat. Der „revolutionäre Parlamentarismus“, wie seine Praxis zu deutlich bewies, ist nur parlamentarischer Kretinismus mit anderen Vorzeichen.

In der Endphase des Kapitalismus entscheidet die Tat des Proletariats über die Länge dieser Phase. Alle Momente, die die Tat hindern, müssen vernichtet werden. Der Parlamentarismus verschiebt den Kampf des Proletariats auf eine falsche Ebene. Solange gewählt wird, solange wählt man „Führer“, solange haben Führer ausschlaggebenden Einfluß, solange steckt im Bewußtsein der Arbeiter der Glaube an den Führer, der für sie handeln wird, solange kann sich im Proletariat keine Eigeninitiative entwickeln. Es gilt aber gerade die Initiative der Arbeiter zu wecken. Die Arbeiter selbst müssen in Bewegung gesetzt werden. Sie dürfen nicht mehr „vertreten“ werden, sie müssen sich selbst vertreten, in den Betrieben, in ihren Kämpfen. Der Parlamentarismus in den U. S. of A. ist eine lächerliche Erscheinung. Die Rapidität der Entwicklung lässt eine parlamentarische Betätigung, die sich reformistisch selbst rechtfertigen könnte, garnicht mehr zu.

Die Methoden der Gewerkschaften sind ebenfalls darauf gerichtet, die Bewegungen des Proletariats vom Proletariat unabhängig zu machen. Ihre Streiks haben keinen Klassencharakter. Die Streikenden selbst haben nichts zu sagen oder zu bestimmen. Ihre Führer erledigen den Streik am grünen Tisch mit den Ausbeutern. Sie rufen zum Streik auf und sie rufen den Streik ab, so wie es den Interessen der Gewerkschaftseigentümer in den Kram passt, ohne Rücksicht auf die Interessen der Streiker selbst. Die Streiker sind nur Puppen in den Händen ihrer Führer.

Ganz anders die Methoden der I.W.W. Die Streiks der I.W.W. werden von den Streikern selbst geführt! Wir wollen zur Illustration hier eine Szene anführen, die sich 1913 in Paterson während des großen Seidenarbeiterstreiks abspielte und die das TYPISCHE der I.W.W. gut beleuchtet.

Bill Haywood, ein alter I.W.W.-Kämpe, wird im Streikausschuss in Paterson von einem Rabbi der Stadt besucht und um verschiedene Informationen gebeten, Es entwickelt sich folgender Dialog:

„Mister Haywood, ich freue mich, Sie zu sehen. Ich wünschte mir schon lange, den Führer dieses Streiks kennen zu lernen.“

„Sie sind im Irrtum“, antwortete Haywood, „ich bin nicht der Führer.“

„Sie sind es nicht! — Aber wer ist es denn?“

„Niemand ist hier Führer!“

„Vielleicht haben sie mehrere und ich hätte sagen sollen, wer sind die Führer?“

„Dieser Streik hat keine Führer,“ antwortete Bill Haywood. „Er hat keine? — Aber wer ist denn hier verantwortlich, wer hat Funktionen ?“

„Die Streiker.“

„Aber kann ich denn niemanden sprechen? — Ich repräsentiere nicht nur die jüdische, sondern auch die anderen Kirchen der Stadt. Man erwartet meinen Bericht. Ich möchte feststellen, ob es nicht möglich ist, zu einem Abkommen zwischen den Streikern und den Unternehmern zu kommen. Ich muss die Forderungen der Streiker kennen lernen.“

„Die Unternehmer kennen die Forderungen der Streiker“, sagte Bill.

„So ? — Viele Bürger der Stadt kennen sie jedoch nicht.“

„Das ist lustig“, lachte Bill, „ich bin erst ein paar Stunden in der Stadt und kenne sie bereits.“

„Wollen Sie sie mir nennen?”

„Sehr einfach“, antwortete Bill Haywood, „die Streiker wollen den Achtstundentag und einen Mindestlohn von zwölf Dollar in der Woche.“

„Well, well“, murmelte der Rabbi in seinen Bart, „uns waren diese Forderungen fremd. Wir haben nie davon gehört.“

„Es gibt noch sehr viele Dinge, von denen sie noch nichts gehört haben“, sagte Bill.

„Gibt es ein Streikkomitee, und wo versammelt es sich?“

„Hier in dieser Halle, jeden Morgen um Acht.“

„Wer ist im Komitee?“

„Ich weiß es nicht, und wenn ich es wüsste, würde ich es Ihnen nicht sagen“, lachte Haywood.

„Wieviele sind im Komitee?“

„127.“

„127 —! Lieber Gott! — Was sollen wir anfangen mit einem Streikkomitee von 127 Mann, das sich in einer öffentlichen Halle versammelt — vor all den Streikern?“

„Ich denke, sie können überhaupt nichts damit anfangen“, antwortete Bill Haywood. „Leute wie Sie haben keinen Platz mehr in der Welt. Nebenbei gesagt: dies ist ein Streik der I.W.W. und dabei hat niemand etwas zu suchen, außer den Streikern und den Unternehmern.“

Diese Szene macht klar, daß die I.W.W. die persönliche Aktivität des Proletariats im Kampf gegen die Ausbeuter und für die neue Gesellschaft wecken will. Die I.W.W. will, daß das Proletariat sein Geschick in die eigenen Hände nimmt, daß es selbst bestimmt und seine Kämpfe selbst führt. Nur so wird es keine falschen Wege gehen.

Solange es aber sein Schicksal in die Hände anderer Leute legt, ist es immer betrogen. Die Führer des Proletariats müssen Diener, nicht Herren des Proletariats sein.

Die direkte Aktionsmethode der I.W.W. verlegt die Haupttätigkeit der Union in den Betrieb. Hier organisiert sie sich, und schafft die Voraussetzungen zur Übernahme der Produktion. Wo immer I.W.W.-Genossen arbeiten, versuchen sie, Einfluß auf ihre Klassengenossen zu gewinnen und sie zum Kampf gegen ihre Sklaventreiber aufzufordern. Sie zeigen ihnen hundert Möglichkeiten, um auf ihre Arbeitgeber Druck auszuüben und ihnen Zugeständnisse abzuringen.

Die Hauptwaffe der I.W.W. ist der Streik. Seine schärfste Form der GENERALSTREIK! Die Streiks der I.W.W. sind ultimativ. In den großen Streiks um den Achtstundentag und anderen Forderungen, den historischen Streiks der Holzfäller und Kupferbergleute 1917 hat die I.W.W. Exempel wirklich proletarischer Streiks statuiert. Sie stellt nicht unmögliche Forderungen auf, wie die sich dauernd lächerlich machenden Berufsrevolutionäre, sondern sie nimmt sich selber, was sich nehmen lässt und erzwingt, was sie verlangt. Ein Vergleich ist hier wohl angebracht: Ein unter parteikommunistischer Führung stehendes Arbeitslosenkomitee suchte den Bürgermeister von Detroit auf und legte ihm die Forderungen der Arbeitslosen vor. Der Bürgermeister las eine nach der anderen und kam, auch zu der letzten, die da verlangte: „Beseitigung des kapitalistischen Systems“. Der Bürgermeister lachte, wandte sich an die Kommission und sagte: „Wir werden versuchen, den Forderungen nachzukommen, sie sind leider nur zu berechtigt, aber was Ihre letzte Forderung anbetrifft, die Abschaffung des kapitalistischen Systems? meine Herren, ich denke, das ist Ihre Aufgabe!“ Zu solchem Unfug gibt sich die I.W.W. nicht her. Im Kampf um den Achtstundentag forderten sie ihn nicht, sondern sie nahmen sich den Achtstundentag. Die Arbeiter verließen einfach nach acht Stunden die Betriebe. Sie erbitten nicht ihre Forderungen, sondern sie verwirklichen sie.

Die Taktik des Streiks der I.W.W. ist die Ausdehnung des Streiks auf so viel Arbeiter wie möglich. Je breiter die Front, desto größer die Aussicht, den Streik zu gewinnen. Nicht Verhandeln, sondern HANDELN ist die Parole der I.W.W. Ihr Kampfruf ist: SOLIDARITÄT!“

Das Schicksal des Streiks liegt allein in den Händen der Streiker. Sie bestimmen Anfang und Ende, sie bestimmen die Forderungen, die sie stellen, und in diesen Streiks hat die I.W.W. keine Sonderinteressen.

Die I.W.W. propagiert mit allen Mitteln den GENERALSTREIK zum Sturze des kapitalistischen Systems. Sie ist überzeugt, dass, wenn es gelingt, den Einfluß der kleinbürgerlichen Politikanten, der Reformisten und der Pseudorevolutionäre in der Arbeiterbewegung zu brechen, wenn es gelingt, die proletarischen Aktionen unter die Kontrolle der industriell organisierten Arbeiter selbst zu stellen, daß dann die Parole des Generalstreiks zur Wirklichkeit werden wird und daß dieser Generalstreik, konsequent durchgeführt, zum Siege des Proletariats führen muss.

Die Taktik der I.W.W. in der Endphase des Kapitalismus ist die Vorbereitung dieses Generalstreiks um Zwecke der Übernahme der ökonomischen Macht. Der Aufbau von starken Industrieunionen ist eine notwendige Voraussetzung. Die Einordnung der Arbeitslosen in die Klassenfront, durch die Organisierung der Arbeitslosen zu Arbeitslosen-Unionen, die in Gemeinschaft mit den Industrieunionen die Durchführung von Streiks sichern, ist von eminenter Bedeutung. Die Führung von wirtschaftlichen Kämpfen führt zur ökonomischen Organisation und schafft zugleich die Voraussetzungen zum letzten Kampf mit der Ausbeutergesellschaft.

Die Struktur der I.W.W.

Die Kampffront von heute — das Rahmenwerk der Gesellschaft von Morgen:

Aufstellung der Industrieabteilungen und der Industrieunionen:

Landwirtschaftliche Abteilung Nummer 100

Landarbeiter Industrieunion Nr. 110

Waldarbeiter Industrieunion Nr. 120

Fischereiarbeiter Industrieunion Nr. 130

Blumen- und Gartenbauarbeiter Industrieunion Nr. 140

Bergbau-Abteilung Nummer 200

Metallarbeiter Industrieunion Nr. 210

Kohlen- und Koksarbeiter Industrieunion Nr. 220

Öl-, Gas- und Petroleumarbeiter Industrieunion Nr. 230

Konstruktions-Abteilung Nummer 300

Eisenbahn-, Wege-, Kanal-, Tunnel- und Brückenkonstruktionsarbeiter Industrieunion Nr. 310

Schiffsbauarbeiter Industrieunion Nr. 320

Haus- und Baukonstruktionsarbeiter Industrieunion Nr. 330

Allgemeine Produktion Abteilung Nummer 400

Textil- und Konfektionsarbeiter Industrieunion Nr. 410

Holzarbeiter Industrieunion Nr. 420

Chemiearbeiter Industrieunion Nr. 430

Metallarbeiter Industrieunion Nr. 440

Druckerei und Verlagsarbeiter Industrieunion Nr. 450

Nahrungsmittelarbeiter Industrieunion Nr. 460

Lederarbeiter Industrieunion Nr. 470

Glas- und Töpfereiarbeiter Industrieunion Nr. 480

Transport-Abteilung Nummer 500

Marinetransportarbeiter Industrieunion Nr. 510

Eisenbahntransportarbeiter Industrieunion Nr. 520

Telegraph-Telephon Industriearbeiterunion Nr. 530

Städtische Transportarbeiter Industrieunion Nr.540

Lufttransport- und Luftschiffarbeiter Industrieunion Nr. 550

Volkswohlfahrts-Abteilung Nummer 600

Gesundheits- und Sanitätsarbeiter Industrieunion Nr. 610

Park- und Straßenarbeiter Industrieunion Nr. 620

Unterrichtsarbeiter Industrieunion Nr. 630

Allgemeine Verteilungsarbeiter Industrieunion Nr. 640

Öffentliche Reinigungsarbeiter Industrieunion Nr. 650

Unterhaltungs- u. Vergnügungsarb. Industrieunion Nr. 660

 

Diese dezimierte Nummerierung der einzelnen Unionen ermöglicht, stets neue Industrieunionen dem System einzufügen, sobald die Notwendigkeit dies erfordert.

Die abschließenden und bestimmenden Körperschaften der I.W.W. sind die Generalversammlungen, die Bezirksversammlungen der Industrieunionen und die Industrieunion selbst. Die ausführenden Organe der I.W.W. (Geschäftsführender Hauptausschuss) sind das Executive Board und der Sekretariats-Schatzmeister. Jede einzelne Industrieunion hat ihr eigenes General Organisationskomitee.

Die Bildungsarbeit der I.W.W.

Eine der Hauptaufgaben der I.W.W. ist die Erziehung der Arbeiter zum Klassenkampf. Erst wissende Arbeiter sind wertvoll für die Arbeiterbewegung. Seit seiner Entstehung zeigt die erste Seite des offiziellen Organs der I.W.W. die drei Worte:

ERZIEHUNG! ORGANISIERUNG! BEFREIUNG!

Die Mitglieder der I.W.W. haben im Laufe der Jahre tausende von Reden gehalten und rund zehn Millionen Stück Literatur in Form von Büchern, Broschüren usw. verteilt. Flugblätter und Zeitungen werben in vielen Sprachen für die proletarische Sache. Kurse und Vorlesungen, Versammlungen und Debatten verbreiten den Gedanken der proletarischen Revolution. Die I.W.W. hat in Duluth eine Arbeiter-Hochschule geschaffen und unterhält eine große Anzahl von Schulen für Arbeiterkinder. Sie organisiert die Arbeiterkinder in Jugend-Unionen (Junior Wobblies), um sie für den Klassenkampf vorzubereiten.

Die I.W.W. und die Agrarfrage

Das in der Revolution führende Industrieproletariat wird für die Übernahme der landwirtschaftlichen Produktion einen Bundesgenossen nur im Landproletariat finden. Die I.W.W. organisiert die Landarbeiter in Industrie-Unionen und hat für sie keine speziellen, von den anderen Industrie-Unionen abweichenden Aufgaben.

Der maßgebende Grundsatz für eine revolutionäre Lösung der Agrarfrage kann nur der sein, daß ausschließlich die vollständige Expropriation der Besitzer von land- und forstwirtschaftlichem Boden die Existenz der proletarischen Herrschaft gewährleistet. Jede Halbheit, jede Anerkennung des Eigentums an Grund und Boden, z. B. für Klein- und Mittelbauern würde bedeuten, daß man die festesten Stützpunkte der Konterrevolution bestehen lässt, aus denen sie immer wieder gegen das revolutionäre Proletariat vorstoßen kann.

Da die Enteignung nur eine Auflösung der bisherigen Wirtschaftsform bedeutet, muss sie ihre positive Ergänzung in einem Aufbau von Agrarkommunen finden. Die Agrarkommune als Betrieb baut sich unter Ausnutzung der gegebenen Verhältnisse auf. Die Zusammenlegung des zersplitterten Bauernbesitzes zu großen Schlägen in rationeller Form, oder die Intensivierung der Bewirtschaftung gegebener Einheiten, sind Fragen der Agrartechnik, die als solche gelöst werden.

Die I.W.W. und die Arbeitslosenfrage

Die Arbeitslosigkeit kann im Kapitalismus nicht beseitigt werden. Die Überakkumulation des Kapitals zwingt zur dauernden Vergrößerung der Arbeitslosigkeit. Die I.W.W. versucht, durch Organisierung der Arbeitslosen und durch Propaganda unter ihnen, zu verhindern, daß die große Arbeitslosigkeit als Steikverhinderungsmittel verwandt wird. Sie organisiert und erzieht die Arbeitslosen zur Solidarität mit den noch in den Betrieben befindlichen Arbeitern und umgekehrt. Streiks mit dem Ziel der Verkürzung der Arbeitszeit und Einschränkung der Ausbeutung müssen gemeinsam von den Arbeitern und den Arbeitslosen geführt werden. In ihrem Kampfe um die nackte Existenz steht die I.W.W. stets in geschlossener Front und an vorderster Stelle mit den Arbeitslosen. Die Einreihung der Arbeitslosen in den Produktionsprozeß ist die Aufgabe der siegreichen Revolution.

Die I.W.W. und die Opfer des Klassenkampfes

SOLIDARITÄT ist das A und O der I.W.W.! Die ganze Aufmerksamkeit der I.W.W. gilt an erster Stelle den Opfern des proletarischen Emanzipationskampfes. Im „GENERAL DEFENSE COMMITTEE“ hat die I.W.W. ein wirksames Instrument zur Verteidigung der Arbeiter vor der bürgerlichen Klassenjustiz und für die praktische Solidarität mit ihren Opfern und deren Angehörigen geschaffen. Die Geschichte des General Defense Committees ist das Hohelied der Solidarität! Seit seiner Gründung, 1917, sind tausende von Arbeitern vom General Defense Committee verteidigt worden. Wir erinnern hier nur an den Fall Everett 1917, an den großen Chicagoer Prozeß 1917-18, an den Wichita-Fall 1918, an Sacramento und Centralia 1918 und 1919, an die Tätigkeit in dem „Criminal Syndicalism“ Treiben in Idaho, Montana, Minnesota, Washington, Kansas, California, Maine usw. Das „G. D. C.“ half im Kampfe für die Befreiung von Sacco und Vanzetti, von Mooney und Billings. Es bewährte sich während des Coloradoer Streiks 1927 und es war die einzige Organisation, die sich in dem größten politischen Prozeß gegen Arbeiter, in der Kentucky Angelegenheit 1931-33 mit aller Kraft einsetzte. Die I.W.W. stellte zu jeder Zeit ihre ganze Kraft in den Dienst des „G. D. C.“. Die Verteidigung der Bergarbeiter von Kentucky durch die I.W.W. wird in die Geschichte eingehen als glänzendstes Beispiel der Arbeitersolidarität.




Anhang

Die I.W.W. zur Russlandfrage

Die ökonomischen Verhältnisse Russlands zeigen sich in dem sich vollziehenden Kapitalisierungsprozess der russischen Agrarwirtschaft. Die Interessen des Industriekapitals (zu 95 Prozent im Staate konzentriert) laufen noch mit den Interessen der Bauern parallel. Die russische Industrie befindet sich der Schwierigkeit gegenüber, in großem Maße Rohstoffe, Maschinen, Werkzeuge usw. aus dem Ausland beziehen zu müssen, wofür sie selber in den gegenwärtigen Verhältnissen nur unter schweren Entbehrungen Gegenwerte liefern kann. Die russische Industrie ist noch nicht konkurrenzfähig genug, um durch Industrieexport die ausländischen Produkte, die sie benötigt, austauschen zu können. Russland erhält auch noch nicht genügend auswärtige, langfristige Anleihen, da ein zurückgebliebenes agrarisches Land, welches auf das Gelingen der Ernte angewiesen ist, nicht genügend Sicherheit bietet. So ist Russland auf die Vergrößerung seiner eigenen, sowohl industriellen, als auch agrarischen Produktion angewiesen. Der „besondere“ Zustand, worin sich die russische Landwirtschaft und Industrie befindet, besteht darin, daß sich beide in gegenseitiger Verflechtung entwickeln müssen. Die Landwirtschaft kann nur intensiviert werden durch die „nationale“ Industrie und diese kann sich nur behaupten durch eine größere Produktivität in der Landwirtschaft. Ein Zustand, wie er in keinem anderen Lande der Welt besteht. Das russische Industriekapital (der Staat) fördert bewußt die Entwicklung der Landwirtschaft. Die Entwicklung der Kollektivwirtschaften ist hier nach Lenin: „Die letzte Konsequenz des kapitalistischen Farmbetriebes!“ Und in diesem Sinne wird sie von dem russischen Staat gefördert. Die Funktionen der russischen Genossenschaften sind keine anderen, als die ihrer Schwesterorganisationen in den anderen kapitalistischen Ländern. Die „Kollektiven“ bilden Ein- und Verkaufsgenossenschaften, um sich eine möglichst feste Position auf dem inländischen Markt zu sichern. Die ganze russische Wirtschaft steht auf der Grundlage der kapitalistischen Warenproduktion.

Die Revolution hat Russland einen gewaltigen Sprung vorwärts gebracht, indem sie die alten Hindernisse, die der Entwicklung der Industrie im Wege standen, die verhinderten, daß die Landwirtschaft in die gesellschaftliche Arbeit eingeschaltet wurde, aus dem Wege räumte. Durch diese Revolution wurden die Grundlagen zur konsequenten kapitalistischen Produktion gelegt. Die Bedingungen für eine wirkliche, proletarische Revolution werden jetzt erst vorbereitet. Lenin charakterisierte die bolschewistische Revolution folgendermaßen:

„Der Sieg der bürgerlichen Revolution ist unmöglich als Sieg der Bourgeoisie. Das Vorherrschen der Bauernbevölkerung, ihre fürchterliche Unterdrückung vom halbfeudalen Grundbesitz, die Kraft und das Bewußtsein des schon in der sozialistischen Partei organisierten Proletariats, alle diese Umstände verleihen UNSERER BUERGERLICHEN REVOLUTION einen BESONDEREN CHARAKTER. Die Besonderheit beseitigt nicht den bürgerlichen Charakter der Revolution. Diese Besonderheit bedingt nur den konterrevolutionären Charakter unserer Bourgeoisie und die Notwendigkeit der Diktatur des Proletariats und der Bauern für den Sieg einer SOLCHEN Revolution.“ (Lenin: Gesammelte Werke, I. Teil, Band XI, Seite 78-79.)

Hier betont Lenin, im Gegensatz zu seinen Epigonen und seines eigenen späteren Epigonentums, daß die Diktatur des Proletariats UND der Bauern notwendig war für den Sieg der russischen bürgerlichen Revolution. Weiter hielt Lenin auch das Gelingen der Revolution in einem Lande allein für unmöglich.

Er sagte:

„Der volle Sieg der sozialistischen Revolution in EINEM Lande ist UNDENKBAR. Er erfordert die aktivste Zusammenarbeit wenigstens einiger fortgeschrittener Länder, zu denen wir Russland nicht zählen können!“ (Referat Lenins: Inprekorr. Jhg. 6, Seite 2426, Nr. 139.)

Die Durchführung des Kommunismus war unmöglich wegen der Zurückgebliebenheit der Landwirtschaft und der Industrie. Was das Prinzip von den Bolschewiken verlangte, die Vernichtung des Lohnsystems, die Aufhebung der kapitalistischen Warenproduktion, das konnten sie nicht. Was sie tun mussten, nach der ökonomischen Struktur des Landes, stand im direkten Widerspruch zu ihrem Prinzip.

Die Bolschewiki waren in einer Lage, die Friedrich Engels im Deutschen Bauernkrieg folgendermaßen darstellt:

„Es ist das Schlimmste, was dem Führer einer extremen Partei widerfahren kann, wenn er gezwungen wird, in einer Epoche die Regierung zu übernehmen, wo die Bewegung noch nicht reif ist für die Herrschaft der Klasse, die er vertritt. — Was er tun kann, hängt nicht von seinem Willen ab. Was er tun soll, was seine eigene Partei von ihm verlangt, hängt wieder nicht von ihm ab. Er findet sich also notwendigerweise in einem unlösbaren Dilemma: was er tun kann, widerspricht seinem ganzen bisherigen Auftreten, seinen Prinzipien, und was er tun soll, ist nicht durchzuführen. Er ist mit einem Wort gezwungen, nicht seine Partei, nicht seine Klasse, sondern die Klasse zu vertreten, für deren Herrschaft die Bewegung gerade reif ist. Er muss im Interesse der Bewegung selbst die Interessen einer ihm fremden Klasse durchführen und seine eigene Klasse mit Phrasen und Versprechungen, mit der Beteuerung abfertigen, daß die Interessen jener fremden Klasse ihre eigenen Interessen sind. Wer in diese schiefe Stellung gerät, ist unrettbar verloren.“

Aus dieser Lage konnten sich die Bolschewiki nicht befreien. Folgerichtig wählte Lenin deshalb die Parole: „Vorwärts zum Kapitalismus!“ In der schon angeführten Rede sagte er:

„Der Kapitalismus ist ein Übel, gemessen am Sozialismus, der Kapitalismus ist das Heil, gegenüber der Kleinproduktion, gegenüber den mit der Zersplitterung der Kleinproduzenten verbundenen Bürokratismus.“

Russland geht seit der Einführung der NEP (Neue ökonomische Politik) den Weg der kapitalistischen Entwicklung in der Zusammenarbeit der Landwirtschaft mit der staatskapitalistischen Industrie. Man entwickelt den Kapitalismus im Namen des „Kommunismus“, wie man nach der französischen Revolution den Kapitalismus im Namen der „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!“ entwickelt hat. Im Namen des „Kommunismus“ wird jeder, der sich dieser Politik widersetzt, ins Gefängnis geworfen, getötet oder nach Sibirien verbannt. Es gilt, die russische Zweckmäßigkeitspropaganda auf ihren wahren Wert und ihre Absicht zu prüfen und dementsprechend zu handeln.

Zur Frage des Staatskommunismus

Was in der Sozialdemokratie aller Schattierungen als Sozialismus oder Kommunismus gilt, ist nicht die Durchführung neuer ökonomischer Bewegungsgesetze für die Gütererzeugung und -verteilung, sondern nichts anderes, als die Übertragung der Organisationen des Kapitals in das „kommunistische“ Wirtschaftsleben.

Bei Marx ist die gesellschaftliche Stellung des Kapitalisten gegenüber dem Lohnarbeiter dadurch charakterisiert, daß er die Verfügung über die Arbeit, d. h. über die Arbeiter in der Produktion hatte Sozialisierungsmethoden aller Richtungen der Sozialdemokratie (auch der Bolschewiki) drehen sich alle um den Punkt der Beherrschung der Arbeiterklasse. Die Aufgabe, die man sich stellt, besteht darin, das Kommando über die Arbeiter allumfassend und so zentral wie möglich zu organisieren; dieses Kommando selbst aber unter die Kontrolle des Parlaments (bei den Reformisten) oder des sogenannten proletarischen Staates, der durch die politische Partei der Lohnarbeiter gebildet wird (Bolschewiki) zu stellen. Das heißt, die Beherrschung der Arbeiter soll durch die Demokratie gemildert werden. Aber immer dreht es sich um die organisierte Kommandogewalt über die Lohnarbeit. Trotzki drückte dies folgendermaßen aus:

„Wenn wir ernsthaft von einer planmäßigen Wirtschaft sprechen wollen, wenn die Arbeitskraft in Übereinstimmung mit dem Wirtschaftsplan im gegebenen Entwicklungsstadium verteilt werden soll, darf die Arbeiterklasse kein Nomadenleben führen. Sie muss ebenso wie die Soldaten verschoben, verteilt, abkommandiert werden.“ (Trotzki: Russische Korrespondenz 1920, Nr. 10, Seite 12.)

Die Vertreter des Staatskommunismus behaupten, die Ausbeutung aufzuheben, indem sie die Ausbeutung durch den Staat betreiben und die erzielten Gewinne auf dem Wege sozialer Einrichtungen und Reformen den Arbeitern wieder zuführen. Die Praxis des Staatssozialismus in Russland bewies nur, daß sein Ergebnis der STAATSKAPITALISMUS war, der allerdings durch die niedrige, organische Zusammensetzung und den hohen Ausbeutungsgrad große Profite abwirft und eine große Konjunktur entfaltete, wie sie als Siegeszug des Fünfjahrplans gefeiert wird.

Aber der Staatskapitalismus unterliegt den Bedingungen des Wertgesetzes genau so, wie der Kapitalismus überhaupt. Der Staatskapitalismus ist nicht die Transformationsperiode des Kapitalismus in Sozialismus oder Kommunismus. Er ist wie jede andere Form des Kapitals nur das Gefäß, innerhalb dessen sich die Produktivkräfte bis an ihre Grenze entwickeln können. Wie jede Art des Kapitals, so muss auch das Gefäß des Staatskapitalismus durch die proletarische Revolution gesprengt werden, soll dem Sozialismus oder Kommunismus der Weg freigegeben werden.

„Der Charakter des Produkts als Ware und der Ware als Produkt des Kapitals schließt schon die sämtlichen Zirkulationsverhältnisse ein. Aus den beiden obigen Charakteren des Produkts der Ware ergibt sich die ganze Wertbestimmung und die Regelung der Gesamtproduktion durch den Wert.“ (Marx: Kapital III/2, S. 417.)

Aus dem Warencharakter ergibt sich notwendig und automatisch der ganze, durch den Wert im Wege der Konkurrenz geregelte Produktionsprozess mit den ihm eigentümlichen Verteilungsformen. Eine wirkliche planmäßige Regelung der Wirtschaft ist auf Basis der Wertproduktion unmöglich. Mit der Produktion für den Markt ist der Austausch unzertrennlich verbunden.

„Wo aber der Austausch besteht, dort muss auch der Tauschwert bestehen. In einer solchen, durch den Tauschwert beherrschten Gesellschaft müssen notwendige Erschütterungen, Krisen und schließlich der Zusammenbruch des durch den Wert regulierten Systems erfolgen, weil in der Wertform und in ihrem immanenten Gegensatz zur Gebrauchsform der Ware notwendig der Keim zu all diesen Erschütterungen gegeben ist.“ (H. Grossmann: Das Akkumulations- und Zusammenbruchsgesetz des kapitalistischen Systems, S. 612.)

Der Staatssozialismus oder Kommunismus führt nicht zur kommunistischen Gesellschaft, sondern beherrscht von den Gesetzen des Kapitalismus, zu neuen Krisen und zum Zusammenbruch. Es ist nur eine neue Form der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Das Proletariat hat den Staatskommunismus genau so abzulehnen wie den Kapitalismus.

Zur dritten Internationale

Die dritte Internationale ist nichts weiter, als ein Instrument der Außenpolitik der russischen Regierung. Während sie noch auf ihrem ersten Kongreß sich das Ziel setzte, die revolutionäre Vorhut des Weltproletariats in ihren Reihen zu vereinen, schwenkte sie in der Zeit der Leninschen Losung: „Wenn schon Kapitalismus, dann machen wir ihn“, bereits um, um sich seitdem mehr und mehr zu einem konterrevolutionären Faktor zu entwickeln. In ihrem Bestreben, die Kastenherrschaft der Bolschewiki in Russland unter allen Umständen zu erhalten und sich starke, außenpolitische Stützpunkte zu schaffen durch Errichtung ebensolcher Kastenherrschaften in anderen Ländern, gaben die Bolschewiki und in Wechselwirkung damit, die gesamte Dritte Internationale alle Reste einer revolutionären proletarischen Einstellung auf. Ihre gesamte Politik seit 1920 hat konterrevolutionären Charakter und nichts mit der marxistischen Arbeiterbewegung zu tun.

Die Dritte Internationale ist ein Werkzeug des kapitalistischen Wiederaufbaus, ein Hemmnis der proletarischen Bewegung. Wie die Zweite Internationale verkleidet sie, unter Missbrauch ihrer revolutionären Traditionen, ihre kapitalistische Politik mit einem Mantel revolutionärer Phrasen. Ja, sie ist gefährlicher als die Zweite Internationale, da deren Rolle bekannter ist, als die der Dritten Internationale. Das revolutionäre Weltproletariat muss sich, um der Weltrevolution zum Siege zu verhelfen, von der Dritten Internationale genau so lösen, wie es sich von der Amsterdamer Internationale gelöst hat. Der Lösungsprozess des Proletariats drückt sich bereits deutlich in den Zersetzungserscheinungen der Dritten Internationale aus. Die feige und konterrevolutionäre Rolle, die die 3. Internationale bei der Machtergreifung durch Hitler in Deutschland gespielt hat, zeigt sie uns heute schon als einen Trümmerhaufen.

Die Rote Gewerkschaftsinternationale (Moskau) ist eine von der Dritten Internationale beherrschte Organisation, die dieselben Aufgaben hat und erfüllt wie letztere selbst. Was für die eine gilt, gilt auch für die andere. Die I.W.W. sieht in der Roten Gewerkschaftsinternationale eine Organisation der Konterrevolution. Die Weltunion der Industriearbeiter der Welt wird beiden den Todesstoss geben.

Die Lehren des Faschismus in Deutschland

Nach dein redaktionellen Abschluss dieser Broschüre vollzog sich in Deutschland ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung: die Übernahme der politischen Macht auf „legalem“ Wege durch die Nationalsozialisten. Ihre Herrschaft ist nur der nachgeordnete, sekundäre Ausdruck für die inneren Widersprüche des Kapitalismus und seine Unmöglichkeit, in geregelter und regelmäßiger Bahn seine Aufgaben zu erfüllen.

Im gewöhnlichen Leben beseitigt man ohne Bedenken solche Dinge, die ihrer Aufgabe nicht mehr gewachsen sind, mögen es Maschinen, Häuser oder Menschen sein. Logischerweise sollte und müsste dies auch mit einer Wirtschaftsordnung so sein. Sie zu beseitigen ist aber deshalb schwieriger, weil eine, zahlenmäßig zwar sehr kleine, aber umso einflussreichere Schicht von Besitzenden an dem Bestand dieser Wirtschaftsordnung interessiert ist, und weil es ihr immer wieder gelingt, aus den Reihen der besitzlosen und unterdrückten Klasse die Hüter ihrer Herrschaft zu rekrutieren. Der neueste Hüter der Privilegienwirtschaft der Kapitalisten ist nun Hitler.

Wollten wir diesen Umstand an sich und allein betrachten, dann würden wir unmöglich ein zutreffendes Urteil finden können. Wir müssen stets alle Dinge im Zusammenhang sehen. Und so müssen wir dann fragen: Wer war vor Hitler, wer hat diesem Schützer der Kapitalsinteressen den Weg geebnet? Wer hat dessen Vorgänger, dem hier in den Ver. Staaten durch seine kinderhafte Kriegsspionage genügend lächerliche v. Papen den Weg geebnet? Wer dem Gen. Schleicher, wer dem General Direktor der Hapag Cuno? Wer dem ehemaligen Syndikus Stresemann? Wer, so muss gefragt werden, stand am Anfang dieser Entwicklung, die sich nunmehr in der Person Hitlers die Krone aufgesetzt hat?

Die deutsche Sozialdemokratie!

Das Mittel aber, das verhindern konnte, daß die deutsche Arbeiterschaft nicht einfach über diese politische Zeiterscheinung hinwegschritt, das Mittel, das mit Millionen Zungen von der Sozialdemokratie gepriesen wurde und das immer wieder bewirkte, daß die Arbeiterklasse an ihren wahren Interessen vorbeisah, dieses Mittel war die

Demokratie!

Jeder Ansturm des in den Widersprüchen der Todeskrise sich windenden Kapitals wurde nicht mit gleichen Mitteln, sondern mit dem Bekenntnis zur Demokratie abzuwehren versucht, wie etwa Gläubige die Verheerung durch Naturgewalten, durch Blitz, Überschwemmung oder Missernte mit Hilfe des Betens zu überwinden versuchen.

Der erste offene Anschlag des Kapitals gegen die deutsche Arbeiterklasse, der Kapp-Putsch, zeigte den Arbeitern recht deutlich, wohin die „Demokratie“ führen musste. Eine Handvoll Desperados und Berufsmörder konnten es versuchen, die politische Herrschaft zu übernehmen. Nur dem Umstand, daß die Arbeiterklasse zu den Gewehren griff, ist es zu danken, daß jener Spuk zerstob. Als aber dann die mit den Waffen der deutschen Arbeiter wieder in ihre Ämter verholfenen Ebert, Noske und Konsorten sich sicher wussten vor den Konkurrenten ihrer Regierungsämter, richteten sie ihr Augenmerk wieder gegen die Arbeiterklasse, die ein praktisches Beispiel erlebt hatte, wie und mit welchen Mitteln allein der Feind der Arbeiter niedergeworfen werden könne.

Man entwaffnete die Arbeiter!

Anstelle der Waffe aber gab man ihnen die Phrase von der Demokratie. Und so sehen wir die Arbeiterklasse Deutschlands von Niederlage zu Niederlage schreiten, mitten im Kugelregen und zwischen Bajonettspitzen, mit denen die herrschende Klasse ihre Herrschaft stützte und durch ihre Lakaien schützen ließ, nur ein Loblied für die Demokratie auf ihren Lippen.

So tief und so allgemein ist diese Irrlehre in die deutsche Arbeiterklasse eingedrungen, daß ihr augenblicklich größter Feind und offener Anbeter der Gewalt, Hitler, zu ihr seine Zuflucht nehmen musste, um seiner, nur dem Terror des untergehenden Kapitalismus dienenden Herrschaft die notwendige feste Basis zu geben.

Der Effekt: die deutsche Arbeiterklasse ist mit dem Todesurteil gegen sie einverstanden, weil es auf „demokratischem“ Wege gefällt wurde.

Angesichts dieser Sachlage fragen wir die Arbeiter, die gesamte Arbeiterklasse, ob sie jetzt zu erkennen vermag, daß die in die Welt geschleuderte Phrase von der Demokratie nicht eine Frage der Regierungsform, sondern ausschließlich eine Frage des Fortbestehens des Kapitalismus und logischerweise eine Frage des Untergangs der Arbeiterklasse ist? Fragen wir weiter, ob es überhaupt eine Demokratie unter kapitalistisch-ökonomischen Voraussetzungen geben kann?

Demokratie heißt Volksherrschaft!

Kann heute irgendwo auf der Welt das „Volk“ herrschen, wenn die Basis, auf der alle Herrschaft ruht, die Produktionsmittel, in den Händen einiger weniger Besitzer sind?

Arbeiter! Befreit euch von dem Köhlerglauben, daß die Geschicke der Menschen in Parlamenten, den „Instrumenten der Demokratie“, entschieden werden.

Die menschliche Gesellschaft ist keine Rechtsgesellschaft, sie ist und war immer und wird immer sein eine Produktionsgemeinschaft. Ihr Boden ist daher nicht das Parlament mit dem Geschwätz als Produkt, ihr Boden ist vielmehr das Produktionsmittel mit dem Gebrauchsgegenstand als Produkt. Wer also die Produktionsmittel, die Maschinen besitzt, wer Herr ist über die Rohprodukte und Produkte, der ist der tatsächliche Herrscher.

Was ergibt sich hieraus ganz logisch? Das, was die Organisation der „Industrial Workers of the World“ seit dem Tage ihrer Gründung unaufhörlich und uneingeschränkt gelehrt hat:

Eroberung der Produktionsmittel!

Die Menschen keiner Geschichtsepoche konnten so augenscheinlich die Wahrheit dieses Lehrsatzes, die Notwendigkeit dieses Kampfrufes bewiesen bekommen, wie unsere Zeitgenossen. Es liegt nun an ihnen, die Konsequenzen zu ziehen, sich nicht weiter und länger durch die Phrase von der Demokratie vom einzig Erfolg versprechenden Wege abhalten zu lassen, sich also nicht zu formieren mit der Front auf Eroberung der Parlamentsmajoritäten, sondern mit der Front auf Eroberung der Produktionsmittel.

Nicht Redner gegen Redner, vielmehr Klasse gegen Klasse! Das soll unser Kampfruf sein.

Die einzige wirkliche Klassenorganisation, d. h. eine Organisation, die weder durch Berufsunterschiede noch sonstige Sonderinteressen der Einzelmitglieder in ihrer Aktionsfähigkeit gehemmt ist, die einzigste Organisation, die nur den unterdrückten Proletarier organisiert, die also nur die Interessen der Proletarierklasse repräsentieren kann, — die einzige weltweite Organisation aber auch, deren Kampf sich ausschließlich auf die Besitzergreifung der Produktionsmittel konzentriert, sind die

„Industrial Workers of the World“!



Organisiert Euch in der I.W.W.!

ARBEITER! KLASSENGENOSSEN! Wer heute noch glaubt, daß die kapitalistische Welt die denkbar beste ist, wer heute noch hofft, daß die rasende Krise nur ein Zwischenspiel ist, nach welchem die heutige Ordnung sich wieder verjüngt und in neuer Herrlichkeit aufrichten wird, dem ist wirklich nicht zu helfen. Die Götterdämmerung des Kapitals ist hereingebrochen.

„Das Kapital lebt nur noch auf Kosten der Arbeit. Es schleift mit sich ins Grab die Leichen seiner Sklaven, Hekatomben von Arbeiterleichen, die zu Zeiten der Krise draufgehen.“ (Marx.)(1)

Mehr und mehr verelendete, betrogene bürgerliche Existenzen verlieren ihren Glauben an diese Profitordnung. Arbeiter rebellieren, schlagen sich in den Strassen der Städte ums lausige Fressen. Kriege werden begonnen zur Lösung der Krise, weiße Armeen für Arbeitermetzeleien ausgerüstet. Auf Arbeitslose schießt die ganze „zivilisierte“ Welt. Der Terror der Bourgeoisie tobt mit Zuchthaus und blauen Bohnen. Die Welt ist ein Chaos, wie es grotesker und gemeiner nicht gedacht werden kann. Der Weizen lagert in den Elevatoren und verfault, während Millionen Menschen sich vor Hunger krümmen. Die Lager sind überfüllt und die Arbeiterkinder haben nichts zu beißen. Noch nie war das Wort Marxens, daß in demselben Maße, wie sich der Reichtum vermehrt, das Elend größer wird, so wahr wie heute.

Und kein Ausweg! Das Kapital kann keinen finden! Es steht an den Schranken seiner historischen Mission. Es muss abtreten. Die Weltkrise ist bereits zur Barbarei geworden. Der Kampfruf des Proletariats kann schon nicht mehr lauten: Kommunismus oder die Barbarei! Wir befinden uns mitten in der Barbarei! Wir müssen uns herausschlagen. Unerbittlich steht vor uns die Frage: Mit dem Kapital sterben oder mit der Revolution leben!

ARBEITER, macht ein Ende mit der bisherigen passiven Verelendungspolitik der verfaulten Arbeiterbewegung. Werdet AKTIV! Nehmt nicht wie das Vieh die Schläge auf euren Magen widerstandslos hin. Wehrt euch! Streikt! Propagiert den Streik, wo immer ihr auch seid. Habt keine Angst vor den Arbeitslosen, sie werden euch nicht in den Rücken fallen. Kämpf für eure Existenz! Beschneidet die Profite der Ausbeuter. Die Existenz der Bourgeoisie geht uns einen Dreck an. Erzwingt Existenzmöglichkeiten für die Arbeitslosen und lasst das Kapital ruhig an unseren Forderungen zu Grunde gehen. Wir oder sie. Nehmt den Handschuh, den euch die Kapitalisten zugeworfen haben, auf:

Streikt! Streikt! Streikt!

Aber führt den Kampf, führt eure Aktionen geschlossen, als Einheit, als Klasse! Sonst seid ihr verloren. Organisiert euch als Klasse, in wirklichen Klassenorganisationen.

Organisiert Euch in der I.W.W.!

Pfeift auf die Bonzenparolen, die Bonzen fressen und saufen, die kennen nicht euren Hunger. Werdet Meister eures eigenen Schicksals. DIE BEFREIUNG DER ARBEITER KANN NUR DAS WERK DER ARBEITER SELBST SEIN! Vorwärts, Arbeiter, Klassengenossen, vorwärts für die EINE GROSSE UNION der Arbeiterschaft, vorwärts für die I.W.W.!

Unser Schlachtruf: „ES LEBE DER KLASSENKAMPF!“

Unsere Taktik: „DIE SOLIDARITÄT!“

Die Kampffront: KLASSE GEGEN KLASSE!

Gegen das internationale Kapital, die eine große Union der Industriearbeiter der Welt!

„Mögen die herrschenden Klassen vor einer kommunistischen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren, als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen!

PROLETARIER ALLER LÄNDER VEREINIGT EUCH !“



Fremdwörter-Verzeichnis

A

absolut: unbedingt, unumschränkt.

Agrarwirtschaft: Landwirtschaft.

Akkumulation: (Theorie) Anhäufung.

A und O: (Alpha und Omega) der Anfang und das Ende.

Aktion: Handlung, Tätigkeit.

Analogie: Entsprechung (analog: entsprechend).

Analyse: Zerlegung.

Assoziation: Vereinigung. automatisch: selbsttätig.

Ära: Zeit, Zeitraum.

B

Bankrott: Zusammenbruch.

Basis: Grundlage.

Barbarei: Zustand der Unmenschlichkeit.

Bonze: bezahlter Arbeiterführer, Berufsrevolutionär.

Bourgeoisie: die Klasse der Besitzenden, die über die Produktionsmittel, über das Kapital verfügen.

Burgfrieden: Waffenstillstandsabkommen zwischen zwei Gegnern.

Bureaukratie: Beamtenherrschaft, Bonzenherrschaft.

C

Criminal Syndicalism (Gesetz gegen): Ausnahmegesetz gegen die amerikanische revolutionäre Arbeiterbewegung.

chronisch: langsam, aber immerwährend. Charakter: Kennzeichen, Merkmal.

Clique: Bande.

D

Depression: wirtschaftlicher Niedergang.

Differenz: Unterschied.

Distribution: Verteilung.

Disponible: verfügbar.

Diktatur: Gewaltherrschaft.

Dialektik: im marxistischen Sinne die Denkmethode, die alle Vorgänge und Erscheinungen in Natur und Gesellschaft nicht starr, sondern in ihrer Entwicklung, in ihren Widersprüchen, in ihrem Entstehen, Werden und Vergehen auffasst (im Gegensatz zum metaphysischen Denken).

Dualismus: Lehre von der Zweiseitigkeit der Ursachen: physische und metaphysische (Gegensatz: Monismus).

E

Elevatoren: Getreidespeicher.

Embryo: keimhafte, unentwickelte Leibesfrucht.

Eminent: hervorragend.

Emanzipation: Befreiung.

Epoche: Zeitabschnitt in der Geschichte.

Evolution: Entwicklung.

Expansion: Ausdehnung.

F

Feudalismus: vorkapitalistische Gesellschaftsordnung. Staatseinrichtung, die dem Geburtsadel eine bevorzugte Stellung einräumt.

Funktion: Aufgabe, Tätigkeit.

Fusion: Verschmelzung.

H

Harmonie: Übereinstimmung.

Hausse: Steigen der Preise, der Wertpapiere, starke Börsentätigkeit

(Gegensatz: Baisse).

Hekatomben: Massenopfer.

I

Ideologie: Gedankengruppe, Gesamtheit von bestimmten Anschauungen.

Imperialismus: Erweiterung des kapitalistischen Raumes. Letzte Entwicklungsstufe des Kapitalismus.

Initiative: Eigenantrieb, schöpferische Kraft.

Inflation: Aufblähung, Geldentwertung durch Herausgabe ungedeckten Papiergeldes.

intensiv: angespannt, stark, lebhaft, ins Einzelne gehend.

Index: Anzeiger, Skala, Tabelle.

K

Kapital: Geld, welches sein Besitzer (der Kapitalist) benützt, um Fabriken, Maschinen, Bergwerke usw. zu kaufen und mit dem er in solchen Betrieben Leute gegen Lohn arbeiten lässt, um Profit zu machen, indem er den Arbeitern niedrigere Löhne zahlt, als die Waren an Wert gewinnen, wenn die Arbeiter an ihnen arbeiten; kurz Geld, mit dem man irgendwelche Geschäfte macht, aus denen man Profit zieht. Weiter sind auch die mit Geld angekauften Fabriken, Rohprodukte usw. Kapital. Geld, das man unbenutzt im Kasten einsperrt, ist kein Kapital, sondern ein Schatz:

kapitalistisch: die jetzige Wirtschaftsordnung betreffend.

Kapitalverwertung: kapitalistische Produktion, die einen notwendigen Profit realisiert.

Kapitalentwertung: in der Krise, durch das Fallen der Preise unter

ihren Werten usw.

Kapitalzerstörung: Vernichtung von Werten, z. B. in Kriegen.

Kartell: Verbindung.

Kapazität: Leistungsfähigkeit.

Kalkulation: Berechnung.

Kaste: Stand.

Kretinismus: Blödsinn.

Konzentration: Zusammenfassung.

Kompromiss: Zugeständnis, Vereinbarung.

Konservativ: rückständig, am Alten festhalten.

konkret: fest, bestimmt.

Konsequenz: Folgerichtigkeit.

Konkurrenz: Wettbewerb.

Konjunktur: günstige Geschäftslage.

konstant: feststehend, fortgesetzt.

Konsumtion: Verbrauch.

kontinuierlich: fortgesetzt, ununterbrochen.

Konflikt: Streit.

kolossal: ungeheuer.

Kommunismus: Gesellschaftsordnung, in welcher die Produktionsmittel (Land, Bergwerke, Fabriken, Maschinen usw.) gemeinsames Eigentum des Volkes sind und zur Durchführung einer planmäßigen Bedarfswirtschaft dienen.

Konterrevolution: Gegenrevolution.

konsolidieren: vereinigen, sichern, festigen.

kollektiv: gemeinsam, einheitlich.

Kulisierung: auf das Niveau des chinesischen Kulis bringen.

M

Manifest: Kundgebung. Das „Kommunistische Manifest“ ist die öffentliche Kundgebung der Anschauungen und Ziele der Kommunisten.

Materialismus: eine vom tatsächlichen Sein ausgehende, natürliche Weltanschauung. Im Gegensatz zu Idealismus.

Massaker: Gemetzel.

Märtyrer: Glaubensheld, der sich der Sache geopfert hat.

Methode: Verfahrungsweise.

N

Negation: Verneinung, Aufhebung; negativ: erfolglos im politischen Sinne.

N.E.P. (Neue ökonomische Politik) : Kurs zum Kapitalismus in Russland.

O

Opposition: Entgegensetzung.

Objekt: Gegenstand; Objektivität: Sachlichkeit, objektiv: in einem

Gegenstand, einer Sache begründet.

Opportunismus: Gesinnungslosigkeit, Zufallspolitik.

Organismus: gegliedertes (lebendiges) Ganze.

Oligarchie: Herrschaft weniger. Ökonomie: Wirtschaftslehre.

P

Periode: Zeitabschnitt, eine Reihe von Jahren, in welchen sich eine

geschichtliche Entwicklung vollendet. permanent: dauernd, ständig.

Perspektive: Zukunftsaussicht.

Pauperismus: die stetige Zunahme der Massenarmut.

Pseudo: falsch, gefälscht, Ersatz.

positiv: bestimmt, wirklich.

Prinzip: Grundsatz.

Potenz: Macht, Kraft, Wirkungsfaktor.

Pietät: ehrerbietige Rücksicht.

parallel: gleichlaufend.

Phraseologie: inhaltslose, nichtssagende Redensarten.

Position: Stellung, Lage.

Prosperität: Gedeihen, gesunde Wirtschaftslage.

Profit: Gewinn.

Profitrate: Verhältnis des Gewinns zum angelegten Kapital.

Produktion: Erzeugung, Erzeugung von Waren.

Produktionsinstrument: Werkzeuge, Gegenstände zur Erzeugung von Waren.

Produktionskraft: die Kraft, mit der etwas erzeugt wird; die Form der Technik und die Fähigkeit der Menschen.

Produktionskosten: die Kosten, die die Herstellung eines Gegenstandes verursachen.

Produktionsmittel: die Mittel, mit denen etwas erzeugt wird.

Produktionsverhältnisse: die Verhältnisse, unter denen die Waren erzeugt werden. Handarbeit oder Maschinen, Sklaven oder Lohnarbeiter usw.

Produktionsweise: die Art, wie Gegenstände erzeugt werden.

Produzent: Erzeuger.

R

Rationalisierung: Umstellung der Wirtschaft zur Erzeugung eines größeren Profits durch technische Verbesserung und Verschärfung der Ausbeutung.

Radikal: gründlich, eingreifend, von Grund aus.

Reservearmee (Industrielle): Arbeitslosenarmee.

Real: tatsächlich.

relativ: verhältnismäßig bedingt..

Reproduktion: Wiedererzeugung.

Reformismus: Bewegung, die ohne das System zu ändern, nur seine Auswüchse beseitigen will.

Revisionismus: antirevolutionäre, auf Reformismus abzielende Bestrebung.

Reaktion: Rückbewegung, Wechselwirkung.

Revolution: Umwälzung.

S

Struktur: Aufbau.

Standard: Maß, Richtschur.

subjektiv: das Handeln der Menschen betreffend.

Spekulation: das Ausdenken der Möglichkeiten, die bei kommenden Ereignissen sich verwirklichen können.

Symptome: Erscheinungen, Anzeichen. strikt: genau.

Surplus: Überschuss.

Sozialismus: Produktion für den Bedarf, nicht für Profit.

T

Taktik: vorgenommenes, planmäßiges Auftreten.

Tendenz: Richtung.

These: Satz, Grundsatz.

Theorie: Lehre von den Regeln und Grundsätzen einer Wissenschaft. Das Gegenteil von Praxis. Die „Theorie“ entsteht durch das Denken.

Terror: Gewaltherrschaft zur Unterdrückung eines Gegners.

temporär: zeitlich.

Tradition: geschichtliche Überlieferung.

Transformation: Übergangsperiode in andere Formen.

Trust: Zusammenschließung von Unternehmen.

typisch: vorbildlich, dem Wesen einer Sache entsprechend.

U

Utopie: ein eingebildeter, nicht zu verwirklichender Zustand; ein Nichtland, das nirgends vorhanden ist.

utopisch: unwirklich, eingebildet.

V

variabel: veränderlich. Der variable, in Löhnen angelegte Kapitalteil ist die einzige Profitquelle, weil er allein Größenveränderungen ermöglicht.

Z

Zentral: im Mittelpunkt.

Zivilisation: gesellschaftliche Vervollkommnung.

Zirkulation: Umlauf.

Zyklisch: Kreislauf, regelmäßig wiederkehrend.




Einheitsfront

 

Habt ihr die Fäuste beisammen?
Habt ihr den Willen bereit?
Habt ihr die Waffen geschmiedet?
Dann eingereiht.

 

Seid ihr genug geprügelt?
Wollt ihr denn immer noch mehr?
Ist nicht genug Blut geopfert?
Wer zweifelt noch? Wer?

 

Seid ihr genügend belogen
Saht ihr genügend Verrat?
Habt ihr politischen Schacher
nun endlich satt?

 

Pfeift ihr auf Bonzenparolen?
Pfeift auf Parteiführerschaft?
Drill und Kadavergehorsam?
Auf Stimmzettelkraft?

 

Wollt ihr Proletensklaven
euch auf euch selber besinnen?
Mit eurer Macht für euer Recht?
Dann kann's beginnen.

 

Habt ihr nichts mehr zu verlieren?
Als eurer Ketten Last?
Dann auf aus den Elendsquartieren
Und zugefasst.

 

Wollt ihr den Bruderzwist lassen?
Wollt ihr zusammenstehn?
Alle zu gleichem Gelingen?
Dann muss es gehn.

 

Uns kann man ins Zuchthaus stecken,
Wir sind das Sterben gewohnt,
Wir sind unüberwindlich
als KLASSENFRONT.

 

Habt ihr die Fäuste beisammen? Habt ihr den Willen bereit?
Habt ihr die Waffen geschmiedet?
DANN EINGEREIHT!

 

Oskar Kanehl.




Anmerkungen

(1) Das Marx-Zitat ist ein Rückübersetzung aus dem Englischen. Vgl. Marx, Lohnarbeit und Kapital, 1848, MEW 6, S. 423:

„Das Kapital lebt aber nicht nur von der Arbeit. Ein zugleich vornehmer und barbarischer Herr, zieht es mit sich in die Gruft die Leichen seiner Sklaven, ganze Arbeiterhekatomben, die in den Krisen untergehn.“

- MIA

 


Zuletzt aktualisiert am 14.2.2009