Paul Levi


Unser Weg


Vorwort

Als ich diese Broschüre plante, bestand in Deutschland eine Kommunistische Partei von 500.000 Mitgliedern. Als ich sie acht Tage später schrieb, war diese Kommunistische Partei in ihren Grundfesten erschüttert, ihr Bestand in Frage gestellt. Es mag als Wagnis erscheinen, in einer solch schweren Krise, wie der, in der die Kommunistische Partei sich jetzt befindet, mit einer so schonungslosen Kritik zu kommen. Auch kurze Überlegung schon muß sagen, daß diese Kritik nicht nur nützlich, sondern notwendig ist. Das unverantwortliche Spiel, das mit der Existenz einer Partei, mit dem Leben und dem Schicksal ihrer Mitglieder getrieben wurde, muß zu Ende gebracht werden. Es muß durch den Willen der Mitglieder beendigt werden, wo die Verantwortlichen auch heute noch nicht sehen wollen, was sie getan haben. Die Partei darf nicht geschlossenen Auges in Anarchismus bakunistischer Farbe hineingezerrt werden. Kann in Deutschland noch einmal eine kommunistische Partei aufgebaut werden, so verlangen die Toten in Mitteldeutschland, in Hamburg, im Rheinland, in Baden, in Schlesien, in Berlin, verlangen die vielen Tausende von Gefangenen, die das Opfer dieses bakunistischen Wahnsinns geworden sind, so verlangen sie alle angesichts der Vorgänge der letzten Woche: „Niemals wieder!“

Es versteht sich von selbst, daß das Wüten des weißen Schreckens nicht der Mantel sein darf, hinter dem die Verantwortlichen sich ihrer politischen Verantwortlichkeit entziehen. Und es versteht sich nicht weniger von selbst, daß das Wüten und Schimpfen gegen mich, das sich jetzt erheben wird, kein Grund sein darf, die Kritik zu unterlassen. So wende ich mich getrost an die Mitglieder der Partei mit dieser Schilderung, die jedem das Herz zerreißen muß, der mit aufbaute, was hier zerschlagen ward. Es sind bittre Wahrheiten. Aber: „es ist Arznei, nicht Gift, was ich dir reiche“.

Geschrieben 3./4. April 1921

Paul Levi


Zuletzt aktualisiert am 9.8.2008