MIA > Deutsch > Marxisten > Kautsky > Vorläufer > Absch. II
Im Alterthum waren die Bergarbeiter, so weit wir sehen können, ausschließlich unfrei gewesen – Sklaven oder Strafgefangene. Im Mittelalter waren sie freie Männer. Ursprunglich waren sie auch Markgenossen.
Wir haben bereits darauf hingewiesen, daß das Gebiet jeder Markgenossenschaft in zwei Theile zerfiel, die getheilte und die ungetheilte Mark.
Jede Familie in der Markgenossenschaft erhielt im Dorfe ein Stuck Land, auf dem ihr Hof stand (Wohnhaus, Wirthschaftsgebäude und Garten), als Sondereigen. Außerdem wurde das Ackerland, die Feldmark aus der gemeinen Mark ausgeschieden und nach bestimmten Regeln an die Familien vertheilt.
Weide, Wald, Wasser und Weg blieben Gemeinbesitz und bildeten die ungetheilte Feldmark; aber deren Gebiet wurde mit der Zeit eingeschränkt, theils durch die Vermehrung der Bevölkerung, die zur Anlegung neuer Dörfer und zur Aussonderung neuer Feldmarken für dieselben aus der gemeinen Mark führte, theils durch die Zurückdrängung der Jagd und Viehzucht durch den Ackerbau, was zur Erweiterung der vertheilten Feldmark auf Kosten der ungetheilten Mark fuhrte. Wie der Antheil jedes Genossen an der vertheilten Feldmark ursprünglich gleich groß war, so auch sein Antheil an der Nutzung der gemeinen Mark. Die Art dieser Nutzung aber wurde von der Gesammtheit bestimmt. Sie regelte die Benutzung der Viehweide, den Bezug von Laubstreu, Bau- und Brennholz aus den Forsten, endlich auch die Steingewinnung. Jeder Markgenosse hatte das Recht, innerhalb der gemeinen Mark unter gewissen von der Genossenschaft festgesetzten Bedingungen Steine in den Steinbrüchen zu brechen und zu verwenden.
In den meisten Markgenossenschaften blieb die Steingewinnung eine untergeordnete Thätigkeit, die nur in Ausnahmefällen betrieben wurde. Ganz anders in Gegenden, wo Adern von Salz, Eisen, Kupfer oder gar Silber oder Gold zu Tage lagen und findig wurden, oder, was vielleicht noch häufiger vorkam, wo die eingedrungenen Germanen einen ehedem von Kelten oder Römern begonnenen Bergbau wieder in Angriff nahmen. Dort mußte die Arbeit des Grabens nach den Mineralschätzen und des Brechens und Förderns der kostbaren Erze bald in den Vordergrund treten. Die erwähnten Mineralien wurden überall benöthigt und gesucht, aber nur an wenigen Stellen gefunden. Frühzeitig begannen daher die Gemeinwesen, die solche Bergwerksbezirke besaßen, ihre Mineralschätze über ihren eigenen Bedarf hinaus auszubeuten, um den Ueberschuß an die Nachbargemeinden im Tausch für Produkte derselben abzugeben. Die fraglichen Mineralien gehörten also zu den ersten Objekten der Waarenproduktion und des Waarenhandels.
Die Bergwerksbezirke waren meist im Gebirge gelegen, wo der Ackerbau von vorneherein eine geringe Rolle spielte. Je mehr der Bergwerksbetrieb sich entwickelte, desto mehr trat jener hinter diesen zurück. Man bedurfte nicht mehr so viel Ackerlandes wie früher, da man gegen die Produkte der Bergarbeit Lebensmittel eintauschen konnte. Man entzog aber auch dem Ackerbau – und ebenso der Viehzucht – immer mehr Hände, da die Markgenossen immer mehr sich dem Bergbau zuwandten, wenn sich dieser lukrativ gestaltete. Die Produktion für den Selbstgebrauch findet ihre natürliche Grenze im eigenen Bedurfniß. Die Waarenproduktion findet ihre Grenze im Bedurfniß des Marktes, und der war für die Produkte des Bergbaues praktisch unbegrenzt, da die wenigen Stellen, an denen Salz und Metalle gefunden und gewonnen wurden, nicht im Stande waren, über den Bedarf des Marktes hinaus zu produziren, der ein ausgedehnterer war, als man glauben sollte. Von Hand zu Hand, von Dorf zu Dorf gingen die werthvollen Materialien ungeheure Strecken weit. Namentlich die Metalle waren sobald sie zu Waffen, Werkzeugen oder Schmuck verarbeitet worden, verhältnißmäßig leicht zu transportiren. [1] Was heute blos für die edlen Metalle, ja vielfach nur noch für das Gold gilt, daß es Waaren sind, die Jeder nimmt, nach denen Jeder verlangt, von denen man nie zu viel haben kann, das galt in den Anfängen der Waarenproduktion auch für Eisen, Kupfer, mitunter selbst Salz. Der Trieb, sie zu produziren, war daher maßlos. Kein Wunder, daß der Bergbau überall, wo der Reichthum des Bodens an nutzbaren Mil1eralien ihn begünstigte, die vornehmste Thätigkeit wurde. Der Ackerban, der noch lange blos zur Befriedigung des eigenen Bedurfnisses nicht nur Waarenproduktion betrieben wurde, trat hinter ihn zurück.
Ursprünglich waren Gruben nur im Gebiet der gemeinen Mark angelegt worden. Aber wie nun, wenn der Bergbau sich ausdehnte und man in der vertheilten Feldmark werthvolle Mineralien fand? Die Feldmark war blos zu Zwecken des Feldbaues vertheilt worden; wurde ein Ackerloos diesem Zweck entzogen, nicht regelrecht bebaut, so fiel die Verfügung darüber wieder der Markgenossenschaft zu.
Dies trat ein, sobald man anfing, in dem Loos nach Erzen zu graben. Da aber der Bergbau überall, wo er sich entwickelte, vornehmer wurde als der Ackerbau, genügte es bald, einen Mineralreichthum in der vertheilten Feldmark gefunden zu haben, um die betreffenden Aecker und Wiesen wieder der gemeinen Mark zufallen zu lassen. Ja, um das Finden der Mineralschätze mit aller Macht zu fördern, verwandelte schließlich schon die Wahrscheinlichkeit, daß ein Feld Erze enthalte, dasselbe zu einem Bestandtheil der gemeinen Mark, bis endlich das Verlangen nach den werthvollen Mineralien auch das Sondereigen des Hofes aufhob. Jeder Markgenosse erhielt das Recht, überall in der Mark, wo immer es sein mochte, nach erzführenden Adern zu suchen und zu schürfen; wurde Jemand dadurch geschädigt, so mochte er Entschädigung dafür fordern, wehren durfte er es nicht. „Denn das Bergrecht ist stark vnd noch König, noch Hertzog, noch Graffen en kan dagegen, wenn sie schon wellen graben in den koelgarten vnd vort bis vnder eines menschen schlafkammer,“ heißt es in einem alten Buch der Abtei Steinfeld. [2]
Im Allgemeinen zeigte die Entwickelung der Markverfassung die Tendenz, die Rechte und das Gebiet des Sondereigen auf Kosten der gemeinen Mark umsomehr auszudehnen, je mehr der Ackerbau gegenüber Viehzucht und Jagd an Bedeutung gewann. In Bergwerksbezirken dagegen, wo der Ackerbau durch den Bergbau an Bedeutung verlor, sehen wir eine entgegengesetzte Tendenz. Das Bergrecht schränkt die Rechte des Sondereigens ein und stellt es in gewissen Punkten der gemeinen Mark wieder gleich.
Die Grubenplätze fielen aber in das Bereich der gemeinen Mark nur, um sogleich wieder aus ihr ausgeschieden zu werden. Die ersten Bergwerke waren höchst primitiver Natur, bloße Tagbaue, einfache Gruben, aus denen man die Erze hervorholte. Einer oder einige Wenige genügten, eine solche Grube zu bearbeiten. Sie gemeinsam zu nutzen, wie etwa die gemeine Weide, ging nicht an. Wie die einzelnen Loose in den verschiedenen Feldfluren mußten auch die verschiedenen Grubenplätze einzelnen Markgenossen zur Benutzung überwiesen werden. Da aber die verschiedenen Gruben verschiedenen Ertrag abwarfen und die Zahl der Gruben nicht, gleich der der Ackerloose, eine beliebig vermehrbare war, geschah, um die Interessen der Gesammtheit zu wahren, die Ueberweisung nur gegen Abtretung eines bestimmten Antheiles des Ertrages an die Genossenschaft. Und ebenso wie die Bebauung der getheilten Feldflur unterstand auch die der Gruben der Ueberwachung und Leitung der Genossenschaft, und sowie ein nichtbebautes Ackerloos an diese zurückfiel, so auch eine verlassene Grube. Sobald der Nutznießer einer Grube aufhörte, sie weiter zu bebauen, verlor er jedes Anrecht an sie.
Das erste Recht aber, mit einer Erzstätte belehnt zu werden, hatte naturgemäß Derjenige, der sie gefunden hatte, nicht etwa Derjenige, dem der betreffende Platz bis dahin gehört, falls er schon in Sondereigen übergegangen war. Ein Vorrecht des Finders hat sich bis in unsere Tage erhalten.
Bei weniger werthvollen Mineralien ist der Bergbau lange auf einer primitiven Stufe geblieben, bei Eisenstein- oder Kohlengruben z. B. mitunter bis in die Gegenwart. Der Bergbau auf edle Metalle hob sich jedoch frühzeitig auf eine hohe Stufe der Technik, wie wir noch sehen werden. Immer umfangreicher wurden die Bergwerke, immer komplizirter und gefährlicher. Es wurde unmöglicher, daß jeder belehnte Genosse, jeder „Gewerke,“ den Bau auf eigene Faust betrieb, wie es ihm am besten paßte. Die verschiedenen Gruben wurden immer abhängiger voneinander, bildeten immer mehr ein einheitliches Ganzes. So ängstlich auch die verschiedenen Gewerken darüber wachten, daß ihre Gruben oder „Zechen“ getrennt blieben, daß Jedem der Antheil an seinem Gebiet gewahrt werde, der Betrieb wurde immer mehr durch die technische Nothwendigkeit ein gemeinsamer. Der markgenossenschaftliche Beamte, der anfänglich den Grubenbau blos zu überwachen gehabt, der Bergmeister, wurde der Leiter des gesammten Betriebes, den er planmäßig organisirte.
Bergwerke, in denen es so weit kam, waren aber auch so reich, daß ihre Erträge die Gewerken und Markgenossen, welcher Begriff sich in den betreffenden Distrikten anfangs wohl in der Regel deckte, der Bergwerksarbeit immer mehr enthoben, die schließlich gänzlich ihren Knechten oder Knappen zufiel. Die Gewerken wurden nach und nach zu Kapitalisten.
Die Zahl der Knechte nahm in reichen Bergwerken immer mehr zu. Dazu kamen die Arbeiter in den Hütten, in denen die Metalle aus den Erzen gewonnen wurden. Neben diesen wanderten auch immer mehr Handwerker in den Bergwerksdistrikt ein, um das Bergzeug herzustellen, die gewonnenen Metalle zu verarbeiten oder den wachsenden Bedürfnissen der Bevölkerung zu dienen. Auch die Kaufleute fanden reichen Erwerb daselbst durch den Vertrieb der gewonnenen Bodenschätze, ihre Zahl wuchs daher rasch an. So bildete sich das Bergwerk eine Stadt, eine „Bergstadt,“ in der die Markgeuossen, die „Berg- und Hüttenherrn“ nur noch eine Minorität bildeten, eine Aristokratie, zusammen mit den Kaufleuten, die wohl zum Theil ans ihnen sich rekrutirten.
So eigenthumlich diese Berggenossenschaften sich auch gestaltet hatten, so blieben sie doch unverkennbar Markgenossenschaften. Feldbau und Viehzucht verloren freilich für sie an Bedeutung. Nächst dem Bergwerk war aber der Wald für sie von höchster Wichtigkeit, denn er lieferte das Brennmaterial für die Hütten, die Erze zu schmelzen und die Metalle zu gewinnen. Wo sich die alte, markgenossenschaftliche Verfassung der Gewerken noch erhalten hatte, treten diese daher auf als Waldgenossenschaft.
Wie sich so die Verfassung einer alten Berggemeinde gestaltete, zeigt uns anschaulich die Darstellung, die Gierke von dem „großen Berggemeinwesen des Harzes mit dem Mittelpunkt Goslar“ giebt: [3]
„An der Stadtverfassung war die Genossenschaft der Berg- und Hüttenherren (Bergleute und Waldwerken, montani und silvani) eine zwischen Kaufleuten und Gilden (Münzern, Krämern und Handwerkern) stehende bürgerliche Körperschaft, und nahm als solche am Stadtregiment theil, entsandte Deputirte zur Aufzeichnung der Statuten und mußte bei jeder Rechtsveränderung vom Rathe befragt werden; auch genoß sie nach dem Stadtrecht die Befreiung von der Pfändung und das Recht erweiterter Selbsthülfe gegen ihre Diener. In Bezug auf den Harzforst waren die Waldwerken zugleich eine Markgemeinde, welche auf drei echten Forstdingen zusammenkam und neben Bergbau- und Schmelzhüttenbetrieb, Holznutzung, Jagd und Fischerei ausübte. Für das gesammte Berg- und Hüttenwesen aber bildete die Gesammtheit aller Bergleute und Waldwerken eine selbständige autonome Genossenschaft, vorbehaltlich einer ursprünglich dem Reichsvogt, später der Stadt Goslar und in Speeie dem Rathsausschuß der Sechsmänner zustehenden oberste Aufsicht und höchsten Gerichtsbarkeit. Die Gewerken selbst dirigirten daher unter dem von ihnen gewählten Bergrichter oder Bergmeister den Bergbau, sie setzten sich auf ihrer allgemeinen Versammlung zu Goslar, wenn auch unter dem Einfluß des Rathes, die Bergordnung, den Bergfrieden und das Bergrecht; sie sprachen als Schöffen Recht im Gericht des Bergmeisters, das für Schuldsachen und eigentliche Bergsachen die erste Instanz war, von einem montanus aber in allen Sachen zuerst angegangen werden mußte.“
Die Selbständigkeit und Reinheit der Markverfassung hat sich bei den Bergwerkgemeinden indeß kaum irgendwo lange erhalten. Das Aufkommen der großen Grundherrschaften brachte sie ebenso in Bedrängniß wie die der Bauern.
Die reichen Bergwerksgenossenschaften hatten freilich ganz andere Mittel, sich ihrer Dränger zu erwehren, als die armen Bauerngemeinden; wir haben auch kein Beispiel davon gefunden, daß die Bergleute im Mittelalter irgendwo der Hörigkeit oder gar Leibeigenschaft verfallen wären. Aber gerade der Reichthum der Bergwerke lockte die Herren an, sie sich zinspflichtig zu machen. Gleich der Jagd erklärten diese Herren den Bergbau für ihr Vorrecht: in manchen linksrheinischen Weisthümern wird der Bergbau ausdrücklich dem Wildfang gleichgestellt und „dem gnädigen Herrn“ der „Wildfang auf der Erde und in der Erde“ vorbehalten. Der größte Grundherr im Lande war aber der König; ihm gelang es von vorneherein, eine Reihe von Bergwerken an sich zu reißen; bald machte er Anspruch auch auf die Bergwerke, welche Adelige, Klöster oder Bischöfe an sich gerissen hatten. Die Könige, resp. Kaiser in Deutschland, erklärten schließlich, Niemand dürfe den Bergbau betreiben, der nicht von ihnen belehnt sei. Bergbau, zunächst auf Gold, Silber und Salz, wurde für ein Regal erklärt.
Anfangs gelang es auch den Kaisern, ihre Ansprüche, wenigstens zum Theil, geltend zu machen. Achenbach giebt uns in seinem oben genannten Buch mehrere Beispiele davon. So brachte z. B. Friedrich I. im 12. Jahrhundert mehrere Bischöfe dahin, daß sie ihre Bergwerke als Lehen von ihm annahmen. Aber schon im nächsten Jahrhundert begann der Rückgang der kaiserliche Macht, indeß die der großen Grundherren sich zur landesfürstlichen Gewalt entwickelte. Das Bergregal fiel nun den Landesfürsten zu, und diese wurden bald stark genug gegenüber den kleineren Grundherren und den einzelnen Gemeinden und Genossenschaften, um dies Regal auch vollständig zur Durchführung zu bringen.
Schon Karl IV. hatte sich gezwungen gesehen, das Bergregal der Kürfürsten in seiner goldenen Bulle anzuerkennen. Karl V. endlich garantirte in seiner Wahlkapitulation 1519 den Reichsständen allgemein ihre Regalien.
Die markgenossenschaftliche Verfassung war damals im Bergbau bereits allgemein aufgelöst, wenigstens soweit größere Bergwerke in Betracht kommen. Nicht nur waren an Stelle der frei gewählten, genossenschaftlichen Beamten landesherrliche Beamte getreten, die unabhängig von den Markgenossen und Gewerken den Betrieb des Bergwerkes leiteten, Recht sprachen und darüber entschieden, wer mit einer Grube zu belehnen sei, wer nicht; auch die Exklusivität der Markverfassung hatte in Bezug auf die Bergwerke ein Ende gefunden. Der Bergwerksbetrieb war mit deren Beschränkungen immer unverträglicher geworden. Er bedurfte immer größerer Arbeitermassen, die man von weither anziehen mußte, da in den öden Gebirgsgegenden, in denen die Bergwerke meist angelegt wurden, nur eine spärliche Bevölkerung sich fand; je kostspieliger und ausgedehnter aber die Bergwerke wurden, desto mehr bedurften sie auch des Zuflusses großer Kapitalien; daher das Bestreben, das Bergwerkseigenthum den großen Kaufleuten der Städte zugänglich zu machen. Daß diese Kaulfherren in der Regel mit den Fürsten auf bestem Fuße standen, denen sie so oft durch Darlehen aus der Verlegenheit zu helfen hatten, mag auch dazu beigetragen haben, daß die Landesherren ihre Macht dahin geltend machten, das Privilegium der Markgenossen auf Ausbeutung der Bergwerke zu brechen. Die Bergwerke wurden aus den Marken ausgeschieden, die Berge, auf denen sie lagen, wurden fair „frei“ erklärt. Auf den freien Bergen war der Bergbau Jedermann gestattet – vorbehaltlich der Genehmigung des Landesherrn. Nachdem so die Schranken des Eindringens fremder Elemente beseitigt worden, strömte bald, namentlich in den Silber- und Goldbergwerken, ein buntes Gewimmel von Kaufleuten, Wucherern, Abenteurern, Arbeitern, Bettlern zusammen, sein Glück zu erringen. Dadurch erst wurde der rasche Aufschwung der großen Bergwerke ermöglicht.
Jeder Zusammenhang des Bergwerks mit der Mark wurde aufgelöst. Kein Wunder, daß dann die römischen Juristen, die von der Markverfassung ohnehin nichts verstanden, mit dem aus ihr entsprnugenen deutschen Bergrecht nichts anzufangen wußten. Erst G. L. v. Maurer’s epochemachende Forschungen über die Markverfassung haben, wie zu manch’ anderem sozialen Gebilde, so auch zum deutschen Bergrecht den Schlüssel geboten.
Für einen römischen Juristen bot ein deutsches Bergwerk im Anfang des 16. Jahrhunderts einen sonderbaren Anblick.
Der Ausbeuter einer Grube hatte an derselben kein volles Eigenthums-, sondern blos ein Nutzungsrecht. Dasselbe wurde von einem Beamten des Fürsten, dem Bergmeister, verliehen. Der Belehnte, der Muther, bildete nun eine Gewerkschaft mit vier, später mehr Antheilen oder Kuxen [4] (aus dem tschechischen Kus, der Theil). Eine bestimmte Anzahl dieser Kuxe fiel dem Fürsten zu. Die Kuxe waren verkäuflich. Der Besitzer eines oder mehrerere war ein „Gewerke.“ Die Bergwerke wurden also von Aktiengesellschaften betrieben. Ein Kux gab aber kein Anrecht an das Bergwerk, soudern nur an den Reinertrag desselben. Dieser wurde unter die Kuxbesitzer vertheilt. Ebenso wurden auch die Kosten des Bergwerks unter diese repartirt. Ueberstiegen die Kosten eine Zeit lang den Ertrag und war ein Gewerke nicht im Stande, die ihm auferlegte Zubuße zu leisten, so verlor er seinen Kux, den die Mitgewerken einen Anderen übertragen durften. Wurde eine Grube überhaupt nicht mehr abgebaut, dann verlor die Gewerkschaft jedes Anrecht an sie, und dem Fürste stand es frei, sie weiter zu verleihen.
Aber nicht genug an diesen, den Eigenthumsbegriffen des römischem Rechts hohnsprechenden Bestimmungen. Der Betrieb des Bergwerks wurde von den Beamten des Fürsten geleitet, der die Rechte der Markgenossenschaft usurpirt hatte, und die Gewerken hatten äußerst wenig dreinzureden.
Die Bergordnung des Herzogs und Kurfürsten August von Sachsen (gedruckt 1574) nennt im dritten Artikel folgende vom Fürsten eingesetzte Bergbeamte: zwei Bergräthe, die alle halbe Jahr mit einem Hauptmann, Oberbergmeister und Bergwerksverwalter die Bergwerke besuchen sollen.
„Außerdem haben wir in jeder Bergstadt nach derselben Gelegenheit und Größe des Bergwerkes einen Bergmeister und eine ziemliche Anzahl Geschworene, bergverständige Männer, Zehender, Austheiler, Gegenschreiber, Bergschreiber, Hüttenverwalter, Hüttenreuter, Rezeß- und Hüttenschreiber, Silberbrenner und Markscheider gesetzt und verordnet.“
Die Gewerken ernennen (Artikel 42) die Steiger und Schichtmeister, aber nur mit Willen und Zulassung des Hauptmannes, Oberbergmeisters, Bergwerksverwalters und Bergmeisters jedes Ortes. Laut Artikel 44 haben diese Beamten das Recht, die Steiger und Schichtmeister zu entlassen. Der Schichtmeister nimmt die Arbeiter auf und entläßt sie, aber nur mit Einwiligung des Bergmeisters und zweier Geschworenen.
Agricola, dessen Buch wir die letzte Mittheilung entnehmen [5], theilt uns auch des Näheren die Funktionen der einzelnen Beamten mit.
Dem Berghauptmann hat Jeder zu gehorchen, er ist der oberste Richter. Ihm zunächst steht der Bergmeister. Mittwochs spricht dieser mit den Geschworenen Recht. An den anderen Tagen besichtigt er die Gruben und zeigt an, was darin zu thun sei. Am Sonnabend haben ihm die Steiger Rechnung abzulegen.
Der Bergschreiber schreibt „Zettel für Die, so Gruben begehren,“ und fertigt jedes Vierteljahr die Rechnungen über Einnahmen und Ausgaben der Gruben für die Gewerken an, über die er Buch führt. Der Zehender nimmt den Geldertrag der Grubenausbeute ein und zahlt davon den Steigern das nöthige Geld zum Betrieb der Grube. Den Reinertrag händigt der Austheiler au die Gewerken aus. Ist statt dessen ein Defizit vorhanden, so schreibt der Bergschreiber den Betrag der entfallenden Zubuße auf Zettel, die, nachdem der Bergmeister und zwei Berggeschworene sie anerkannt, an die Thür der betreffenden Gewerken (oder ihrer Vertreter) geschlagen werden.
Der Steiger verwaltet die Gruben und zahlt die Löhne, deren Höhe er mit den Geschworenen zusammen festsetzt. „Zu Zeiten verdingen sie (die Geschworenen) mit den Steigern den Berghäuern etliche Lachter eines Ganges zu hauen, um einen großen oder kleinen Lohn, nachdem das Gestein fest oder lind ist.“ (S. 71.) Stoßen die Arbeiter auf unerwartet festes Gestein, so wird ihr Lohn entsprechend erhöht, oder erniedrigt, wenn das Gestein sich lockerer zeigt, als erwartet worden.
Der Schichtmeister endlich leitet und beaufsichtigt die Arbeit in der Grube.
Die Gewerken hatten, wie man sieht, abgesehen vom kommerziellen Theil, der aber bei Silbergruben, deren Ertrag in die Münze ging, auch nicht allzubedeutend war, kaum irgend etwas Anderes beim Bergwerksbetrieb zu thun, als Geld zu zahlen, wenn’s schlecht ging, und Geld einzustecken, wenn’s gut ging. Freilich meint Agricola (S. 31), die Gewerken sollten auf dem Berg wohnen, um ihre Arbeiter überwachen zu können. Nicht auf den Steiger sollten sie sich verlassen. „Das Auge des Herrn mästet die Pferde.“ Die Mahnung des Agricola ist aber für uns nur ein Beweis, daß die Gewerken zu seiner Zeit es bereits liebten, fern von der Stätte zu wohnen, an der ihr Reichthum produzirt wurde; sie waren für den Produktionsprozeß überflüssig geworden, dessen Leitung die landesfürstliche Bureaukratie in die Hand genommen hatte.
In demselben Maße, in dem die Persönlichkeit der Gewerken für den Betrieb überflüssiger wurde, wuchsen die Ansprüche an ihr Kapital. Eiin Bergwerk erfolgreich und mit Glück auszubeuten, wurde bald ein Privilegium großer Kapitalisten, der großen Kaufleute und Bankiers in den Städten.
Die bergmännische Technik entwickelte sich zu Ende des Mittelalters und im Beginn der Neuzeit in auffallender Weise, namentlich in Deutschland, welches damals das „Peru Europas“ war, das silber- und goldreichste Land unseres Erdtheils.
Die Muhen und Gefahren des Bergbaues wachsen rasch, wenn man in die Tiefe dringt. Der Bergbau nach den meisten Materialien, z. B. Eisen und Steinkohlen, ist daher, wie schon bemerkt, lange Zeit sehr primitiv geblieben. [6] Ueber gewisse Grenzen konnte man mit einfachen Werkzeugen nicht hinaus; die Förderung der Gesteinsmassen wurde zu mühsam; die Luftzufuhr zu den Gruben begann zu versagen und dadurch wurde ein weiteres Vordringen unmöglich, unterirdische Gewässer ersäuften die Gruben. Die Gier nach den edlen Metallen wußte indeß alle diese Hindernisse zu besiegen, sie zwängte den Forschungsgeist der Praktiker wie der Gelehrten in ihren Dienst, setzte der in ihren Anfängen begriffenen wissenschaftlichen Technik immer neue, immer größere Aufgaben, trieb sie von einer Erfindung zur anderen, auf daß sie die Kräfte der Natur unterjochten, immer wirksamere Werkzeuge ersännen, immer großartigere Bauten ermöglichten.
So finden wir im 16. Jahrhundert bereits das Bergwesen Deutschlands auf einer erstaunlichen Höhe der Technik.
Wer sich damit vertraut machen will, findet dazu einen vortrefflichen Führer in dem schon erwähnten Buch des Chemnitzers Georg Agricola.
Für unseren jetzigen Zweck entspricht jedoch besser die Wiedergabe des weniger detaillirten und fachmännischen, aber lebendigeren, übersichtlicheren und kürzeren Bildes, das der Joachimsthaler Pastor Matthesius in seiner Sarepta von den technischen Vorkehrungen entwirft, die der Betrieb eines Silberbergwerks zu seiner Zeit erforderte. [7]
Die Wissenschaft war bereits in den Dienst des Bergbaues genommen worden. Theoretisch gebildete Ingenieure hatten die Bergwerke einzurichten und zu leiten. Diese Arbeit überstieg schon bei Weitem die Kräfte des einfachen, ungebildeten Bergknappen.
Den Kompaß freilich mußten auch diese anzuwenden verstehen. „Das sind schöne Instrument und Dankens und Preisens werth. Denn sie weisen nicht allein den Wanderleuten auf Erden und den Schiffleuten auf der offenbaren See, sondern auch Euch Bergleuten, so Ihr mitten in der Erde seid und auf welche Stunde (nach welcher Himmelsgegend) die Gänge streichen und wo Ihr zufahren sollt.“ Man sieht daraus, welch ein komplizirter, weitverzweigter Bau damals schon ein Bergwerk war, wenn der Bergmann, um sich zurechtzufinden, des Kompasses bedurfte. Namentlich diente dieser aber den Ingenieuren bei ihren trigonometrischen Messungen, um die Grenzen der einzelnen Gruben zu bestimmen (Markscheiden), Ventilationschachte zu führen und dergleichen.
„Sonderlich aber dienet er zur edlen Kunst des Markscheidens, der man beim Bergwerk nicht gerathen kann, will man anders den Gewerken (Grubenherren) nicht zu Schaden bauen oder bald zum Durchschlagen kommen, Wasser benehmen, Wetter (Luft) bringen und jeden bei seiner Gerechtigkeit schutzen und handhaben ... Es müssen die Layen, so von Euclid und der gründlichen Geometrie unterrichtet sein, viel Instrument und Schnüre und Messens haben neben ihrem Pfeffel und Lölhölzel und was dergleichen aller Instrument, Maßstäbe und Schnüre mehr sein. Aber der Triangel und acht auf die Proportion haben, das ist in diesem Fall Meister, wer sich darein schicken kann.“ (S. 143.)
Wir sehen da bereits eine Eigenthümlichkeit der kapitalistischen Großindustrie sich entwickeln, die Scheidung der Arbeiter in zwei Klassen: auf der einen Seite ungebildete Handarbeiter, an deren physische Kraft, und auf der anderen Seite gebildete Kopfarbeiter, an deren geistiges Können die höchsten Ansprüche gestellt werden.
Eine „Ueberproduktion an Intelligenz“ gab es jedoch im Anfang des 16. Jahrhunderts noch nicht, wenigstens nicht auf technischem Gebiet, eher auf theologischem. Die Ingenieure liefen noch nicht so zahlreich herum, wie heutzutage, und waren daher hoch geschätzt. So ruft auch Matthesius, man solle
„der Künstler Mühe und Arbeit preisen und solche Wunderleute, die mit Wahrheit umgehen, vor einem anderen Bergmann, der nur einen alten Schacht fassen und auszimmern kann, halten lernen. Wie etwan Fürsten und Herrn solche künstliche Leut, die Gott und die Natur andern vorgezogen, auch wissen nach ihrem Werth zu halten. Maximilian hat seine Künstler gar wohl gehalten; denn da derjenige, so das Werk zu Innsbruck gesetzt und die Wasserkunst: (Pumpwerk) auf dem Kuttenberg angegeben und einen großen See mit einem Instrument wie mit einem Heber und Koster gar trocken abgezogen hat, und von Etlichen schlecht gehalten ward und klaghaftig bei dem Herrn Kaiser vor kam, sagte der fromme Kaiser ‚Die Leute wissen nicht mit Künstlern umzugehen.‘
„Weil aber Gottlob diese und andere freie Künste zu dieser Zeit neben dem Evangelio wieder in die Schulen kommen und viele gute Leute wissen, wozu sie dienen und wie mam der Quadrangel und Triangel zur Abmessung der Erden brauchen könne, sollen Bergherrn und Bergstädt seinen Köpfen, die hiezu naturt und geneigt und Lust und Lieb zu der Mathematiken und den Künsten haben, behilflich und förderlich sein, daß sie solch markscheiden aus dem rechten Grunde ergreifen und auf nützliche und beständige Instrumente trachten, damit man immer von Tag zu Tag das Wasser und Berg (Gestein) mit leichter Unkost heben könne.“
Die Wissenschaft ward also beim Bergbau schon im Anfang des 16. Jahrhunderts der Produktion nutzbar gemacht; das Herkommen, der Brauch der Väter, der beim Handwerk eine solche Rolle spielt, ist verbannt, an seine Stelle tritt methodische, wissenschaftliche Forschung als ein revolutionärer Faktor; ihr Zweck ist die beständige Umwälzung der Produktion, die Erfindung immer besserer Instrunlente, das heißt solcher, die geringere Unkosten erfordern, die mehr Arbeit ersparen. Das Alles sind der modernen, kapitalistischen Großindustrie eigenthümliche Züge.
Wie weit unter diesen Umständen das Maschinenwesen damals im Bergbau gediehen, sieht man ans der folgenden Schilderung des Matthesius (S. 145 ff.):
„Bergarbeit ist eine Roßarbeit, und mancher hebt an schweren Berg- und Wasserhaspeln, daß er nicht allein Blut auswirft, sondern zeucht oft auch den Hals gar daran ab, da er mutternackt einen ganzen Tag stehen und das Wasser halten und seine gesetzte Schicht auffahren muß. Nun ist das auch eine Gnade und Gabe Gottes, daß Gott Euch den sauren Nasenschweiß, so von der Sünde wegen menschlichem Geschlecht aufgeseilet, dennoch mit nutzlichen Instrumenten und Künsten lindert und spannt ein Roß an der Leute statt und läßt durch Wasser, Wind und Feuer Wasser und Berg au den Tiefsten mit schönen Künsten heben und treiben, damit die Unkost auch geringert und die verborgenen Schätze desto eher ersunken und offenbar werden.
„Diese Wohlthat, daß Vieh und Element fröhnen und auch ihre Schicht fahren und viele künstlichen Köpfe dem Bergwerk mit ihrer Erfindung nützlich dienen, ist bei Gott dankens- und bei der Welt ruhmens- und vergeltenswerth. An einem schweren Haspel einen ganzen Tag stehen und viel Umschlag um einen Pfennig thun müssen und oft vom Haspel gerückt und vom Haspelhorn geschlagen zu werdeu, ist eine saure Nahrung. Deßgleichen, da ihrer zween eine Schicht viel Schock Wasser, da ein Züber fast einen Eimer hält, herausziehn, kost auch viel Leibs und zeucht Einem wieder das Mark aus Armen und Beinen heraus. Nun hat Gott Künstler geben, die ehrliche Vortheil und Hülf erdacht, daß man Schwengräder, Haspelwinden, Schwengstangen an die Haspel gemacht, damit es etwas leichter und mit einem Vortheil zugehe. Iten1, daß man runde Scheiben und Räder anrichtet mit ihren Scheibenspillen, Kammrädern, Fürgelegen oder Getrieben und Leisten, damit nicht allein die Arme und Seiten, sondern Fuße und der ganze Leib auch Berg und Wasser herantreten und heben, das ist auch dankenswerth. So ist der Göpel auch eine schöne Kunst, da man mit Rossen Berg und Wasser zu Tag austreibt und in einer Schicht mehr herausfördern kann, als an zwanzig Haspeln. Also auch die Roßkunst mit der Premscheibe. [8] So geht es auch leichter und mit künstlichem Vortheil zu, so Ihr Wellen und Stempel in die Gruben hängen solltet, daß Ihr Eure Brustwinden, Kloben und Windstangen habt. Die Gebirger oder Oberländer sollen auch ihre Bulgen (Utres, Schläuche bei Agricola) und ledernen Säcke haben, darin sie Erz von den hohen Alpen im Winter vor die Hütten fuhren, und ihre Hunde, die solche Säcke (leer) war in das Gebirge hinantrecken (ziehen).
„Ein geraumer und verwahrter Stollen mit seinem Gerinn und Dreckwerk zugerichtet, ist freilich die schönste Kunst auf dem Bergwerk, denn solcher, der nimmt Wasser und bös Wetter (schlechte Luft) und bringt gut Wetter und giebt leichte Förderung mit Truhen und Hunden; derfür Bergleute unserm Gott auch danken und ihre Steuer, vierten Pfennig und neuntes, willig, schleunig und treulich reichen und dargeben sollen. Wo man aber Stolleu nicht anbringen kann, da haben Wasserkünste ihren Preis, wenn man Wasser mit Kannen hebt an der Scheibe oder mit einem Rad, welches die Leute treten, oder da man mit Wasser und Wind das Wasser über sich bringt. Wo Wasser in Gründen fließen, kann man durch ein Zeug das Wasser über sich treiben und also auf Schlösser und Höhen bringen, wie solche Wasserkünste an vielen Orten angerichtet sind. Da aber die Wasser unter der Erden sollen über sich bracht werden, muß man vom Tage Wasser in die Gruben fuhren, wie eine solche Wasserkunst in Pithii Bergwerk gedacht wird, da dieser reiche Fundgrübner in der Wasserradstuben vor Leid gestorben ist. Nun haben Künstler hierin viel schöne und werkliche Zeuge erfunden, sonderlich mit Röhrstangen und Pumpenberg, da man mit Leuten, Wasser und Wind die verschroten Wasser auf den Stollen oder zu Tage aushebt. [9]
„Ihr Bergleute sollt auch in Euren Bergreigen den guten Mann, der jetzt Berg und Wasser mit dem Wind auf der Platten anrichtet zu heben, wie man jetzt auch, doch am Tag, Wasser mit Feuer heben soll ... [10]
„Zum Beschluß, weil ich eben von Kunststücken rede, soll ich auch als ein Bergprediger Gott danken für die schöne Kunst, daß man gut Wetter durch Windfang, Lutten (bei Agricola Lotten, lateinisch canalis longus, lange Röhre), Gebläse und Fächer in einen Stollen führen oder treiben kann und das böse Wetter herausziehn oder bringen. Es ist ja werklich, daß man auf einem Stollen in der Fürst (Spitze) aus Brettern eine Lotten schlägt, verlutirt oder verklebt oder verstreicht sie mit Lehm oder Letten, damit das gute Wetter oder frische Luft in den Berg ziehn und das bös Wetter unterm Dreckwerk wieder herausschleichen könne, und sonderlich wo man mit einem Blasbalg das böse Wetter hebet, da folgt bald ein gutes an die statt, weil die Natur nicht leiden kann, daß ein leer, ledig und ohne Luft sei.
„Auf dem Kuttenberg soll man das böse Wetter in großen Lutten, wie die Feueressen sind, zu Tag ausfuhren, wenn man zumal vorm Ort gesetzt [11] hat, und dagegen bis in fünfhundert Lachter [12] und weiter gut Wetter in die Schächte bringen, wie man bei uns in Joachimsthal auch neulicher Zeit solche Zeug angerichtet, da man gut Wetter in Röhren durch Gebläse viele hundert Lachter bringt, da etwan zwei Stollen mit großer Unkost über einander hat treiben müssen.“
Matthesius spricht hier blos vom Bergbau. aus dem Werke Agricola’s kann man ersehen, welche große Anlagen damals der Verarbeitung der Erze dienten, die Stampfmühlen, Schmelzöfen, Apparate zum Scheiden der Metalle und der Verarbeitung der „harten Säfte,“ wie Salz, Glas u. s. w. Das Mitgetheilte dürfte genügen, zu zeigen, daß die Arbeit des Bergbaues, wenigstens auf edle Metalle, im 16. Jahrhundert längst den handwerksmäßigen Charakter verloren hatte. Sie bestand dicht mehr aus einer Summe einfacher Handgriffe, die der Bergmann im Laufe der Lehrzeit erlernte, um an deren Schlusse den ganzen Betrieb zu verstehen. Dieser war über das Verständniß des einfachen Arbeiters hinausgewachsen; ein Bergwerk war zu einem großen, komplizirten Organismus geworden, der ausgedehnte und kunstreiche, höchst kostspielige Anlagen bedingte, dessen Getriebe nur wissenschaftlich gebildete Techniker, „Künstler,“ zu übersehen und zu leiten, und nur stärkere als menschliche Kräfte im Gang zu halten vermochten, ein Organismus, den zu besitzen und zu erhalten ein Kapital erforderte.
Ein Proletarier hatte unter diesen Umständen keine Aussicht, je eine Grube in einem solchen Bergwerk als eigener Herr abzubauen. Auch kleinere Kapitalisten waren einzeln nicht im Stande, die Kosten einer ordentlichen Bergwerksanlage aufzubringen.
Freilich, es konnten sich mehrere zusammenthun und eine Gesellschaft, Gewerkschaft bilden, was auch oft geschah. [13] Aber der Erfolg war nicht immer günstig.
Die Geologie befand sich damals noch in ihren Anfängen, der Bergbau war daher noch weit mehr ein Hazardspiel, als er es heute noch vielfach ist. Der Ertrag der Gruben wechselte in ganz unglaublichen Proportionen. Zu Zeiten wurden nicht blos einzelne Gruben, sondern auch ganze, große Bergwerke verlassen, um später wieder mit Glück aufgenommen zu werden.
Im 10. Jahrhundert wurden die Silberbergwerke im Harz (zu Goslar) in Betrieb gebracht. In der ersten hundert Jahren war ihr Ertrag ein ungemein reicher. Dann hören wir nur wenig von ihnen, bis wir erfahren, daß ihr Betrieb 1205 wieder aufgenommen wurde, nachdem er längere Zeit eingestellt gewesen.
Im 12. Jahrhundert begann die Ausbeutung der sächsischen Silberbergwerke, im 13. Jahrhundert die der böhmischen. Wenzel II. von Böhmen behauptete 1295 in seiner Bergordnung, die Gold- und Silbergruben seien allenthalben erschöpft, nur Böhmen ströme von Gold und Silber über. Die Goslarer Bergwerke gingen im Laufe des 14. Jahrhunderts abermals ein und wurden erst 1419 wieder in Gang gebracht, um das Jahrhundert über in Anbau zu bleiben.
Die Meißener Bergwerke blieben ständiger im Betrieb. Aber wie wechselte ihr Ertrag!
Der Ertrag der Marienberger Gruben betrug 1520 258 fl.; 1521 772 fl.; 1522 1.806 fl.; 1523 1.161 fl.; 1529 2.562 fl.; 1530 6.572 fl„; nun stieg das Erträgniß rasch, erreichte seinen Höhepunkt 1540 mit 270.384 fl. und sank dann wieder bis 1552 auf 22.749 fl.
In Schneeberg wurde in den aktiven Zechen als Ausbeute (Ueberschuß über die Betriebskosten) verthei1t:
Jahr |
|
Mark |
|
Jahr |
|
Mark |
---|---|---|---|---|---|---|
1511 |
6.192 |
1519 |
6.779 |
|||
1512 |
59.340 |
1620 |
10.787 |
|||
1513 |
17.673 |
1521 |
774 |
|||
1514 |
8.127 |
1522 |
6.321 |
|||
1515 |
14.214 |
1523 |
1.935 |
|||
1516 |
21.156 |
1524 |
253 |
|||
1517 |
25.324 |
1525 |
2.515 |
|||
1518 |
9.675 |
|
Die vertheilte Ausbeute in den aktiven Zechen schwang also zwischen 59.000 und 250 Mark. Wie viel in den passiven daraufzuzanlen war, wissen wir nicht. Jedenfalls gab es in vielen Zechen Jahre mit großem Defizit, wo es hieß, entweder eine große Zubuße leisten oder den Betrieb (oder die Theilnahme daran) einstellen und damit sein in der Zeche investirtes Kapital ganz verlieren.
Ein großer Kapitalist, der es aushielt, machte im Durchschnitt der Jahre wohl einen hübschen Profit. Der kleine Kapitalist wurde leicht zum Bettler. Hatte er aber Glück, erwies sich sein Unternehmen gewinnreich, dann gab es Mittel genug, ihm dasselbe zu verleiden, dank dem Einfluß, den die großen Finanzleute auf die Fürsten und deren Beamte ausübten.
Agricola erzählt uns, Viele hielten den Bergbau für unmoralisch wegen folgender Praktiken, die abzuleugnen ihm nicht gelingt:
„Wenn sich etwa eine Hoffnung eines Metalls aus der Erde zu hauen erzeigt, so kommt entweder ein Fürst oder Obrigkeit und stoßt die Gewerken derselbigen Grube von ihrer Besitzung [14]; oder kommt ein spitzfindiger eigensinniger Nachbar und facht mit den alten Gewerken einen Rechtshandel an, damit er sie zum mindesten einen Theil der Grube beraube. Oder der Berghauptmann legt den Gewerken schwere Zubüße auf, damit sie von ihren Theilen konnen, wo sie die nicht erlegen wollen oder können und er sie (die Gtube), wider alle Billigkeit verloren, an sich raffe und gebrauche. Oder versproßt zuletzt der Steiger den Gang; dann, etliche Jahre hernach, so die Gewerken vermeinen, die Gruben seien nun ganz erschöpft, verlassen, er alsbald das Erz, so verlassen, haue und mit Gewalt an sich bringe. Ueberdem ist der ganze Haufe der Bergleute (vo1n den Lohnarbeitern ist da nicht die Rede) von verlogenen, trugsamen und losen Buben zusammengelesen ... Entweder lobt er die Gäng fälschlich und mit gedichtem Lob, damit er die Guggis (Kux) zweimal theurer möge verkaufen, denn sie werth sind, oder herwiderumb schilt er sie, daß er dieselbigen möge wohlfeil erkaufen.“ (1. Buch.)
Kein Wunder, daß der Bergbau ebenso verrufen war, wie heute die Börse – aber auch ebenso anziehend für die Kapitalisten. Wie diese war auch jener ein Mittel, die kleinen Geldbesitzer, die gern rasch reich werden wollten, zu expropriiren zu Gunsten der großen Kapitalisten, denen gegenüber natürlich solche Praktiken, wie die erwähnten, nicht gewagt wurden, wie den Fuggern, die die Schwazer Goldbergwerke gepachtet hatten [15], oder den Zwickauer Kaufleuten Römer, welches Bruderpaar den Löwenantheil aus den Schneeberger Silbergruben einheimste und dadurch seinen Reichthum enorm vermehrte.
„Wer Bergwerk bauen will,“ sagt Matthesius (6. Predigt), „der muß Geld oder arbeitsame Hände haben, denn gar Reiche oder gar Arme sollen sich ins Feld legen, schürfen &c.“
Mit anderen Worten, beim Bergbau konnten nur noch ihr Fortkommen finden große Kapitalisten und Proletarier.
In demselben Maße, in dem die alten bergbauenden Markgenossen zu kapitalistischen Gewerken wurden, wurden die Knechte oder Knappen, mit denen die Markgenossen ehedem den Bergbau betrieben hatten, zu Lohnproletariern. Sie arbeiteten nicht mehr mit den Herren zusammen und lebten nicht mehr mit ihnen, in ihrem Haushalt, ihrer Familie, Freud’ und Leid mit ihnen theilend. Das patriarchalische Verhältniß hatte aufgehört. Oft kannten die Häuer kaum die Person des Kapitalisten, für den sie schanzten, etwa eines reichen Kaufmanns in einer fernen Stadt, der von der Bergarbeit keine Ahnung hatte.
Wohl war dort, wo der Bergbaubezirk aus der gemeinen Mark ausgeschieden und für „frei“ erklärt worden, damit für Jedermann, auch den Armen, theoretisch die Möglichkeit gegeben, ein Gewerke zu werden. Aber war dies unter den im vorhergehenden Kapitel beschriebenen Umständen schon für einen weniger besitzenden Burger riskirt, so für einen Besitzlosen thatsächlich unmöglich. Höchstens bot sich hier und da einem Steiger die Aussicht, so hoch emporzuklimmen.
Mit den heutigen Verhältnissen verglichen, war die Lage der Bergknappen zu Anfang des 16. Jahrhunderts allerdings keine ungünstige. Die tägliche Arbeitszeit, die Schichtendauer, betrug nach Agricola (4. Buch) in der Regel 7 Stunden. Die erste Schicht begann um 4 Uhr Morgens und dauerte bis 11 Uhr; die zweite dauerte von 12 bis 7 Uhr. Eine Nachtschicht (von 8 Uhr Abends bis 3 Uhr Morgels) wurde nur in Fällen dringender Noth gestattet. Kein Bergarbeiter darf zwei Schichten nacheinander thun, weil er sonst bei der Arbeit einschläft, „so er ob großer und harter Arbeit ist müd worden.“
Nicht blos an Sonn- und Feiertagen, sondern auch an Sonnabenden wurde gefeiert. Den letzteren Tag sollten die Berghäner benutzen, ihre Lebensbedürfnisse für die Woche einzukaufen. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug also 35 Stunden – sie war noch kürzer, wenn ein Feiertag in die Woche fiel; und an denen war damals kein Mangel. Mitunter gab es aber noch kürzere Schichten, so in Kuttenberg und am Harz sechsstündige. [16]
Ueber die Löhne der Bergarbeiter haben wir in den uns zugänglichen Quellen nähere Angaben nicht gefunden. Wenn wir indeß bedenken, daß die allgemeine Lage der Arbeiter zu Anfang des 16. Jahrhunderts in Bezug auf materielles Wohlleben eine günstigere war als heutzutage, und die Bergarbeiter eine hervorragende Stellung in der Arbeiterbevölkerung einnahmen, dann dürfen wir wohl voraussetzen, daß ihre Löhne relativ gute gewesen sind.
Aber bereits zeigte die Lage der Bergarbeiter wie der Lohnarbeiter überhaupt eine Tendenz zum Niedergang. Wir haben oben gesehen, daß beim Bergbau im 16. Jahrhundert bereits die Trennung von Kopfarbeit und Handarbeit eingetreten war. Das verringerte das Ansehen und das Einkommen Derjenigen, denen die letztere nun einseitig zufiel. Sie wurden leichter ersetzbar, sie hatten weniger zu lernen, die Herstellungskosten ihrer Arbeitskraft waren verhältnißmäßig geringer. Die Arbeitstheilung ging immer weiter und drückte die Lage der Bergarbeiter immer mehr herab.
Ein echter Bergmann sollte gar Vielerlei verstehen, aber selten versteht mehr einer die ganze Kunst, klagt Agricola (1. Buch):
„Gar Wenige wird Einer finden, die des Bergwerks vollkommenlichen Verstand haben. gewöhnlich allein zu schurfen die Erfahrung, der Andere zu waschen, ein Anderer aber verläßt sich auf die Kunst, zu schmelzen, ein Anderer verbirgt die Kunst des Markscheidens, ein Anderer macht künstliche Gebäu, so ist auch ein Anderer des Bergrechts wohl erfahren.“
Bei den verschiedenen Maschinen gab es eine Reihe von Hantierungen, die ein jeder kräftige Mann ohne lauge Anlernung verrichten konnte. Bei der Verarbeitung der Erze wurde vielfach bereits Frauenarbeit, sogar Kinderarbeit verwendet, namentlich beim Klauben und Waschen der Erze, wie wir aus dem achten Buch des Agricola ersehen.
Es wuchs die Zahl der Beschäftigungen bei der Bergarbeit, die Jeder leicht und schnell ohne Vorbereitung erlernte, die einem Jeden mit gesunden Gliedern zugänglich waren.
Was die Ausscheidung der Bergwerke aus der gemeinen Mark juristisch anbahnte, wurde durch die technische Entwickelung der Verwirklichung entgegengeführt, die Zulassung Aller zur Bergarbeit.
An Leuten, die von dieser Zulassung Gebrauch machten, fehlte es nicht, an bankerotten, zu Grunde gerichteten Bauern und an städtischen Proletariern, die ebenso gern, soweit sie nicht Vagabunden oder Landsknechte wurden, in die Gold- und Silberbergwerke Sachsens, Böhmens, Salzburgs und Tirols zogen, wie bankerotte und expropriirte Existenzen seit 1849 nach Kalifornien. Die meisten Bergleute, meint Agricola, verstehen vom Bergwerk nichts. „Denn gemeiniglich laufen diese auf’s Bergwerk, die da viel schuldig seind und nicht zu bezahlen haben; oder Kauflente, die ausgestanden sind; oder vom Pflug der Arbeit halber, die zu verlassen, gelaufen.“
Luther’s Vater, ein Bergmann im Mansfeldischen Bergwerk, war auch ein zu Grunde gegangener Bauer.
Wo ein Silberbergwerk in Betrieb kam, strömte rasch eine große Anzahl von Menschen zusammen. Es entstand 1471, als auf dem Schneeberg in Sachsen reiche Silberadern findig wurden, dort wie durch einen Zaüber eine ganze Stadt. Als 1516 das Bergwerk zu Joachimsthal zur Ausbeute gelangte, sollen mehr als 8.000 Bergleute dort zusammengeströmt sein.
An verfügbaren Arbeitskräften fehlte es also nicht. Kein Wunder, daß die Löhne sanken oder wenigstens, trotz der raschen Preissteigerung im Anfang des 16. Jahrhunderts, nicht stiegen.
Die Gewerken und die landesfürstlichen Beamten halfen dieser Tendenz nach, wo sie nur konnten. Sie drückten nicht nur den Gcldlohn nach Möglichkeit, sondern sie zwackten von diesem noch den Häuern durch die verschiedensten betrügerischen Kniffe ein gilt Theil ab. So z. B. durch Auszahlung in schlechter Münze oder durch das Trucksystem.
So heißt es aus Schneeberg aus dem Ende des 15. Jahrhunderts:
„Als die Schneeberger Silberausbeute sich dergestalt vermehrte, daß das Metall nicht alles vermünzt werden konnte, fingen die Gewerken an, das geschmolzene rolle Silber auswärts zu verführen und um geringhaltigere Münzsorten zu verkaufen, mit welchen sie dann die Bergleute bezahlten oder vielmehr betrogen.“ [17]
Die bereits öfters zitirte Bergordnung Augusts von Sachsen von 1674 hält es für nothwendig, in einem eigenen Artikel (47) zu verordnen, daß die Arbeiter in guter Münze gelohnt werden sollen. Artikel 43 verbietet es den Steigern und Schichtmeistern, Arbeiter in Kost zu nehmen.
Gegen das Trucksystem wurden überhaupt zahllose Verordnungen erlassen, ein Zeichen, wie sehr es im Schwange war. Meist wurde freilich nur das Aufnöthigen von Waaren verboten. So in der Tiroler Bergordnung (Erfinduug) von 1510:
„Daß kein Arbeiter genöthigt oder gedrungen werden soll, Pfenwerth (Waare) zur Bezahlung seines Liedlohns zu nehmen, sondern solches soll in eines jeden freien Willen stehen, und ob ein Arbeiter die Pfenwerth nicht nehmen und um seinen Liedlohn klagen wollt, so sollst Du als unser Bergrichter ihm fürderlich, wie Bergwerksrecht ist, nach Laut der Erfindung, Klag gestatten und Recht ergehen lassen.“
Diese Verordnungeu scheinen jedoch in der Regel auf dem Papier geblieben zu sein. Vergessen wir nicht, daß die landesfürstlichen Beamten auf die Lohnhöhe und die Behandlung der Bergleute entscheidenden Einfluß nahmen, daß es also zu Lohndrückereien und Abzwackereien garnicht ohne ihre Zustimmung hätte kommen können.
Die Arbeiter betrachteten denn auch die Fürsten und ihre Beamten als ebenso große Feinde, wie die Gewerken selbst. Mit den kleinen Gewerken hatten sie sogar viele Berührungspunkte, die sie vereinigten. Das Ideal eines Bergarbeiters bestand wohl darin, selbst einmal ein solcher Gewerke zu werden. Wir haben aber gesehen, wie die Fürsten, ihre Beamten und die großen Kapitalisten die kleinen Gewerken ausbeuteten und übervortheilten, ihnen den Zutritt zu reichen Gruben erschwerten, oft unmöglich machten. Damit schmälerten sie auch die ohnehin geringen Aussichten der Bergarbeiter, je einmal aus dem Proletariat sich zu erheben. Die kleinen Gewerken und die Arbeiter hatten dieselben Gegner in ähnlicher Weise, wie heute die Handwerker und die Proletarier. Dies führte dazu, daß sie sich mitunter vereinigt gegen ihre gemeinsamen Gegner, die Fürsten und die großen Kapitalisten, erhoben. Namentlich in den Alpenbergwerken finden wir diese Verbindung häufig.
Am engsten war diese Verbindung zwischen Arbeitern und Gewerken in Bergwerken, in denen der Kleinbetrieb sich erhalten hatte, z. B. Eisensteinbergwerken. Der Gewerke arbeitete da selbst mit, beschäftigte vielfach gar keine Lohnarbeiter, sondern nur Familienmitglieder in seiner Grube. Aber auch in solchen Bergwerken entwickelte sich oft ein Gegensatz zwischen Arbeitern und Kapitalisten. Wenn z. B. in den Eisensteingruben der Kleinbetrieb sich erhielt, so wurden doch die Eisenhütten zu großen Anlagen mit kapitalistischen Zügen, und die Eisensteingruben geriethen bald in völlige Abhängigkeit von den Hütten, so daß die angeblich selbständigen Eigenlehner, die die Gruben bearbeiteten, ebenso die Lohnsklaven der Hüttenherren wurden, wie etwa heute die „selbständigen“ Griffelmacher des Meininger Oberlaudes die ihrer Verleger.
Die schärfsten Gegensätze zwischen Bergarbeitern und Gewerken bestanden in den Gold- und Silbergruben. Diese unterlagen auch am meisten dem Druck der landesfürstlichen Bureaukratie. Indessen waren gerade in solchen Bergwerken auch die Arbeiter am widerstandsfähigsten.
Die Bergleute waren die einzigen Arbeiter, die schon frühzeitig in Massen zusammenarbeiteten – in dieser Beziehung wie in mancher anderen den Arbeitern der modernen Großindustrie vergleichbar. Schon im Mittelalter wurde die Zahl der Arbeiter in einem großen Bergwerk nach Tausenden berechnet, namentlich in Silberbergwerken, so am Harz, in Freiberg, in Iglau und Kuttenberg [18], später auch im Mansfeldischen [19] u. s. w.
Zum Unterschied von den modernen Arbeitern waren aber diese Bergarbeiter wehrhaft. Noch 1530 wurde Karl V. zu Schwaz (Tirol) von 5.600 wohlbewaffneten Bergleuten empfangen, die vor seinen Augen ein Treffen ausführten.
Von den Mansfeldischen Bergleuten, die in dem thüringischen Aufstand eine besondere Rolle spielten, erzählt uns Spangenberg, es sei über sie 1519 Musterung gehalten worden:
„Graf Gebhart zu Mansfed hat dazumal in Abwesenheit seines Bruders, Grafen Albrechts, so bei Herzog Heinrichen in Braunschweig gewesen, von sein und desselben und zugleich seiner Vettern wegen den Bergleuten anzeigen und befehlen lassen, daß ein Jeglicher mit seiner besten Wehr, wann man sie fordern würde, geschickt und bereit sein sollte. Dazu sie sich freudig und willig erboten, und hat sie der Bergvogt zu Eisleben, Bastian Metzelwitz, den 21. September auf die Breite über Wimmelburg zur Musterung beschieden und allda Heerschauung mit ihnen gehalten und sie nicht übel gerüstet gefunden.“ [20]
In dieseli wehrhaften Arbeiterbataillonen herrschte ein trotziger, kühner Geist, und sie waren bereit, sich jedem Unrecht, das ihnen widerfuhr, mit Gewalt zu widersetzen. Je schroffer der Gegensatz zwischen ihnen und den Kapitalisten und Fürsten wurde, die das Bergwesen beherrschten, desto häufiger wurden ihre Erhebungen. [21] In den Chroniken jener Zeit wurden gerade in den letzten Jahrzehnten und Jahren vor dem Ausbruch des Bauernkriegs ungemein zahlreiche Aufstände der Bergarbeiter gemeldet, ein Zeichen, wie gespannt die Situation war.
Als Beispiel sei der Lohnkämpfe in den sächsischen Bergwerken zu dieser Zeit gedacht.
1478 schrieben die Herzöge Ernst und Albrecht von Sachsen an den Rath von Freiberg:
„Liebe Getreue. An uns ist gelangt, wie die Arbeiter auf dem Schneeberg und allenthalben in unsern Landen und Fürstenthum, da Bergwerk erbaut wird, mehr Lohn fordern, denn ihren gewöhnlich bisher geben worden ist. So ihnen selbiges gestattet, zugelassen und verduldet würde, möcht uns und den unsern merklich Schade zukünftiglich daraus erstehn und erwachsen. Solchen zuvorzukommen, haben wir in Willen und sind gemeint, mit den Bergverständigen unseres Fürstenthums daraus zu bereden, auf daß eine gemeine Satzung, was einem jeglichen Arbeiter nach seinem Verdienst und Arbeit zu geben sei , vorgenommen und gesatzt werden. Darum begehren wir von Euch, Ihr wollet auf Dienstag nach dem Sonntag Oenli bei uns zu Dresden sein, zwei oder drei Bergverständige, die sich auf der Arbeiter Dienst und Lohn verstehen, mit Euch bringen und kommen lassen. Auf den Tag haben wir auch andere mehr von unsern Bergverständigen, aus solcher Ordnung und Satzung zu handeln, vor uns beschieden ... Geben zu Dresden, am Montag nach Reminiscere. Anno Domini 1478.“ [22]
Arbeiter wurden zu den Verhandlungen also nicht beigezogen. Welchen Erfolg diese hatten, wissen wir nicht. Auf keinen Fall dauerte der Friede lange. Bereits aus dem Jahre 1496 heißt es:
„So schlugen sie (die Bergleute) 1496, weil man ihnen einen Groschen an ihrem Hauerlohne abrechnen wollte, Richter und Schöppen zu Schneeberg in die Flucht, während ein Theil vom Berg weg, theils nach Schlettau und auf die Lußnitz, theils nach der Geyer zog, und es mußte der damalige Hauptmann von der Planitz mit Zuziehung des Landvolkes den Schneeberg völlig einnehmen. Doch kehrte ein Theil bereits nach vier Tagen zu seiner Pflicht zurück. Gleichwohl wiederholte sich diese Widersetzlichkeit bereits nach zwei Jahren, so daß sie 1498 den Haspelern und den Jungen geboten, wenn sie nicht in Stücke zerhauen sein wollten, ihnen nachzufolgen, und sich entschlossen, den Zwickauern und Plauischen, welche man gegen sie aufgeboten hatte, entgegen zu ziehen, doch endlich durch gütliches Zureden beruhigt wurden.“ [23]
Im Jahre 1496 empörten sich auch die Kuttenberger Bergleute wegen Lohndifferenzen, zogen gewaffnet aus und schlugen unter Aufpflanzung von Fahnen ihr Lager auf einem benachbarten Berge auf. Indessen mußten sie schließlich nachgeben.
Aus Joachimsthal haben wir Nachrichten über Bergarbeiterbewegungen kurz vor dem Ausbrnch des „Bauernlärms.“
1516 kam das Bergwerk in Aufschwung. In seiner Chronik der freyen Bergstadt im Joachimsthal von 16. Jar an bis auff das 78. Jar, berichtet Matthesius vou einem Aufstand schon aus dem Jahre nach Eröffnung des Bergwerks. 1517 war „das erste Aufstehn der Bergleute, da sie ins Buchholz zogen am Tage Margarethe.“
Aus dem Jahre 1522 wird berichtet „das andere Aufstehn, da man auf den Türkner gezogen.“
Und schon wieder 1524: „das Aufstehn der Bergleute, Sabbato nach Cantate, welches durch Graf Alexander von Leißnick vertragen wird.“
Indessen entsprang aus allen diesen Kämpfen bei den Bergarbeitern ebensowenig als bei den Handwerksgesellen eine in ihren Zielen revolutionäre Bewegung.
Ist auch der Bergbau im 15. und 16. Jahrhundert technisch und ökonomisch viel mehr entwickelt gewesen, als irgend ein anderer Produktionszweig jener Zeit, war er auch der kapitalistischen Großindustrie am nächsten gekommen, so sind doch nicht seine Arbeiter die Leiter und Vorkämpfer des Proletariats geworden.
Die Ursache davon suchen wir in dem Charakter des Bergbaues. Er isolirte seine Arbeiter in unwegsamen Gebirgsthälern [24], fern vom Weltverkehr, fern von den Anregungen der Handelsmittelpunkte. Er sonderte sie ab von ihren Berufsgenosseu in anderen Gegenden, er sonderte sie ab von den übrigen ausgebeuteten und unterdrückten Volksschichten, er verengte ihren Horizont oder hinderte wenigstens seine Erweiterung, und beschränkte ihr Interesse auf die kleinlichsten lokalen und beruflichen Angelegenheiten.
Wohl waren sie ausgebeutet und unzufrieden, wohl scheuten sie sich nicht, ihr Recht mit den Waffe in der Hand zu behaupten, wohl zeigten sie sich bereit, sich einer revolutionären Bewegung anzuschließen, ja, ihr voranzugehen, aber nur dann, wenn ihre beschränkte Augenblicksinteressen gerade mit dem Interesse der Gesammtbewegung zusammenfielen. Sie ließen diese und deren Führer unbedenklich im Stich, sobald man ihren besonderen Augenblicksinteressen genügte, sobald man sie in Bezug auf Lohn- und Arbeitsverhältnisse befriedigt hatte.
Dank ihrer Abgeschlossenheit haben die Bergarbeiter den zünftigen Partikularismus fast noch schärfer entwickelt, als die städtischen Handwerksgesellen, sie haben ihn am längsten bewahrt, bis in unsere Zeit.
1. Schon in der Steinzeit finden wir einen ausgedehnten Handel von Horde zu Horde mit Waffen und Schmuck oder Materialien, die zu deren Herstellung dienten. In Skandinavien, Deutschland, der Schweiz, Frankreich, England und Italien finden sich Steinäxte aus dem sich trefflich eignenden Nephrit, einem Gestein, das sich bis jetzt in Europa nicht hat finden lassen, das also wahrscheinlich aus Asien importirt wurde, wo es in größeren Mengen vorkommt. In Frankreich, halbwegs zwischen Tours und Poitiers, findet sich Massenhaft guter Feuerstein von honigartiger Farbe und gleichmäßigem Kern. Bei Pressiguy-le-Grand entdeckte Dr. Leveillé die Reste eines Werkplatzes, von dem aus ein weites Gebiet mit Werkzeugen aus diesem Feuerstein versorgt wurde. Durch ganz Frankreich und Belgien, auch in der Schweiz, findet man Feuersteinwerkzeuge aus dieser Gegend, die durch ihre eigenthümliche Farbe leicht kenntlich sind. In Amerika findet man in den Grabhügeln der Ureinwohner des Mississippithales nebeneinanderliegend Kupfer vom Oberen-See, Glimmer aus den Alleghanies, Muscheln vom mexikanischen Golf und Obsidian aus Mexiko. (Lubbock, Die vorhistorische Zeit, Jena 1874, I., S. 74, 77, 187.)
2. H. Achenbach, Das gemeine deutsche Bergrecht in Verbindung mit dem preußischen Bergrecht &c. dargestellt, Bonn 1871, S. 71.
3. Otto Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Berlin 1868, I., S. 443.
4. Bei diesen Idealantheilen am Bergwerk spielt die Zahl 4 eine große Rolle. Nach der Kuttenberger Bergordnung scheint es unzweifelhaft, daß das Bergbaurecht ursprünglich in 4 Idealantheile getheilt wurde, wenn mehrere an dessen Ausbeutung sich betheiligten. Später machte man 8, 16, 32, endlich 4 × 32 = 128 Kuxe daraus, welche Zahl dann zur Regel wurde. Zum ersten Mal finden wir sie angedeutet in einer Urkunde von 1327; aber zu Freiberg ist die Ausbeute erst von 1698 nach 128 Kuxen vertheilt worden. (vgl. Achenbach, a. a. O., S. 291)
5. Wir haben die deutsche, trefflich illustrirte Ausgabe benutzt: Vom Bergwergk XII Bücher, darin alle Empter, Instrument, Gezeuge vnd alles zu disem handel gehörig, mitt schönen Figuren vorbildet vnd klärlich beschriben sindt, erstlich in Lateinischer sprach durch den Hochgelerten vnd Weittberümpten Herrn Georgium Agricolam, Doctorn vnd Bürgermeistern der Churfürstlichen statt Kempnitz, jetzund aber verteutscht durch den Achtparen vnd Hochglerten Herrn Philippum Bechium, Philosophen, Artzet vnd der Loblichen Vniversität zu Basel Proffessoren, Basel 1557, S. 73.
6. Der Braunkohlenbergbau unter dem Erzgebirge war bis in die Mitte unseres Jahrhunderts zu wenig rentabel, um den Großbetrieb zu ermöglichen. Nur keine Bergwerke, oft mir Tagebaue cxistirten dort, in denen der Gewerke selbst mit Weib und Kind Kohle förderte; die Grubenarbeit fand in der Regel nur im Winter statt, wenn die landwirthschaftliche Arbeit ruhte. Die Gewerken waren meist Bauern. (Vgl. Braf, Studien über nordböhmische Arbeiterverhältnisse, Prag 1881, S. 4.) – Der Griffelschiefer im Meininger Oberland wird heute noch in der primitivsten Weise gewonnen.
„... Ueberall besteht der Betrieb in der Anlage zahlreicher Löcher auf Punkten, wo möglichst nahe an der Oberfläche der beste und am leichtesten zu bearbeitende Griffelstein gewonnen werden kann. Dort geht man diesen bestqualifizirten Gesteinspfeilern nach, lagert den Schutt möglichst nahe an dem Gewinnungsort, und läßt die Arbeit wieder liegen, sobald entweder der Griffelstein durch irgend eine der zahlreichen Störungen des Lagers verworfen ist, oder das Loch wegen sehr unvonkommener oder gänzlich fehlender Wasserführung ersäuft.“
Der Betrieb erfolgt durch kleine Pachtgellschaften von Griffelarbeitern, die in den Brüchen ihr Rohmaterial selbst fördern. (E. Sax, Die Hausindustrie in Thüringen, Jena 1882, I., S. 70.) In ähnlicher Weise haben wir uns wohl ursprünglich jeden Bergwerksbetrieb vorzustellen.
7. Johann Matthesins, Bergpostilla oder Sarepta ... Sampt der Joachimsthalischen kurtzen Chroniken biß auffs 1578 Jar, Nürnberg 1578. Das Buch ist eine Sammlung von Predigten, die von 1553–1562 gehalten worden.
8. Scheibe zum Bremsen. Vgl. Agricola.
9. Die „Pumpenberg“ heißen bei Agricola lateinisch Fibulae, Bolzen (?). Dieser beschreibt im 6. Buch seines Werkes drei Arten von Gezeugen, die mit Eimern das Wasser schöpfen, sieben Arten Pumpen, und sechs Arten „Gezeuge, die mit Stangen Wasser schöpfen“, wie Paternosterwerke und dergleichen, also nicht weniger als 16 Arten von Wasserhebmaschinen.
10. Sollte hier eine seitdem wieder in Vergessenheit gerathene Art Dampfmaschine gemeint sein?
11. Es ist hier das Feuersetzen gemeint. Man entzündete ein Feuer vor dem Gestein, das dadurch mürbe gemacht wurde und zerbröckelte. Ohne gute Ventilation ging das natürlich nicht.
12. Ein Lachter ist ungefähr gleich zwei Meter. Also über einen Kilometer tief drang man damals schon in die Erde ein.
13. Die Antheile (Kuxe) waren nicht immer für klein Leute erschwingbar. In manchen Zechen Joachimsthals wurde ein Kux um tausend Joachimsthaler verkauft, damals eine bedeutende Summe. (Matthesius, S. 18.)
14. Artikel 1 der Bergordnung August’s von Sachsen von 1574 verspricht den Gewerken, daß ihre Theile nicht wieder konfiszirt werden sollen, wie so oft geschehen. Ein nettes offizielles Geständniß.
15. „Die Augsburger Fugger bezogen allein aus den ihnen in Versatz gegebenen Bergwerken zu Schwaz in Tyrol alljährlich 200 000 fl. die Gesellschaft der Augsburger Höchstetter erbeutete in diesen Bergwerken zwischen 1511 bis 1517 nicht weniger als 149.770 Mark Brandsilber und 52.915 Zentner Kupfer.“ (J. Janssen, Geschichte des deutschen Volkes, II., S. 390)
16. Vgl. den sehr instruktiven Artikel von H. Achenbach, Die deutschen Bergleute der Vergangenheit, in der Zeitschrift für Bergrecht, herausgegeben von Brassert und Achenbach, Bonn, XII. Jahrgang, 1871, S. 110.
17. E. Herzog, Chronik der Kreisstadt Zwickau, I., S. 201.
18. Achenbach, Die deutschen Bergleute der Vergangenheit.
19. „Die Bergleute im Mansfeldischen Bergwerk“, sagt Bieringen, „kriegen meist alle 14 Tage die richtige Zahlung in dem Bergamt in Eisleben, da vor Zeiten alle Lohntage in die 18–20.000 Thalern denen Bergleuten, Köhlern, Bergbedienten &c. ausgetheilet worden.“ Johann Alberti Bieringens S. S. Theol. Cultor. und Mannßfeldischen Landes-Kindes Historische Beschreibung des sehr alten und löblichen Mannßfeldischen Bergwerks, Leipzig und Eißleben 1748, S. 83.
20. Cyriacus Spangenberg, Sächsische Chronica, Frankfurt a. M. 1536.
21. Neben den eigentlichen Bergarbeitern scheinen namentlich die Bergschmiede ein trotziges Vö1kchen gewesen zu sein. Vor Alters waren in der Nähe wichtiger Bergbaupunkte Bergschmiede angesiedelt, welche die bergmännischen Werkzeuge (Gezähe) und eisernen Grubengeräthschaften anzufertigen hatten. Bereits die (um das Jahr 1300 erlassene) Kuttenberger Bergordnung (I. c. 16) handelt ausführlich von den Bergschmieden, bezeichnet sie als die Hauptunruhestifter auf den Bergwerken und empfiehlt den Schmiedemeistern die sorgfältige Auswahl solcher Gesellen, „die sich weder an Versammlungen oder Verschwörungen oder staatsgefährlichen Bestrebungen (contra nostram rempublicam aliquibus machinationibus) betheiligen.“ (Achenbach, Das deutsche Bergrecht, I., S. 204.)
22. Abgedruckt bei Klotzsch, Ursprung der Bergwerke in Sachsen, S. 87.
23. Benseler, Geschichte Freibergs und seines Bergbaues, Freiberg 1843, I., S. 389.Vgl. Herzog, Chronik von Zwickau, II., S. 158.
24. Manche der alten Goldbergwerke in den Tauern befanden sich in der Gletscherregion.
Zuletzt aktualisiert am: 17.2.2011