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„LEO TROTZKI dachte 1905 logischer und konsequenter als die Bolschewiki und Menschewiki. Aber die Fehler seiner Schlussfolgerungen bestanden darin, daß er ‚zu konsequent’ war. Das von ihm damals gezeichnete Bild entsprach genau der bolschewistischen Diktatur in den ersten drei Jahren der Oktoberrevolution, die, wie bekannt in eine Sackgasse geriet, indem sie das Proletariat von der Bauernschaft losriß; infolgedessen war die bolschewistische Partei gezwungen, sehr weit zurückzugehen.“ (MARTYNOW in der „Krasnaja Nowj“, 1923, Nr. 2, S. 262. Zitiert von L. Trotzki, „Wer leitet heute die Kommunistische Internationale?“, Berlin-Wilmersdorf 1930, S. 23-24.)
„Am 16. November 1927 setzte sich JOFFE eine Pistole an die Schläfe und erschoß sich. Er hinterließ, neben sich auf dem Tisch liegend, einen Brief an Trotzki, in dem er seine Tat erklärte.“
In diesem Brief Adolf Joffes an L. Trotzki heißt es: „Wäre ich gesund genug, so würde ich auch die Kraft und die Energie finden, gegen die in der Partei entstandene Lage anzukämpfen. Aber in meinem gegenwärtigen Zustand kann ich es nicht ertragen, daß die Partei stillschweigend Ihre Ausschließung aus ihren Reihen duldet, obgleich ich fest davon überzeugt bin, daß früher oder später eine Krisis kommen wird, die die Partei zwingt, die Schänder ihrer Ehre davonzujagen. In diesem Sinne ist mein Tod ein Protest gegen diejenigen, die die Partei soweit gebracht haben, daß sie sich nicht einmal mehr gegen eine solche Schmach wehren kann. ... Lieber Leo Davidowitsch, wir sind durch zehn Jahre gemeinsamer Arbeit und, wie ich hoffe, persönlicher Freundschaft verbunden und das gibt mir das Recht, Ihnen im Augenblicke des Abschieds sagen zu dürfen, was mir als Schwäche an Ihnen erscheint.
Ich habe nie daran gezweifelt, daß der von Ihnen vorgezeichnete Weg der richtige ist, und ich bin, wie Sie wissen, seit mehr als zwanzig Jahren, seit dem Beginn der ‚ewigen Revolution’ (permanenten Revolution, Huhn), auf Ihrer Seite gewesen. Aber ich war auch immer der Ansicht, daß es Ihnen an einem fehle, an der Unbeugsamkeit, der Unnachgiebigkeit LENINs, an seinem Entschluß, im Notfalle allein bei seinem begonnenen Werk zu bleiben und nicht von dem eingeschlagenen Wege zu weichen, weil er sicher war einer zukünftigen Mehrheit, einer zukünftigen Anerkennung der Richtigkeit seines Weges; Sie haben von 1905 an politisch immer Recht gehabt, und auch Lenin gab zu – ich erzählte Ihnen ja oft, daß ich es mit eigenen Ohren von ihm hörte –, im Jahre 1905 seien Sie und nicht er im Recht gewesen. Im Angesicht des Todes lügt man nicht, und ich wiederhole es Ihnen heute.“ (Aus: Leo Trotzki, „Die wirkliche Lage in Rußland“, übersetzt von WILHELM CREMER, autorisierte Ausgabe, 8.-12. Tausend. Avalun-Verlag, Hellerau bei Dresden, o.J., Anhang: „Dokumente“, S. 259-265.)
„Ich muß hier noch eine Tatsache unterstreichen, nämlich daß das Problem der sozialistischen Revolution sofort objektiv vor den Bolschewiken stand. Lenin hat keineswegs die sozialistische Revolution aus dem Ausland in seinem Kopf mitgebracht. Im Gegenteil, wir haben ein Dokument, das zeigt, wie Lenin in der Schweiz, solange genauere Nachrichten über die Vorgänge in Petersburg und Rußland fehlten, solange die Zeitungslügen ihn von diesen Vorgängen trennten, selbst nicht weiter ging als bis zum Abschluß der bürgerlichen Revolution. Dieses Dokument ist sein Brief an die Schweizer Arbeiter, den er wenige Tage vor der Abreise aus der Schweiz geschrieben hatte. Dort sagt er geradezu, daß Rußland das kleinbürgerlichste Land Europas ist und natürlich nicht zum unmittelbaren Schauplatz der sozialistischen Revolution werden kann, aber er hofft, daß die demokratische Revolution in Rußland einen Anstoß für die sozialistische Revolution im Westen geben wird. Das ist das landläufige Schema, das man von MARX, ENGELS u. a. ab bis PLECHANOW und ROSA LUXEMBURG finden kann. Und erst in Stockholm, wo er unmittelbare Teilnehmer der russischen Revolution sah und hörte, was in Rußland wirklich vorging, skizzierte er seine berühmten (April-, Huhn) Thesen, in denen die sozialistische Revolution enthalten ist.“ (Aus: M. POKROWSKI, „Russische Geschichte von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1917“, übersetzt von A. MASLOW, Büchergilde Gutenberg, Berlin 1930, S. 326.)
„2. Die Eigenart der gegenwärtigen Lage in Rußland besteht in dem Übergang von der ersten Etappe der Revolution, die infolge des ungenügend entwickelten Klassenbewußtseins und der mangelhaften Organisiertheit des Proletariats die Bourgeoisie an die Macht brachte, zur zweiten Etappe, die die Macht in die Hände des Proletariats und der armen Schichten der Bauernschaft legen muß. ...
5. Nicht parlamentarische Republik – eine Rückkehr von den Arbeiterdeputiertenräten zu dieser wäre ein Schritt rückwärts –, sondern eine Republik von Arbeiter-, Landarbeiter- und Bauerndeputiertenräten im ganzen Lande, von unten bis oben.
8. Nicht ‚Einführung’ des Sozialismus als unsere unmittelbare Aufgabe, sondern einstweilen nur sofortige Übernahme der Kontrolle der gesellschaftlichen Produktion und Verteilung der Erzeugnisse durch den Arbeiterdeputiertenrat.“ (Aus: W. I. Lenin, „Die Bolschewiki und die Machtergreifung 1917“, Teil I, herausgegeben von ALEXANDER EMEL, Berlin '30, Bd. 27 der „Elementarbücher des Kommunismus“, S. 39-41.)
„Die Politik STALINs in der ‚Prawda’ entsprach den alten überlebten Grundsätzen des Bolschewismus, nicht aber den Anforderungen des Augenblicks. Zur selbständigen Änderung des Parteiprogramms waren weder Stalin noch KAMENEW geneigt oder fähig. Der Sieg der Revolution, der Sturz des Zaren verwirrten die Köpfe der alten Bolschewiki, Eine neue schlagfertige Parole bildete sich nicht, und die Politik STALINs lief sich tot zwischen theoretischem Bolschewismus und praktischem Menschewismus. Ohne es selbst zu fühlen, geriet Stalin in das Fahrwasser der menschewikischen Phraseologie. Seine Politik wurde zur Halbheit. ...
Die ganze theoretische Unbeholfenheit Stalins offenbarte sich in diesen Tagen, fassungslos stand er den Weltproblemen gegenüber, die sich plötzlich vor ihm auftaten. ... Die bolschewistische Partei blieb in den ersten zwei Monaten der Revolution im Hintergrund. Auch die Menschewiki entfalteten eine kräftige Propaganda, die geschickter und erfolgreicher war als Stalins armselige Bemühungen, das alte Programm zur Geltung zu bringen. Trotz zeitweiliger Triumphe sank die Auflage der ‚Prawda’, und die Soldaten, die eben noch begeistert KAMENEW zugehört hatten, jubelten im nächsten Augenblick schon mit viel größerem Enthusiasmus KERENSKI und den Menschewiki zu. Der weitere Kampf schien aussichtslos. Petersburg war weder Kaukasus noch Sibirien. Hier saßen die besten Köpfe Rußlands, und der Kampf, den sie gegen den, wie sie sagten, stumpfen, ungeistigen Bolschewismus führten, war geschickt und unermüdlich.
Der Geist der irrsinnigen, phantastischen Stadt Petersburg begann Stalin zu lähmen. ... Verzweiflung bemächtigte sich der bolschewistischen Führer. Immer höher stieg der Ruhm Kerenskis, ... trotz der günstigen Symptome schienen die Ziele des Bolschewismus inmitten der bürgerlichen Revolution unerreichbar. An einem trüben Petersburger Abend, nach fruchtlosen Reden im Sowjet, nach einer Feststellung des katastrophalen Sinkens der Auflage der ‚Prawda’, wurde vom Petersburger Postamt ein kurzes Telegramm nach Zürich an Lenin abgeschickt. ‚Die Lage ist trostlos, der Bolschewismus sinkt, weitere Arbeit zwecklos.’ Unter dem Telegramm standen zwei Unterschriften: Stalin, Kamenew. Die Antwort Lenins kam am 16. April; diese Antwort war der Eisenbahnwagen, der an jenem Tag im Finnländischen Bahnhof zu Petersburg einlief und ... Wladimir Lenin aus der langjährigen Emigration in die Heimat brachte. ... Stalin und Kamenew empfingen den Führer. ...
Lenin trat aus dem Bahnhof, vor dem Ausgang, von dichter Menschenmenge umgeben, stand ein Panzerwagen. Vom Dache des Panzerwagens rief Lenin der Menge die unerhörten Worte zu: ‚Es lebe die soziale Revolution! Alle Macht den Sowjets! Raubt das Geraubte!’ ... Mit der Ankunft Lenins endete die kurze Machtstellung Stalins.“ (Aus: ESSAD BEY, „Stalin. Eine Biographie.“ Berlin 1931, S. 237-240.)
„Lenins Rede auf dem Finnländischen Bahnhof über den sozialistischen Charakter der russischen Revolution schlug bei vielen leitenden Parteiführern wie eine Bombe ein. Die Polemik zwischen Lenin und den Anhängern der ‚Durchführung der demokratischen Revolution’ begann am selben Tage.“ (Aus: Trotzki, „1917. Die Lehren der Revolution.“ Herausgegeben von PAUL LEVI. Berlin 1925, S. 32.)
„In der gestrigen Nummer der ‚Prawda’ veröffentlichte Genosse Lenin seine ‚Thesen’. Sie stellen die persönliche Meinung des Genossen Lenin dar, ... Was das allgemeine Schema des Genossen Lenin anbelangt, so halten wir es für unannehmbar, insoweit es davon ausgeht, daß die bürgerlich-demokratische Revolution abgeschlossen sei, und insoweit es auf die sofortige Umwandlung dieser Revolution in eine sozialistische berechnet ist. Die Taktik, die sich aus einer solchen Beurteilung ergibt, ist ganz verschieden von der Taktik, die die Vertreter der ‚Prawda’ auf dem Allrussischen Kongreß verteidigt haben, sowohl gegen die offiziellen Führer des Sowjets als auch gegen die Menschewiki, die den Sowjet nach rechts schleppen wollten.
Wir hoffen, in der breiten Diskussion unserem Standpunkt Geltung zu verschaffen, als dem für die revolutionäre Sozialdemokratie einzig möglichen, wenn sie die Partei der revolutionären proletarischen Massen, die sie sein muß, bleiben und nicht zu einer Gruppe kommunistischer Propagandisten werden will.“ (In der ‚Prawda’ Nr. 27 vom 21. (8.) April 1917; zitiert nach Alexander Emel, a.a.O., S. 44-45.)
„Die Mitarbeiter der russischen und ausländischen Parteipresse haben in Hinsicht auf mein Buch ‚Krieg und Revolution’ wohl hundertmal darauf hingewiesen, daß, wenn man meine Arbeit während des Krieges im ganzen betrachtet, man erkennen muß, daß meine Meinungsverschiedenheiten mit Lenin von sehr nebensächlicher Art waren und ich mich als ein entschiedener Revolutionär immer mehr – und zwar nicht nur in Worten, sondern auch in Taten – zum Bolschewismus hin entwickelt habe.“ (Aus: Leo Trotzki, „Die wirkliche Lage in Rußland“, a.a.O., S. 165-166.)
„Ich kam nach Petrograd aus einem kanadischen Gefängnis Anfang Mai 1917, am zweiten Tage nach dem Eintritt der Menschewisten und Sozialrevolutionäre in die Koalitionsregierung.“ (ebd., S. 164)
„Auf der Durchreise durch Finnland erhielt ich die "ersten neuen russischen Zeitungen mit Telegrammen über den Eintritt ZERETELLIs, SKOBELEWs und anderer ‚Sozialisten’ in die provisorische Regierung. Die Situation war damit völlig klar. Mit den April-Thesen Lenins machte ich mich am zweiten oder dritten Tag nach meiner Ankunft in Petersburg vertraut. Das eben war es, was die Revolution brauchte.“ (Aus: Leo Trotzki, „Über Lenin. Material für eine Biographie.“ Berlin 1924, S. 59.)
„Bei meiner Ankunft in Petrograd oder vielmehr auf der Grenzstation erfuhr ich von den uns entgegengesandten Genossen, daß in Petersburg eine Organisation von revolutionären Internationalisten (den sogenannten Meschrajontzi) bestehe, die die Frage einer Vereinigung mit den Bolschewisten erwögen, aber mit ihrer Entscheidung doch bis zu meiner Ankunft warten wollten. In dem Stab der Meschrajontzi-Organisation, die etwa dreitausend Petrograder Arbeiter umfaßte, befanden sich URITZKI, A. Joffe, LUNATSCHARSKI, JURENEW, KARACHAN, WLADIMIROW, MANUILSKI, POSERN, LITWENS und andere.“ (Aus: Trotzki, „Die wirkliche Lage in Rußland“, a.a.O., S. 167/168.)
„Mit dem Genossen Kamenew verabredete ich für einen der nächsten Tage nach meiner Ankunft einen Besuch in der Redaktion der ‚Prawda’. Das erste Wiedersehen muß am 5. oder 6. Mai stattgefunden haben. Ich sagte zu Lenin, daß mich nichts von seinen April-Thesen und von dem ganzen Kurs, den die Partei nach seiner Ankunft eingeschlagen hatte, trenne und daß ich vor der Alternative stünde, entweder sofort ‚individuell’ in die Parteiorganisation einzutreten oder zu versuchen, den besten Teil der ‚Vereiniger’ mitzubringen, deren Organisation in Petersburg gegen dreitausend Arbeiter zählte und mit denen eine Menge wertvoller revolutionärer Kräfte waren: Uritzki, A. Joffe, Lunatscharski, Jurenew, Karachan, Wladimirow, Manuilski, Posern, Litwens. ANTONOW-OWSEJENKO war damals schon in die Partei eingetreten; ich glaube auch SOKOLNIKOW. Lenin sprach sich weder für das eine noch für das andere kategorisch aus... Infolge eines stillschweigenden Übereinkommens forcierte auch ich meinerseits die natürliche Entwicklung der Ereignisse nicht. Unsere politische Linie war die gleiche.“ (Aus: Trotzki, „Über Lenin“, a.a.O., S. 60.)
„Nur mühsam hat Lenin gegen den Widerstand der alten Bolschewiki von der Art Kamenews der Partei dieses Programm (der April-Thesen, Huhn) aufgezwungen. Kamenew war der Meinung, daß eine sozialistische Arbeiterpartei, wenn sie ohne jede Koalition, im Kampf mit allen anderen Parteien und Richtungen die Macht erobert, auch nur eine sozialistische Revolution durchführen könne. Den Versuch, in dem russischen Agrarland sofort auf die sozialistische Revolution loszusteuern, hielt er im Einklang mit der bisherigen bolschewistischen Lehre für abenteuerlich. Lenin hat auf das entschiedenste bestritten, daß er in Rußland den Sozialismus einführen wolle. Es hielt Kamenew entgegen, daß die revolutionär-demokratische Diktatur der Arbeiter und Bauern bereits real in den Räten vorhanden sei und nicht in einer schleierhaften künftigen Koalition der sogenannten demokratischen Parteien. Also sei die wahre bolschewistische Tagesparole: Alle Macht den Räten!
Dennoch waren die Befürchtungen der alten Bolschewisten nicht unbegründet, und es ist bezeichnend, daß gerade damals Trotzki sich der bolschewistischen Partei anschloß. Er faßte die Situation genau so auf wie Kamenew, nur zog er daraus die umgekehrten Folgerungen: Wenn Lenin so rücksichtslos die zweite Revolution vorbereitete, bei der die Bolschewiki unter Ausschaltung aller kleinbürgerlichen und bäuerlichen Demokraten allein die Macht übernehmen sollten, so war dies in Wirklichkeit das sozialistische Ziel, ganz gleich, welche Formulierungen Lenin immer noch in seinen Thesen gebrauchte. Dann war zwar nicht in den Worten, aber in der Sache Lenin mit Trotzki einig. So konnte Trotzki im Sommer 1917 Bolschewik werden. Er gab dabei von seinen grundsätzlichen Überzeugungen nichts auf, sondern er sah in Lenins Taktik seit dem März 1917 eine Annäherung an die alten trotzkischen Lehren.
Trotzki brachte zwar den Bolschewisten keine nennenswerte Zahl von Anhängern mit, aber dafür seine eigene revolutionäre Persönlichkeit, die sich in den kommenden kritischen Zeiten so glänzend entfalten konnte. Je mehr Widerstand Lenin bei den altbolschewistischen Führern wie Kamenew und SINOWJEW fand um so enger schloß er sich an Trotzki an, in dessen unerschütterlicher Tatkraft er seine beste Stütze erblickte. Stalin war damals noch ein bolschewistischer Funktionär durchaus zweiten Grades. Die gemeinsame revolutionäre Arbeit Lenins und Trotzkis ließ die theoretische Meinungsverschiedenheit zwischen Bolschewismus und Trotzkismus zunächst zurücktreten.“ (Aus: ARTHUR ROSENBERG, „Geschichte des Bolschewismus“, Berlin 1932, S. 96.)
„Am 16. Oktober wurde ein kriegs-revolutionäres Komitee als legales Sowjetorgan des Aufstandes gegründet. Der rechte Flügel der Partei war bestrebt, den Gang der Ereignisse aufzuhalten. Der Kampf der verschiedenen Tendenzen innerhalb der Partei und der Kampf der Klassen tritt in die entscheidende Phase ein. Die Stellung des rechten Flügels der Partei wird vor allem am vollständigsten und auch am prinzipiellsten beleuchtet in einem Brief ‚Zur gegenwärtigen Lage’, der die Unterschrift Sinowjews und Kamenews trägt. In dem Briefe, der am 11. Oktober, d.h. zwei Wochen vor dem Umsturz geschrieben und an die wichtigsten Parteiorganisationen versandt wurde, wird entschieden gegen den bewaffneten Aufstand aufgetreten.“ (Aus: Trotzki, „1917“, a.a.O., S. 45.)
„In der Parteileitung war die Gruppe Sinowjew-Kamenew gegen den Aufstand, als dessen Folge sie immer noch die Isolierung der Bolschewiki und ein sozialistisches Abenteuer mit katastrophalem Ausgang sah. Aber mit Hilfe Trotzkis setzte Lenin seine Meinung durch. Am 10. Oktober (23. 10. nach dem neuen Kalender, Huhn) fand die entscheidende geheime Sitzung der Parteizentrale in Anwesenheit Lenins statt. Es wurde mit allen gegen zwei Stimmen eine Resolution angenommen, wonach das einzige Mittel, um die Revolution in Rußland zu retten, der Aufstand sei, mit dem Ziel, die ganze Regierungsgewalt in die Hände der Sowjets zu übergeben. Damit war die Partei festgelegt.“ (Aus: Arthur Rosenberg, „Geschichte des Bolschewismus“, a.a.O., S. 109.)
„Lenin vertrat den Standpunkt, daß die Machtergreifung notwendig sei, um nicht die Führung über die Elementarkräfte der Revolution, die bereits in anarchistischen Formen nach ihrer Entladung strebten, zu verlieren. Sei dies geschehen, sagte er, so werde es möglich sein, das alte Heer zu demobilisieren, die Liquidierung der Landgüter vorzunehmen und schließlich mit der Sozialisierung der wichtigsten Industrien zu beginnen. ...
Lenins Ansicht drang durch. Auf einer Geheimsitzung des Zentralkomitees der bolschewistischen Partei um die Oktobermitte wurde beschlossen, die Petrograder Arbeiter, die Garnison der Stadt und die Kronstädter Matrosen anzuweisen, die Regierung Kerenskis zu verhaften und den bevorstehenden II. Sowjetkongreß als Träger der höchsten Gewalt in der Republik zu erklären. Die Würfel waren gefallen.“ (Aus: M. PHILIPS PRICE, Korrespondent des „Manchester Guardian“, „Die russische Revolution. Erinnerungen aus den Jahren 1917-1919“, Hamburg 1921, S. 173.)
„Die Bolschewiki haben die russische Revolution nicht gemacht, sondern Lenin und Trotzki erkannten, daß um zwölf Uhr die große anarchische Revolte kommen würde. Da haben sie fünf Minuten vor zwölf den bolschewistischen Aufstand proklamiert und so den Eindruck geschaffen, als sei das ungeheure Ereignis um zwölf Uhr durch ihren Befehl entstanden. So gewannen sie die Autorität, um Rußland weiterzuführen.“ (Aus: Arthur Rosenberg, „Geschichte des Bolschewismus“, a.a.O., S. 101.)
„Bei uns im Zentralkomitee und bei den Spitzen der Partei – schrieb er (Lenin, Huhn) am 29. September (alten Datums, Huhn) – herrscht die Strömung und die Meinung, lieber den Sowjetkongreß abzuwarten, als die Macht sofort zu ergreifen. Diese Strömung und Meinung muß bekämpft werden,“ Anfang Oktober (alten Datums, Huhn) schreibt Lenin: „Zögern ist ein Verbrechen, den Sowjetkongreß abwarten ein kindisches Spiel mit dem Formalismus, ein Verrat der Revolution.“ (Aus: Trotzki, „1917“, a.a.O., S. 59.)
„Am 3. (November, neueren Datums, Huhn) fand, ebenfalls hinter verschlossenen Türen, eine weitere, historisch bedeutungsvolle Sitzung der bolschewistischen Führer statt. Von SALKIND in Kenntnis gesetzt, wartete ich im Korridor an der Tür und als WOLODARSKI kam, hörte ich von ihm, was vorging. Lenin redete: ’Der 6. November ist zu zeitig. Wir benötigen für die Erhebung eine allrussische Basis. Am 6. November werden noch nicht alle Delegierte des Kongresses erschienen sein. Der 8. November wäre dagegen zu spät. Bis dahin wird der Kongreß sich konstituiert haben, und für eine umfangreiche, organisierte Körperschaft ist es schwer, schnell und entscheidend zu handeln. Wir müssen am 7. in Aktion treten, wenn der Kongreß zusammentritt, damit wir ihm sagen können; 'Hier ist die Macht. Was denkt ihr damit zu tun?’„ (Aus: JOHN REED, „Zehn Tage, die die Welt erschütterten“, 3. Aufl., Hamburg 1922, S. 39-40.)
„Unter diesen Umständen fand Ende September oder Anfang Oktober (alten Datums, Huhn) die berühmte Nachtsitzung des Zentralkomitees in der Wohnung der SUCHANOWs statt. Lenin kam dorthin, fest entschlossen, diesmal einen Beschluß durchzusetzen, in dem es für Zweifel, Schwanken, Hinausziehen, Passivität und Abwarten keinen Platz mehr gab. Jedoch, noch bevor er die Gegner des bewaffneten Aufstandes angriff, begann er, auf die zu wettern, die den Aufstand mit dem II. Rätekongreß in Verbindung brachten. Irgend jemand hatte ihm meine Worte berichtet: ‚Wir haben bereits den Aufstand auf den 25. Oktober festgesetzt.’ Ich hatte diesen Satz tatsächlich einige Male gegen jene Genossen gebraucht, die den Weg der Revolution im Vorparlament und in einer ‚nachdrücklichen’ bolschewistischen Opposition in der konstituierenden Versammlung suchten. ‚Wenn der in seiner Mehrheit bolschewistische Rätekongreß’, sagte ich, ‚die Macht nicht ergreift, so verurteilt sich der Bolschewismus selbst zur Auflösung. Es wird dann aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht zur Einberufung der konstituierenden Versammlung kommen. Wenn wir nach all dem Vorangegangenen den Rätekongreß mit einer vorher gesicherten Mehrheit für uns einberufen, so verpflichten wir uns damit öffentlich, die Macht nicht später als am 25. Oktober zu ergreifen.’ Wladimir Iljitsch zog schrecklich über dieses Datum her. Die Frage des II. Rätekongresses, sagte er, interessiere ihn überhaupt nicht. Was für eine Bedeutung der Kongreß habe? Ob er überhaupt noch zustande komme? Und was der Kongreß selbst in diesem Falle tun könne? Die Macht müsse man ergreifen, nicht sich aber an den Rätekongreß binden. Es sei lächerlich und albern, dem Feinde den Tag des Aufstandes anzukündigen. Bestenfalls könne der 25. Oktober eine Maskerade werden, der Aufstand aber müsse unbedingt vorher und unabhängig vom Rätekongreß ins Werk gesetzt werden. Die Partei habe die Macht mit bewaffneter Hand zu ergreifen, und dann würden wir uns über den Rätekongreß unterhalten. ... ‚Auf jeden Fall’, erklärte Lenin nachdrücklich, ‚muß die Eroberung der Macht dem Rätekongreß vorangehen, sonst wird man euch auseinanderjagen, und ihr bekommt überhaupt keinen Rätekongreß zustande.’“ (Aus: Trotzki, „Über Lenin“, a.a.O., S. 77-79.)
„Als die Mehrheit des Petersburger Sowjets in die Hände der Bolschewisten gelangt war, wurde Trotzki zum Vorsitzendon gewählt und organisierte und leitete in dieser Stellung den Aufstand vom 25. Oktober.“ (In den „Anmerkungen“ zum XIV. Bande der „Gesammelten Werke“ Lenins, zitiert bei Trotzki, „Die wirkliche Lage in Rußland“, a.a.O., S. 175.)
„Der Petersburger Sowjet, der ganz unter bolschewistischem Einfluß stand (durch Trotzkis Gruppe, Huhn), bildete ein militär-revolutionäres Komitee, und alle Truppen der Hauptstadt erklärten, daß sie nur diesem Komitee und nicht mehr dem Generalstab gehorchen würden. Die treibende Kraft des militär-revolutionären Komitees war Trotzki. Mit jenem Beschluß der Petersburger Truppen hatte eigentlich die Revolution in der Hauptstadt schon gesiegt, bevor auch nur ein Schuß gefallen war.“ (Aus: Arthur Rosenberg, „Geschichte des Bolschewismus“, a.a.O., S. 109/110.)
„Die zeitweilige (provisorische, Huhn) Regierung wollte die Truppen der Garnison loswerden. Die Soldaten wollten nicht an die Front gehen. – Wir haben dieser natürlichen Weigerung einen politischen Ausdruck, ein revolutionäres Ziel, einen ‚legalen’ Deckmantel gegeben. Damit erzielten wir eine seltene Einigkeit innerhalb der Garnison und verbanden sie mit den Petrograder Arbeitern.“ (Aus: Trotzki, „1917“, a.a.O., S. 62.)
„Das gesamte Werk der praktischen Organisation des Aufstandes wurde unter der unmittelbaren Leitung des Vorsitzenden der Petrograder Sowjets, des Genossen Trotzki, geführt, Man kann mit Sicherheit erklären, daß die Partei den schnellen Übergang der Garnison auf die Seite der Sowjets und die kühne Ausführung der Arbeit des revolutionären Soldatenausschusses hauptsächlich und vor allem dem Genossen Trotzki verdankt.“ (Stalin, „Die Rolle der am meisten hervorragenden Parteiführer“, Prawda vom 6. November 1918.)
1925 aber schrieb Stalin in seinem gegen Trotzki gerichteten Buche „Trotzkismus und Leninismus“:
„Ich muß sagen, daß Genosse Trotzki bei dem Oktoberaufstand keine besondere Rolle spielte und“ auch nicht spielen konnte, da er als Vorsitzender des Petrograder Sowjets einfach den Willen der entsprechenden Parteiautorität ausführte, die jeden seiner Schritte leitete. ... Genosse Trotzki spielte keine besondere Rolle, weder im Parteileben noch im Oktoberaufstand, und er konnte es auch nicht, da er in der Oktoberperiode noch ein verhältnismäßig neuer Mann in der Partei war.“
„Genosse Stalin versucht mit Hilfe JAROSLAWSKIS jetzt, eine neue Geschichte der Organisation des Oktoberumsturzes auf der Tätsache aufzubauen, daß die Partei damals einen tätigen Ausschuß für die planmäßige Durchführung des Aufstandes geschaffen hatte, zu dessen Mitgliedern, wie es scheint, Trotzki nicht gehörte. Lenin war aber auch kein Mitglied dieses Ausschusses, und dies allein zeigt schon, daß der Ausschuß nur eine ganz untergeordnete organisatorische Bedeutung hatte. Er spielte überhaupt keine unabhängige Rolle. Die Legende von diesem Ausschuß ist heute auch nur aus dem einfachen Grunde geschaffen worden, weil Stalin dessen Mitglied war. ... Aber wenn ich mein Gedächtnis auch noch so anstrengte, ich könnte nicht die Frage beantworten, worin in diesen entscheidenden Tagen die Rolle Stalins bestanden hat. Nicht ein einziges Mal habe ich mich an ihn um Rat oder Mitarbeit gewandt. Er zeigte auch nicht die leiseste Initiative. Nie hat er einen selbständigen Vorschlag gemacht.“ ...
„Stalin und Jaroslawski haben ... mit vieler Mühe zu beweisen versucht, daß der von der Partei eingesetzte, aus den Genossen SWERDLOW, Stalin, TSCHERSCHINSKI, BUBNOW und Uritzki bestehende tätige Ausschuß sozusagen den ganzen Verlauf des Aufstandes geleitet habe. Stalin hat in jeder ihm möglichen Art darauf hingewiesen, daß Trotzki kein Mitglied jenes Ausschusses gewesen sei. Aber leider erschien ... in der ‚Prawda’ vom 2. November 1927 ... ein genauer Auszug von dem Bericht, den der Zentralausschuß über die Zeit vom 16. bis zum 29. Oktober 1917 gegeben hat. ‚Der Zentralausschuß schafft ein militärisches revolutionäres Zentrum mit den folgenden Mitgliedern: Swerdlow, Stalin, Bubnow, Uritzki und Tscherschinski. Dieses Zentrum soll ein wesentlicher Teil des revolutionären Sowjetausschusses sein.’ Der revolutionäre Sowjetausschuß ist der durch den Petrograder Sowjet geschaffene militärisch-revolutionäre Ausschuß. Es bestand kein anderes Organ für die Führerschaft im Aufstand. Jene fünf durch den Zentralausschuß gewählten Genossen sollten als Ergänzung in den Stab desselben revolutionären Soldatenausschusses eintreten, dessen Vorsitzender Trotzki war. Überflüssig wäre es doch wohl gewesen, Trotzki noch einmal in den Stab einer Organisation aufzunehmen, dessen Vorsitzender er bereits war!“ (Aus: Trotzki, „Die wirkliche Lage in Rußland“, III.Teil: „Stalin fälscht Geschichte“, a.a.O., S. 175 bis 178.)
„Am 4. November wohnte ich der Sitzung des Vorparlaments im Marinsky-Palast bei. ... In den Wandelgängen traf ich ein führendes Mitglied der Sozialrevolutionären Partei, von dem ich erfuhr, daß ihren Informationen nach der bolschewistische Staatsstreich nur noch eine Frage von Tagen sei. Auf dem Post- und Telegraphenamt seien bereits bolschewistische Bevollmächtigte ernannt, während die Schildwachen alle, die bolschewistische Parolen abgäben, passieren ließen, auf die Beamten der Kerenski-Regierung dagegen finster blickten.“ (Aus: M. Philips Price, „Die Russische Revolution“, a.a.O., S. 174/175.)
„Am 24. Oktober (alten Datums, Huhn) besetzte das militärrevolutionäre Komitee die Petersburger Telefonzentrale. In der Macht zum 25. folgte die Besetzung anderer öffentlicher Gebäude. Am 25. wurde das Winterpalais, der Sitz der Regierung, genommen. Die Minister wurden verhaftet. Kerenski flüchtete. Am gleichen Tage trat programmäßig der Allrussische Rätekongreß zusammen. Als ihm die Eroberung des Winterpalais gemeldet wurde, verließ die regierungsfreundliche Minderheit den Saal. Die Mehrheit proklamierte im Sinne der Bolschewiki die Machtübernahme durch die Räte.“ (Aus: Arthur Rosenberg, „Geschichte des Bolschewismus“, a.a.O., S. 110.)
„Während alle Welt erwartete, die Bolschewiki eines Morgens plötzlich auf der Straße erscheinen zu sehen, um jeden, der einen weißen Kragen umhatte, niederzuschießen, ging der Aufstand in Wirklichkeit ganz anders, sehr natürlich und in aller Öffentlichkeit vor sich.“ (Aus: John Reed, „Zehn Tage, die die Welt erschütterten“, a.a.O., S. 35.)
„Gegen vier Uhr früh (am Tage des Zusammentritts des Rätekongresses, Huhn) traf ich in der Vorhalle ZORIN mit einem Gewehr. ‚Wir marschieren’, sagte er ruhig, aber augenscheinlich befriedigt. ‚Wir haben den Justizminister-Assistenten und den Kultusminister festgesetzt; sie sind unten im Keller. Ein Regiment ist weg, um die Telefonzentrale zu besetzen, ein anderes ist zur Telegraphenagentur und ein drittes zur Staatsbank. Auch die Rote Garde ist unterwegs.’ Als wir auf die Smolnytreppe hinaustraten, sahen wir die Rote Garde vorüberziehen: junge Burschen in Arbeiterkleidern, mit Gewehren und aufgepflanzten Bajonetten, aufgeregt miteinander sprechend.“ (Aus: J. Reed, ebd., S. 53-54.)
„Das nächste Mal traf ich Lenin bereits am Tage des 25. Oktober im Smolnij selbst. Um wieviel Uhr? Ich habe keine Vorstellung mehr davon. Es muß schon gegen Abend gewesen sein. ... Ich begann zu erzählen, daß die militärischen Operationen schon ziemlich weit gediehen seien und wir im Augenblick bereits eine ganze Reihe wichtiger Punkte in der Stadt im Besitz hätten. ... Heißhungrig stürzte er sich auf alle diese Details des Aufstandes. ... Ich entsinne mich des mächtigen Eindrucks, den die Mitteilung auf Lenin machte, daß ich durch schriftlichen Befehl eine Kompanie des Pawlowski-Regiments hatte ausrücken lassen, um das Erscheinen unserer Partei- und Sowjetzeitung zu sichern. ‚Und ist die Kompanie ausgerückt?’ – ‚Ist ausgerückt.’ – ‚Und die Zeitungen werden gesetzt?’ – ‚Jawohl.’ Lenin war entzückt, was sich in Ausrufen, Lachen und Händereiben ausdrückte. Dann wurde er schweigsam, dachte nach und sagte: ‚Nun gut, es geht auch so. Es handelt sich nur darum, die Macht zu ergreifen.’ – Ich verstand, daß er sich in diesem Augenblick endgültig mit unserem Verzicht, die Macht durch eine konspirative Verschwörung zu ergreifen, ausgesöhnt hatte. Bis zur letzten Stunde hatte er befürchtet, der Feind möchte unsere Pläne durchkreuzen und uns überrumpeln.“ (Aus: Trotzki, „Über Lenin“, a.a.O., S. 81-82.)
„Am nächsten Morgen ging ich wieder ins Smolny-Institut, wo eine Sitzung des Petrograder Sowjet stattfand, auf der dessen Delegierte für den an diesem Nachmittag zusammentretenden II. Rätekongreß gewählt werden sollten. ... Neben mir flüsterte jemand, daß soeben die Nachricht gekommen sei, das militärische Revolutionskomitee habe mit Hilfe der Rotgardisten aus den Fabriken und einem Teil der Garnison das Winterpalais besetzt und alle Minister mit Ausnahme Kerenskis, der in einem Kraftwagen entflohen war, verhaftet. ... Gegen zehn Uhr nachts verließ ich das Smolny-Institut. ... Ich ging am Ufer der Newa entlang, ... Gegenüber dem Vassily Ostroff lag der Kreuzer ‚Aurora’ und ein Zerstörer mit gegen das Winterpalais gerichteten Maschinengewehren. ... Ich befand mich in der Nähe des Winterpalais, das jetzt der Sitz des militärischen Revolutionskomitees war. ... Bevor ich mich weg begab, blickte ich auf die Spur einer Kanonenkugel in dem Gemäuer des Palastes – der einzige Schuß, den der Kreuzer abgefeuert hatte, als Zeichen dafür, daß das Winterpalais jetzt den neuen Gewalthabern geräumt werden müsse.“ (Aus: M. Philips Price, „Die russische Revolution“, a.a.O., S.. 176 und 179-180.)
„Am 25. Oktober (alten Datums, Huhn) berichtete Trotzki, der glänzende und heldenmütige Tribun des Aufstandes, der unermüdliche und feurige Prediger der Revolution, im Namen des Kriegs-Revolutionskomitees unter donnerndem Applaus den im Petersburger Rat Versammelten, daß die ‚provisorische Regierung nicht mehr existiert’. Und als lebender Beweis dieser Tatsache erscheint auf der Tribüne, mit stürmischer Huldigung empfangen, Lenin, den die neue Revolution von der Illegalität befreite.“ (Aus: N. BUCHARIN, „Vom Sturze des Zarismus bis zum Sturze der Bourgeoisie“, Berlin 1919, S. 100.)
„Die Bolschewiki hatten die provisorische Regierung mit der größten Leichtigkeit, fast ohne nennenswerten Widerstand gestürzt, wobei der größte Teil der Garnison sich neutral, d.h. gleichgültig verhielt. ... Unter solchen Vorbedingungen überraschte mich die Oktoberrevolution, Überrascht ist ganz das rechte Wort, denn ebenso wie im Februar hatte ich nicht zu sehen verstanden oder sehen wollen, wie die Ereignisse mit bewundernswerter Logik heraufkamen.“ (Aus: RENE MARCHAND, Korrespondent des ‚Figaro’ und des ‚Petit Parisien’, „Warum ich mich der sozialen Revolution angeschlossen habe“, Berlin-Wilmersdorf 1919, S. 14 u. 16.)
„Das Volk von Petersburg hatte in der Flut der alltäglichen Schießereien, Aufrufe und Gerüchte den Oktoberumsturz zuerst gar nicht bemerkt. Einen Tag nach dem Umsturz erschien zum Beispiel noch bei Trotzki eine Abordnung des Magistrats und fragte an, ob es stimme, daß die Bolschewiki Massendemonstrationen planten. Auch die Presse, die tagaus, tagein von dem bevorstehenden Putsch der Bolschwiki schrieb, vergaß, den Putsch, als er nun vollbracht war, festzustellen. Die Zeitungen vom 25. Oktober berichteten nichts von dem Umsturz. ‚Die Zeitungen hatten von dem bevorstehenden Aufstand der bewaffneten Soldaten, von Plünderungen, von unvermeidlichen Blutströmen, Umstürzen so viel und so besessen geschrien, daß sie den Aufstand, als er wirklich gekommen war, einfach nicht bemerkt hatten!’, schrieb später Trotzki.“ (Aus: Essad Bey, „Stalin“, a.a.O., S. 276-277.)
Auf dem 14. Parteitag der KPdSU, der am 22. April in Moskau stattfand, war das Referat über den Fall Trotzki Sinowjew übertragen. Er hatte schon vordem in einem Aufsatz erklärt: „Genosse Trotzki war in unserer Partei alle diese Jahre hindurch der Ausdruck für dasjenige, was nicht im reinsten Sinne des Wortes bolschewistisch war. Ihn, den Vertreter dieser nicht-bolschewistischen Abweichungen, hat der Rahmen der alten leninistischen Taktik beengt.“
Und in einer Rede zu Anfang Februar 1925 in Leningrad: „Aus einem Nichtbolschewik ist Trotzki ein gewöhnlicher Antibolschewik geworden. Die Maßnahmen des Zentralkomitees (Amtsenthebung und Auferlegung des Redeverbots) enthalten nur das Mindestmaß dessen, was getan werden mußte. Das letzte Wort wird in dieser Sache der Parteikongreß noch zu sagen haben. Wer jetzt noch kommunistische Politik zusammen mit Trotzki machen will, der wendet sich absichtlich gegen den Leninismus.“ (Aus: „Die Tragödie Trotzki“, herausgegeben von GRIGORI DIMITRIOFF, Berlin 1925, S. 41, 44-45.)
„In einer ganzen Reihe seiner Angriffe erst gegen den ‚Trotzkismus’, dann gegen Sinowjew und Kamenew, konzentrierte sich Stalin immer auf einen Punkt: gegen die alten revolutionären Emigranten. Die Emigranten sind keine bodenständigen Elemente, sie denken nur an die internationale Revolution, jetzt aber braucht man neue Führer, die fähig sind, den Sozialismus in einem Lande zu verwirklichen. Der Kampf gegen die Emigranten – sozusagen als eine Fortsetzung des Stalin'schen Briefes von 1911 gegen Lenin(1) – ist ein untrennbarer Teil der Stalin'schen Ideologie des Nationalsozialismus.“ (Aus: Trotzki, „Wer leitet heute die Kommunistische Internationale?“, a.a.O., S. 42.)
„Stalins Kampfmethode zwang mich schon im Jahre 1926, ihm während einer Versammlung des Politbüros zu erklären, daß er mehr und mehr ein Kandidat für das Amt des Totengräbers sei: Totengräber der Partei und der Revolution.“ (Aus: Trotzki, „Mein Kampf mit Stalin“, in: „Das Tagebuch“, 10. Jg., Heft 10 vom 9. März 1929, S. 377.)
(1) Die Tifliser Parteizeitung ‚Sarja Wostoka’ veröffentlichte 1925 einen Brief Stalins vom 24. Januar 1911 gegen Lenin, in dem er Lenins Kampf gegen die Liquidatoren und Versöhnler „einen ausländischen Sturm im Wasserglase“ nennt, um dann wörtlich zu erklären: „überhaupt beginnen die Arbeiter (in Rußland, Huhn) das Ausland verächtlich anzusehen; mögen die auf die Wände klettern, soviel sie wollen; wir aber sind der Meinung, wem die Interessen der Bewegung teuer sind, der arbeitet, alles andere wird sich schon finden. – Das ist, denke ich, das Beste.“ (ebd., S. 39.)
Zuletzt aktualisiert am 19.6.2008