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Der vormarxistische Sozialismus Rußlands, gipfelnd in der Bewegung der „Narodnaja Wolja“, die ihrem Charakter nach der Ausdruck der geschichtlich notwendigen agrarischen Revolution war, stützte sich selbstverständlich auf die Bauern. Ihr Kampf gegen den Zarismus, der sich bekanntlich in terroristischen Formen abspielte, veranlaßte sie, sich den Theorien des von ENGELS so hart kritisierten DÜHRING zuzuwenden, wonach „das politischjuristische Element vorherrschend“ ist. In den achtziger Jahren verloren aber die Narodniki ihre Hoffnungen auf den revolutionären Charakter der Bauernklasse. Sie mußten sich nach einer anderen Gesellschaftsklasse umsehen, deren Erhebung sie instand setzen konnte, „die Gewalt zu usurpieren“ und mit deren Hilfe eine „ökonomische Umwälzung“ zu vollziehen. Jetzt erst erregte eine soziale Gruppe ihre Aufmerksamkeit, die sie vorher kaum beachtet hatten: die städtischen Arbeiter. Jetzt sollten diese an die Stelle der einst umworbenen Bauern treten.
Dieses Interesse der russischen Revolutionäre war zunächst in keiner Weise marxistisch, d.h. von jedem Bewußtsein über die geschichtliche Rolle des Proletariats, der bürgerlichen Gesellschaft und dem Kapitalismus den Todesstoß zu versetzen, weit entfernt. Damals war ja die Mehrzahl der Narodniki noch davon überzeugt, daß es in Rußland weder einen modernen Kapitalismus noch ein modernes Proletariat gebe. Vorhut der nationalen Befreiungsarmee, Totengräberin der alten feudal-absolutistischen Gesellschaftsordnung des Zarismus, sollte ja die ziemlich über dem Volke, auch über den Arbeitern stehende, aus verschiedenen gesellschaftlichen Elementen, vor allem aber aus Intellektuellen, zusammengesetzte Partei der „Narodnaja Wolja“ sein. Wenn nun die revolutionäre bäuerliche Bewegung ausblieb, dann mußte die Partei von sich aus einen Aufstand ins Werk setzen. Dieser hing dann völlig ab vom Verhalten der Armee und ... der städtischen Arbeiter. Die letzteren fanden also erst aus „technisch-insurrektionellen Erwägungen“ Beachtung, als Schachfiguren der „Kunst des bewaffneten Aufstandes“.
Das Exekutiv-Komitee der Partei „Narodnaja Wolja“ versandte 1880 an die Gruppen ein Schriftstück, in dessen Abschnitt „Die Vorbereitungsarbeit der Partei“ es u. a. heißt:
„Die städtische Arbeiterbevölkerung, die, sowohl durch ihre Lage, als auch durch ihre verhältnismäßig höhere Bildungsstufe von besonders wichtiger Bedeutung für die Revolution ist, muß die Aufmerksamkeit der Partei ernstlich auf sich ziehen. Der Erfolg des ersten Angriffs hängt gänzlich ab von dem Verhalten der Arbeiter und der Armee.“
Die Vorstellungen der Narodniki über die Organisation und die Ausführung der politischen Umwälzung sind infolgedessen teils militärisch, teils konspirativ. Ihr geschichtliches Vorbild waren die französischen Jakobiner.(1)
Erst ein Mann, der die narodnikische Bewegung verließ und den Kurs der „Narodnaja Wolja“ nicht mehr mitmachte, weil ihn die selbständige Bewegung der Petersburger Arbeiter 1878 tief beeindruckte und zum Studium von MARX anregte, GEORGI PLECHANOW, wies seit 1879 immer wieder darauf hin, daß sich die russische Revolution auf die „Klasse der russischen Zukunft stützen“ müsse, eben auf die Arbeiter. Er wurde zum geistigen Vater des jungen Lenin, der anderthalb Jahrzehnte später schrieb(2):
„Jetzt kann sich der russische Revolutionär endlich auf die Klasse stützen, die elementar erwacht, kann sich endlich geraderecken und seine Riesenkräfte entwickeln.“
Man sieht, es ist nicht die elementar erwachende Arbeiterklasse selbst, die sich endlich geradereckt und ihre Riesenkräfte entwickelt, sondern der russische Revolutionär, der sich jetzt nicht mehr auf die Bauern, sondern auf die Arbeiter stützt. Wer ist dieser russische Revolutionär? Es ist immer noch der Intellektuelle, wie einer der wenigen Arbeiter bezeugt, die Mitglieder des 1895/96 gegründeten Petersburger „Kampfbundes zur Befreiung der Arbeiterklasse“ waren(3):
„Man kann wohl sagen, daß in den neunziger Jahren auf je zehn Intellektuelle ein einziger Arbeiter kam.“
Schon ein Jahrzehnt vor der Gründung bildeten sich aber spontan, unabhängig von den Narodniki, „getragen von der Arbeiterbewegung“, einige marxistische Zirkel. Die Petersburger Gruppe „Der Arbeiter“ existierte bereits ein Jahrzehnt vor dem Kampfbund und hatte sich mit Plechanow in Verbindung gesetzt. Diese selbständigen Arbeiterkreise tasteten sich „unter dem Eindruck der kapitalistischen Wirklichkeit, die lauter sprach als jede Propaganda“, von sich aus an die Marx'schen Ideen heran. Erst ein Jahrzehnt nach der Gründung des Kampfbundes entstanden aber „sozialdemokratische“, d.h. politische Organisationen der sozialistischen Arbeiter. Diesen konnte der Petersburger Kampfbund keineswegs vorbildlich erscheinen, der, wie die anderen, später in weiteren Städten entstandenen Bünde zur Befreiung der Arbeiterklasse „seinem Hauptbestand nach“ eine „Organisation von Intellektuellen“ war, „die aber fest mit Arbeitermassen verbunden sind“.(4) Wie sah jedoch diese Verbundenheit aus? Schon im Jahre 1897 empörten sich die elementar erwachten Arbeitermitglieder im Petersburger Kampfbund dagegen, daß die Leitung desselben in den Händen von zwei Dutzend Intellektuellen liege. Sie forderten Anteil an der Führung und Demokratie innerhalb der Organisation. Beides wurde damals von LENIN abgelehnt, u. a. mit der Begründung, daß man keine besondere Arbeiterklassen-Politik zu machen habe! Ein Teilnehmer an dieser Debatte hat uns folgendes überliefert(5):
„Lenin war gegen jede selbständige Arbeiterorganisation als solche; er war dagegen, daß man den Arbeitern irgendein besonderes Kontrollrecht einräume.“
So kehren beim jungen Lenin ganz offensichtlich die Organisationsprinzipien der Narodnaja Wolja wieder und noch 1898 schließt er den „Aufstand“ (im technischen Sinne der militärischen Insurrektion) als ein Mittel, „um dem Absolutismus den entscheidenden Schlag zu versetzen“, keineswegs aus.(6) Und seinen Standpunkt, daß den Arbeitermitgliedern der Kampfbünde keine besonderen Rechte eingeräumt werden könnten, verstehen wir erst richtig im Lichte seiner Definition des Parteimitgliedes: Der revolutionäre Arbeiter muß, „um für sein Wirken vollkommen vorbereitet zu sein, ebenfalls Berufsrevolutionär werden“, schreibt Lenin im Jahre 1902. Ein halbwegs begabter Proletarier dürfe nicht mehr in der Fabrik arbeiten, sondern müsse von der revolutionären Intelligenz herangezogen werden, um „dem Berufe nach zu einem Agitator, Organisator, Propagandisten, Kurier usw. usf. zu werden“.(7) Der Arbeiter also, der in eine bolschewistische Partei eintrat, hatte sich völlig dieser „militärischen Organisation von Agenten“(8) zu subordinieren!
Lenin fand außer in ROSA LUXEMBURG (1903/04) auch einen leidenschaftlichen Kritiker seiner Organisationsprinzipien in TROTZKI. Dieser bekämpfte energisch seinen „schiefen Zentralismus“ und warf ihm vor, daß er den ideellen Kampf durch „administrative Maßnahmen“ ersetze. Den „boshaften, sittlich abscheulichen Argwohn Lenins“ bezeichnete er als eine schale Karikatur der tragischen Intoleranz der Jakobiner.
„Gestern noch galt die Intelligenz (gemeint sind die Intellektuellen, Huhn) als die Trägerin des sozialistischen Bewußtseins, heute muß sie Spießruten der Fabrikdisziplin laufen. Und das soll Marxismus sein! Das nennt sich sozialdemokratisches Denken! ... Ihre (der Jakobiner, Huhn) Methode war die Guillotinierung der kleinsten ideellen Abweichungen, unsere Methode ist eine ideelle Austragung der Meinungsverschiedenheiten. Die Aufgaben des neuen Regimes sind so kompliziert. daß sie nur durch den Wetteifer der verschiedenen Methoden des wirtschaftlichen und politischen Aufbaues, ... der verschiedenen Strömungen innerhalb des Sozialismus gelöst werden können, die unbedingt auftauchen werden, sobald die Diktatur des Proletariats hunderte von neuen Problemen auf die Tagesordnung bringen wird. ... Kein Zweifel: die gesamte internationale Bewegung des Proletariats würde vom revolutionären Tribunal (des Bolschewismus, Huhn) des Moderantismus beschuldigt werden und Marxens Löwenhaupt würde zuerst unter der Guillotine fallen. ... Von einem Regime, das, um sich zu erhalten, die besten geistigen und praktischen Arbeiter verstößt, sind nur zu viele Hinrichtungen und zu wenig Brot zu erwarten.“
Diese ebenso harte wie leidenschaftliche Kritik Trotzkis an Lenin gipfelt in der Anklage, Lenin wolle im Grunde nur „eine Diktatur über das Proletariat errichten“.(9) Auch Plechanow hat bereits 1904 erklärt, daß Lenins Haltung auf einen Bonapartismus gegenüber dem Proletariat hinauslaufe!
Sollte man nicht annehmen, daß ein Mann, der den Leninismus solchermaßen angriff, als er erstmalig auf dem Londoner Parteitag (1903) weithin sichtbar in Erscheinung trat und die russische Sozialdemokratie in eine menschewistische und in eine bolschewistische Fraktion spaltete, die marxistische Auffassung von der Rolle der Arbeiterklasse vertrat? Und ein Mann, der seinen ersten politischen Ruhm erwarb, als er in der ersten russischen Revolution von 1905 nach der Verhaftung von CHRUSTALEW-NOSSAR, dem ersten Vorsitzenden des Petersburger „Rates der Arbeiterdeputierten“ (nach WOLIN ein Anarchist), dessen Stelle einnahm und damit zum Repräsentanten der ersten russischen Revolution wurde, mit dem der Zarenminister Witte auf gleichem Fuß verhandelte, war dieser Mann nicht tatsächlich zum Vertreter der sich in diesen Räten selbständig organisierenden Arbeiterschaft geworden? Und wenn Trotzki nach dem Oktober-Manifest Nikolaus II., durch welches das erste russische Parlament (Duma) geschaffen wurde, seinen ursprünglichen menschewistischen Standpunkt aufgab und sich der Taktik der Bolschewiki anschloß, indem er zum Boykott der Reichsduma aufforderte, vertrat er dann nicht die neue Arbeiterdemokratie gegen die des Bürgertums?(10)
Nun, auch hier gilt es, eine Legende zu zerstören, die Legende, daß der Bolschewismus mit dem Rätesystem identisch ist! Die Arbeiterräte, die zum ersten Male in der russischen Revolution von 1905/06 auftauchten, wurden in ihrer eigentlichen geschichtlichen Bedeutung von der russischen Sozialdemokratie nicht begriffen, am wenigsten von ihrer bolschewistischen Fraktion. Die Bolschewiki mit ihrer hier bereits bekannten Haltung gegenüber allen selbständigen Regungen des Proletariats verlangten förmlich die Unterordnung der Räte unter die Partei:
„Ein Teil der Bolschewiki hat einen Fehler begangen, indem er verlangte, daß der Sowjet das sozialdemokratische Programm offiziell anerkenne.“
Doch nicht nur dieses Geständnis SINOWJEWs(11) ist hier interessant, sondern auch die typische bolschewistische Art, mit der ein solches spontanes Auftreten einer neuen Form der proletarischen Klassenaktion „erklärt“ wird. Wenn er recht hätte, so wäre der Arbeitersowjet das Ergebnis einer menschewistischen Intrige gegen die Bolschewiki:
„Ihr wißt, daß die Räte der Arbeiterdeputierten, Sowjets, die in Petersburg zum erstenmal im Jahre 1905 entstanden, anfangs nicht unter unserer Fahne marschierten. Anfangs sind die Räte der Arbeiterdeputierten in Petersburg von einer Gruppe von Menschewiki geschaffen worden, die sich in ihrem Kampf gegen den ‚engen Zirkel’ berufsmäßiger Revolutionäre auf die parteilosen Massen stützen wollten. Sie stellten die Losung ‚Räte’ auf und diese Losung wurde aufgegriffen.“
So stellt sich ein Bolschewik die Sache vor!(12) Eine politische Partei sieht sich nach parteilosen Massen um, auf die sie sich stützen könnte, gibt ihnen dann die richtige und zündende „Losung“ bzw. Parole, diese wird aufgegriffen und dann Geschichte gemacht. Das Verhältnis der Bolschewiki zu den Räten im Augenblick ihres ersten geschichtlichen Auftretens hat ARTHUR ROSENBERG völlig richtig charakterisiert, als er schrieb, sie hätten sich bei dem Stand der Revolutionsbewegung von 1905 „mit dem Arbeiterrat abfinden“ müssen, „aber sie hätten niemals eine solche Einrichtung geschaffen“.(13)
Die Verdächtigung der Menschewiki durch Sinowjew, daß sie die Arbeiterräte animiert hätten, stimmt einfach mit den geschichtlichen Tatsachen nicht überein. WOLIN meint in seiner „Unbekannten Revolution“, die Räte seien eine spontane Massenerscheinung gewesen, die auch von den Menschewiki mit gemischten Gefühlen begrüßt wurden. Daß tatsächlich die Menschewiki die Räte nur als ein notwendiges Übel ansahen, insofern Rußland noch keine sozialdemokratische Massenpartei besaß-, das wird von den beiden Gegnern Lenins und Trotzkis, MARTOW und MARTYNOW bezeugt.(14) Die Menschewiki lehnten ebenso wie die deutschen „Bolschewiki“ („Mehrheits“-Sozialdemokraten) die Alleinherrschaft der Räte, die vor der Konstituante und dem Parlament zurückzutreten hätten, ab. Es ist also mehr als unwahrscheinlich, daß von den Menschewiki die Losung zur Schaffung von Sowjets ausgegangen sein soll.
Wie verhielt sich Lenin selbst zu den Räten, dieser praktisch-organisatorischen Form selbständigen proletarischen Klassenhandelns? Wir hören, daß er sich 1905/06 an ihrer Arbeit nicht aktiv beteiligt hat. Sinowjew, der in seinem Sammelband „Lenin“ diesen mit MARAT vergleicht, berichtet uns:
„Genosse Lenin saß damals meistens auf der Galerie der ‚Freien ökonomischen Gesellschaft’, wo der (Arbeiter-) Deputiertenrat seine Sitzungen abhielt. In diesem Sowjet hat er kein einziges Mal gesprochen. Er hat hauptsächlich zugehört.“
Als dann der Arbeiterrat den Ausschluß der Anarchisten beschloß, zog Lenin daraus sofort in bezeichnenderweise die Folgerung, daß der Sowjet kein Arbeiterparlament sei:
„Freilich, wollte man den Arbeiterdeputiertenrat als Arbeiterparlament oder als Selbstverwaltungsorgan des Proletariats betrachten, dann wäre die Weigerung, die Anarchisten zuzulassen, unrichtig. ... Der Arbeiterdeputiertenrat ist kein Arbeiterparlament und kein Organ der proletarischen Selbstverwaltung, überhaupt ein Organ der Selbstverwaltung, sondern eine Kampforganisation zur Erreichung bestimmter Ziele.“
Die Ziele aber bestimmt Lenin als politische und demokratische, infolgedessen sei für die Anarchisten in den Räten kein Platz.(15) Diese politischen und demokratischen Ziele halten sich völlig im Rahmen einer bürgerlichen, wenn auch radikalen (jakobinischen) Revolution. Lenin wollte damals noch „in einer Reihe mit der revolutionären und republikanischen Bourgeoisie“ marschieren, und gemeinsam mit ihr
„zum erstenmal wirklich den Boden säubern für eine breite und schnelle, europäische und nicht asiatische Entwicklung des Kapitalismus. ... Aus diesen Grundsätzen folgt, daß es ein reaktionärer Gedanke ist, die Erlösung der Arbeiterklasse in irgend etwas anderem zu suchen als in der weiteren Entwicklung des Kapitalismus.
In solchen Ländern wie Rußland leidet die Arbeiterklasse nicht so sehr durch den Kapitalismus, als vielmehr durch die mangelhafte Entwicklung des Kapitalismus.
Darum ist die Arbeiterklasse an der breitesten, freiesten und schnellsten Entwicklung des Kapitalismus unbedingt interessiert.“
Von diesem unbedingten Interesse der Arbeiter an der weiteren Entwicklung des Kapitalismus war aber Lenin offenbar nicht ganz überzeugt, wie seine Auffassung vom Wesen und der Rolle der Arbeiterräte uns beweist. Und ebenso offensichtlich hat Lenin bei der folgenden bemerkenswerten Revidierung des Marx'schen Wortes im „Kommunistischen Manifest“:
„Das Proletariat hat nichts zu verlieren als seine Ketten, wird aber mit Hilfe des Demokratismus die ganze Welt gewinnen,“
nicht an den Demokratismus der Sowjets gedacht!(16)
Die in Rußland fällige „Bauernrevolution ist momentan (November/Dezember 1905, Huhn) eine bürgerliche Revolution“, erklärte Lenin; und diese sei eine solche, die nicht über den Rahmen einer kapitalistischen gesellschaftlich-ökonomischen Ordnung hinausgehe. Damit
„beschränken sich eigentlich auch die proletarischen Forderungen in den meisten Fällen auf solche Reformen, die durchaus erfüllbar sind im Rahmen des Kapitalismus. Das russische Proletariat fordert jetzt und unverzüglich nicht das, was den Kapitalismus untergräbt, sondern das, was ihn reinigt und seine Entfaltung beschleunigt, stärkt.“
Konsequenterweise muß Lenin zu der Folgerung kommen, daß die eigentlich sozialistischen Forderungen noch ausbleiben müssen(17):
„Auf der Tagesordnung stehen demokratische Forderungen der Arbeiter in der Politik, ökonomische Forderungen im Rahmen des Kapitalismus in der Wirtschaft.“
Wenn aber die Räte keine proletarischen Klassenorgane für die Durchführung der sozialistischen Arbeiterrevolution darstellen sollen, wozu sind sie dann – wenn nun schon einmal vorhanden! – nach bolschewistischer Auffassung bestimmt? 1906 bezeichnete Lenin die Räte als „Organe des Streiks, des Aufstandes“, und zwar durchaus im Sinne ihrer Reduzierung zu bloßen technischen Aufstandsorganen. Er hält sie aber nicht einmal für ausreichend: militärische Partisanengruppen, die der Partei unterstehen, sollen an ihre Stelle treten. Eine bolschewistische Resolution forderte 1907 eine Parteimiliz (etwa in der Art des späteren österreichischen Schutzbundes), auf die mehr Wert gelegt wird als auf die Arbeiterräte. Diese bleiben auch jetzt noch einfache Aufstandswerkzeuge, um den Arbeitermassen die Kommandos der Partei zu übermitteln:
„Sie (die Räte, Huhn) sind erforderlich, um die Massen zusammenzuschweißen, ... ihnen die von der Partei gestellten ... Losungen zu übermitteln ...“
Lenin konnte sich die Sowjets nur als kommandierte Räte denken.(18) Die Bolschewiki beabsichtigten also niemals die Errichtung einer echten „Sowjetmacht“, stets geht es im Leninismus nur um die Begründung einer „Parteimacht“. Die Teilnahme der Parteimitglieder an den Räten ist nur „nötigenfalls zulässig“, „vorausgesetzt, daß hierbei die Interessen der Partei auf das strengste gewahrt werden und die SDAPR gestärkt und gefestigt wird“.
Sobald diese Stärkung der Partei aber eingetreten ist, so heißt es bereits im März 1907, werden die Räte überflüssig.(19) Das Räteprinzip hat also nicht an der Wiege des Bolschewismus gestanden, und es genügt, abschließend zum Thema „Lenin und die Arbeiterräte“ KARL RADEK das Wort zu erteilen, der über die Räte von 1905 in einer etwas abgemilderten Form schreibt:
„Daß es sich hier nicht um Organisationen des Kampfes gegen die bürgerliche Regierung, sondern um Keime der zukünftigen Organisation der proletarischen Gewalt handelte, haben sogar die russischen Marxisten damals nicht erkannt, geschweige denn die europäischen.“
Wir nehmen an, daß Radek mit den russischen Marxisten sowohl die Menschewiki als auch und vor allem die Bolschewiki gemeint hat.(20)
Und wie verhielt sich Trotzki selbst, der berühmte Vorsitzende des aufsehenerregenden Petersburger Arbeiterrates? Er lehnte in einem im. Jahre 1909 verfaßten Artikel den „Gedanken der bürgerlich-demokratischen Selbstbeschränkung des Proletariats“ energisch ab und warf Lenin vor, daß er sich nur deswegen auch auf die Bauern stütze, weil er sie als Gegengewicht gegen die Arbeiter brauche, damit diese nicht die russische Revolution sofort zur Verwirklichung des Sozialismus ausnutzten. Keine Macht der Welt könnte aber die Arbeiter von dieser Absicht abbringen, sie würden die proletarische Diktatur anstreben. Da sich diese in Rußland nicht behaupten könne, wenn ihr nicht eine europäische Arbeiterrevolution zu Hilfe käme, müsse die russische Revolution permanent bleiben und sofort über die Grenzen nach Europa getragen werden.(21) In der Perspektive unterschied sich also Trotzki grundlegend von Lenin, wenn er auch für eine Teilnahme an der bürgerlich-revolutionären Regierung eintrat(22):
„Die Ablehnung der Sozialdemokratie, sich an der revolutionären Regierung zu beteiligen, würde die vollkommene Unmöglichkeit der Existenz der revolutionären Regierung überhaupt bedeuten und wäre also ein Verrat an der Revolution.“
Während nun Trotzki in seiner Geschichte der russischen Revolution von 1905 noch ganz den menschewistischen Standpunkt in der Rätefrage teilt, begriff er im Jahre 1907 (wahrscheinlich unter dem Einfluß Rosa Luxemburgs) in einem Aufsatz in der „Neuen Zeit“, daß der Rat mehr sei als eine Gewalt im Kampf um die demokratische Revolution:
„Der Rat ist die organisierte Macht der Nasse selbst über ihre einzelnen Teile. Er ist die wahre und unverfälschte Demokratie, ohne zweite Kammer, ohne berufsmäßige Bürokratie, mit dem Recht der Wähler, ihren Vertreter zu jeder Zeit abzusetzen.“
Und er sah voraus, daß sich in der nächsten Revolution die Räte von neuem bilden und sich selbst eine Zentralisation im „Allgemeinen Russischen Arbeiterrat“ geben würden. Doch in dem entscheidenden Punkte kehrte er zu der Meinung der Menschewiki und der Bolschewiki zurück: auch er sah später in den Räten nur noch das Mittel zur Bildung einer provisorischen Regierung, die dann sobald wie möglich ihre Macht an eine Konstituante abzutreten habe. Sehen wir also zu, wie sich Trotzki 1917 zu den Räten verhalten hat und ob und inwiefern er in dieser Frage mit Lenin übereinstimmte.(23)
Wir müssen zunächst feststellen, daß die russische Revolution von 1917 in ihrem Verlauf mehr der Prognose von Trotzki im Jahre 1905 als derjenigen von Lenin nahekam. Martynow stellte später fest, daß das von Trotzki 1905 gezeichnete Bild der kommenden zweiten russischen Revolution sehr genau der Phase von 1917 bis 1920 entsprach (1923), d.h. also der Phase des sogenannten „Kriegskommunismus“.(24) Das ist zweifellos in der Hauptsache richtig, nur in einem, allerdings auch sehr wesentlichen Punkte, hatte Trotzki seine Meinung inzwischen völlig geändert: in der Frage der Beziehungen zwischen der Partei und den Räten. 1905/06 hatte Trotzki das Verhältnis zwischen der Partei und der Massenbewegung noch genau so gesehen wie Rosa Luxemburg und dementsprechend geschrieben:
„Die Aufgabe der sozialistischen Partei bestand und besteht darin, das Bewußtsein der Arbeiterklasse zu revolutionieren, so wie die Entwicklung des Kapitalismus die sozialen Beziehungen revolutioniert hat. Doch führt die agitatorische und die organisatorische Arbeit in den Reihen des Proletariats zu einem gewissen inneren Konservativismus. In den europäischen sozialistischen Parteien und in erster Linie in der mächtigsten unter ihnen – der deutschen – hat sich eine Art Konservativismus herausgearbeitet, der um so stärker anschwillt, je größere Massen vom Sozialismus umfaßt werden und je höher die Organisiertheit und Disziplin dieser Massen ist. Deshalb ist es möglich, daß die Sozialdemokratie, als eine Organisation, die die politische Erfahrung des Proletariats verkörpert, im gegebenen Moment zum unmittelbaren Hindernis auf dem Wege des offenen Zusammenstoßes der Arbeiter mit der bürgerlichen Reaktion werden kann. Mit anderen Worten: der propagandistisch-sozialistische Konservativismus der proletarischen Partei kann, im gegebenen Moment, den direkten Kampf des Proletariats um die Macht hemmen.“
Uns scheint, daß diese Feststellung(25) vor allem für das Verhältnis der sozialistischen Parteien zu den Räten in dieser Revolution gilt. Und es wird noch geschildert werden, daß sich die Haltung der sozialistischen Parteien nach dem Ausbruch der Februar-Revolution von 1917 von derjenigen zwölf Jahre zuvor nicht grundsätzlich, sondern nur taktisch unterschied – die Bolschewiki nicht ausgeschlossen!
Trotzki charakterisiert den Ausbruch der Februar-Revolution 1917 richtig als Zersetzungsprozeß zunächst innerhalb des Heeres: die Empörung der Soldaten und Arbeiter richtete sich in erster Linie gegen den Krieg selbst, und eben die Soldaten waren die ersten Träger der Bewegung. Dadurch vernichtete die Revolution in wachsendem Maße die Grundlagen der Armee: die Befehlsautorität oben und den Kadavergehorsam unten. Trotzki erkannte und sprach es deutlich genug aus:
„Der Februar-Aufstand der Petersburger Regimenter war nicht die Folge einer Verschwörung, sondern das Resultat der unruhigen Stimmung der ganzen Armee und der Volksmassen überhaupt.“
Ebenso richtig stellt er die Revolution, „vom Standpunkt der Massenpsychologie betrachtet“, als eine rationale Revision der traditionellen Einrichtungen und Ideologien dar. Zu dieser Revision bei den Bauern trug gerade der Krieg erheblich bei. Trotzki macht die vortreffliche Bemerkung:
„Der Krieg hat für sie (die Revolution, Huhn) die geeignete Form einer allgemeinen Volksorganisation geschaffen: die Armee. Die Hauptmasse der Bevölkerung, das Bauerntum, erwies sich im Moment des Ausbruchs der Revolution zwangsorganisiert.“
Die sonst in dem Riesenreich zerstreuten, lokal isolierten, durch ihren Analphabetismus auch publizistisch nicht miteinander verbundenen Bauern waren also durch den Krieg und in der Armee nicht nur zu einem Austausch ihrer Erfahrungen und Nöte, sondern zugleich zu einer bewaffneten Organisation gekommen. Sie brauchten nur die zaristischen Offiziere zu entmachten, ihre Befehlsgewalt nicht mehr anzuerkennen und sich eigene Organe der Führung zu schaffen, dann wurde der Soldatenaufstand auch zu einer Bauernrevolution. Diese Organe waren die Soldatenräte. Da die Revolution in Städten ausbrach, die gleichzeitig Hafen- und Industriebezirke waren, lief die Einrichtung von Soldatenräten mit Matrosen- und Arbeiterräten parallel. Diese Soldaten-, Matrosen- und Arbeiterräte haben sowohl in Rußland 1917 wie in Deutschland 1918 die Revolution gemacht. Hinter dem Sowjetsystem stand also primär gerade „das ganze Gewicht der Soldatendemokratie“ und damit zugleich der Bauernschaft, die übrigens bald dem revolutionären Beispiel auch unmittelbar folgte und in den Dörfern Sowjets schuf. Da nun die aus der Februar-Revolution hervorgegangene bürgerliche, von den Menschewiki mitgetragene Regierung den Krieg gegen Deutschland in Erfüllung der zaristischen Verträge mit der Entente cordiale fortsetzte, bedeutete schon dies allein die Konterrevolution. Einen Krieg fortsetzen zu wollen, der die Revolution ausgelöst hatte, die sich in den Soldatenräten ihre erste Gewalt geschaffen hatte, einen Krieg, der von der alten zaristischen Generalität geführt werden sollte, bedeutete selbstverständlich den latenten Bürgerkrieg, vor allem aber zwischen den Offizieren und den Soldatenräten. So gingen denn auch die Beschwerden über die „Doppelregierung“ vor allem von der Generalität aus, genau wie im November 1918 in Deutschland, als die kaiserlichen Generäle von EBERT die Abschaffung der Soldatenräte und die Wiederherstellung der militärischen Befehlsgewalt als Preis ihrer Unterstützung der Mehrheitssozialdemokratie verlangten.
Trotzki bemerkt, daß die Sowjets im Volksbewußtsein die Träger der Macht waren, denn die Repräsentanten der provisorischen Regierung waren ja aus den Sowjets hervorgegangen (KERENSKI, ZERETELLI, SKOBELEW), genau wie 1918 Ebert, SCHEIDEMANN und LANDSBERG aus den Berliner Arbeiter- und Soldatenräten. Sowohl in Rußland wie später in Deutschland waren gerade die „sozialistischen“ Minister prinzipiell den Räten verantwortliche Vertreter der Arbeiterund Soldatenräte. Als aber diese Vertreter mit der Offizierskaste und dem Klassenfeind von gestern kollaborierten und konspirierten, wagten in Rußland wie in Deutschland die Sowjets nicht, die Macht auszuüben bzw. nochmals energisch zu übernehmen, da sie sich von alten Berufspolitikern leiten ließen, die ihre Erfahrungen großenteils im Parteileben gemacht und sich dort den üblichen ängstlichen routinierten Konservativismus geholt hatten, der nach Trotzki die soziale Revolution immer wieder hemmt.
Jedenfalls repräsentierten nach Trotzki – und wir zweifeln nicht daran –, die Sowjets in Rußland 1917 „die Mehrheit der politisch-interessierten Bevölkerung“.(26)
Werfen wir nun einen Blick auf die Arbeiterräte. Die Arbeiter waren vor allem deswegen gegen den Krieg, weil er die für einen modernen Materialkrieg viel zu schwache russische Wirtschaft ruinierte. Das ursprüngliche Interesse der Arbeiter an dem Soldatenaufstand gegen den Krieg und damit an der Beteiligung an der Revolution bestand also in der Verteidigung der Wirtschaft. Wie aus dieser Absicht die Übernahme der Produktion durch die Arbeiter entstand und die russische Revolution damit spontan – ohne irgendwelche Partei-“Losungen“ – einen sozialistischen Charakter erhielt, lassen wir uns am besten von einem beteiligten Arbeiter erzählen. In der Rede des Delegierten WORONKOW, eines Teilnehmers an der ersten Betriebsrätekonferenz am 30. Mai 1917, heißt es u. a.:
„In den Februar- und Märztagen haben die Arbeiter die Werkstätten verlassen und sind auf die Straße gegangen, um ein für allemal die Köpfe der zaristischen Schlange zu zertreten. Fabriken und Betriebe standen still. Eine, zwei Wochen darauf kehrten die Arbeitermassen in die Betriebe zurück. Da sahen sie, daß viele der Betriebe von der Leitung ihrem Schicksal überlassen worden waren. Jetzt mußte man ohne Fabrikleitung arbeiten. Aber wie? Die Betriebe wählten sofort Betriebsräte , mit deren Hilfe das normale Leben in den Fabriken und Betrieben sich wieder einzustellen begann Dann wurde die Revolution ruhiger. Die Flüchtlinge (gemeint sind Unternehmer und Direktoren, Huhn) sahen, dal die Arbeiter gar nicht so blutdürstig sind und kehrten allmählich zurück. Ein Teil, ein ganz kleiner und hoffnungslos reaktionärer Teil, wurde von den Arbeitern nicht herangelassen. Die anderen wurden zugelassen, aber man setzte ihnen Betriebsratsmitglieder an die Seite. So würde tatsächlich eine Kontrolle über alles eingerichtet, was im Betriebe vor sich ging.“
Im Mai 1917 gab es längst eine Arbeiterkontrolle der Produktion, spontan aus der Revolution selbst erwachsen, also bevor Lenin seine entsprechenden Parolen veröffentlichte. Übrigens ging, wie Pokrowski berichtet, der Kampf der Arbeiter gegen den Stillstand in der Produktion und die ständigen Versuche der Unternehmer und Direktoren, die Produktion einzuschränken oder gar stillzulegen, während des ganzen Sommers 1917 weiter. Die Herren hatten die Absicht, „bessere“, d.h. profitablere Tage abzuwarten.(27)
Wir sehen also: die „Doppelregierung“ (Provisorische Regierung und ihr ursprüngliches revolutionäres Massenfundament: die Sowjets) in Rußland wie später in Deutschland repräsentierte nur bei oberflächlicher Anschauung zwei politische Regimes; in Wahrheit standen hinter ihnen zwei verschiedene Klassen: die zur Alleinherrschaft drängende Bourgeoisie, verbündet mit der rechten Sozialdemokratie und den wohlhabenderen bzw. konservativen Bauern, und das Proletariat, verbündet mit den Soldaten und den ärmeren revolutionären Bauern. Die letzteren waren vor allem die Träger der Forderung der Aufteilung des Großgrundbesitzes.
Am 26. (13. a. St.) August 1917 – also etliche Wochen, bevor Lenin sein Programm des Staatskapitalismus und der Arbeiterkontrolle der Produktion verfaßte (Mitte September 1917: „Die drohende Katastrophe und wie soll man sie bekämpfen?“, veröffentlicht Ende Oktober 1917!) – stellte Trotzki bereits fest, daß die Sowjets
„in jedem Betrieb die Alleinherrschaft der Kapitalisten verdrängt hatten und in jedem Unternehmen das republikanische Regime einführten“.
Er fügt aber hinzu, daß dieses „die kapitalistische Anarchie“ ausschließe und faßt dies offensichtlich ganz wörtlich als kapitalistische „Unstaatlichkeit“ auf, denn er fährt fort, daß dies „schleunigst die Staatskontrolle der Produktion fordere“. Die Verdrängung der Alleinherrschaft der Kapitalisten in den Betrieben und die Einführung des „republikanischen Regimes“ in den Unternehmungen erfordern also noch die staatliche Kontrolle der Produktion, obwohl die Kontrolle schon in den Händen der Arbeiter selbst liegt.
Was bedeutete aber im August 1917 der Staat, der die, Kontrolle übernehmen sollte? (Übrigens: neben, über oder ohne Arbeiterkontrolle der Produktion?) Die provisorische Regierung, hervorgegangen aus den Sowjets, hatte die Räte allmählich gezähmt, d.h. ihre obersten Spitzenvertreter, die in der Mehrzahl entweder Menschewiki oder Sozialrevolutionäre waren. Trotzki behauptet, daß die durch den elementaren Drang der Massen auf eine ungeheure Höhe gehobenen Räte unter der Leitung dieser beiden Parteien jede politische Bedeutung verloren hätten. Er schildert ausgezeichnet den hierbei auftretenden inneren Widerspruch dieser kleinbürgerlichen Demokratie: auf der einen Seite stellte sie der Bourgeoisie die politische Macht zur Verfügung und „neutralisierte“ diese durch ihre Koalition mit den bürgerlichen Parteien; auf der anderen Seite mußte sie, um eine Macht innerhalb der Koalition zu repräsentieren, die Sowjets als ihre eigenen Organe verteidigen, damit hinderte sie aber wieder die bürgerliche provisorische Regierung daran, einen Verwaltungsapparat alten Stils im Lande zu schaffen bzw. dem alten neue Autorität zu verleihen. So entwickelte sich 1917 in Rußland durch die „Doppelregierung“ dieselbe Alternative wie 1918 in Deutschland:
„Entweder ergreifen die Sowjets die Macht oder die kapitalistische Regierung müßte die Sowjets vernichten.“
Welcher Staat sollte also die Staatskontrolle der Produktion übernehmen, wenn nicht eine „Sowjetmacht“? Dann konnte aber die Staatskontrolle der Produktion nur eine Konzentration und politische Zusammenfassung der bereits durch die Betriebsräte ausgeübten Produktionskontrolle sein. Oder? Jedenfalls ist eines sicher: die politische Konzentration der Arbeiterräte haben die russischen Proletarier auch schon von sich aus begriffen. Trotzki selbst bezeugt, daß die Initiative für die Einberufung des Allrussischen Kongresses der Arbeiterdelegierten von den Fabrikkomitees ausging und beschränkt die Rolle der Partei auf die Unterstützung dieser Initiative (30. bzw. 17. August 1917). Dem durch die menschewistische und Sozialrevolutionäre Führung zur Bedeutungslosigkeit abgesunkenen Zentralexekutivkomitees der Sowjets will Trotzki gleichzeitig den Petersburger Sowjet, der sich auf die Avantgarde der Arbeiterklasse“ und die mit ihr verbundenen Soldaten stützt, als „Zentrum der neuen revolutionären Mobilisation der Arbeiter, Soldaten und Bauermassen für den Kampf um die Macht“ entgegenstellen. Hier scheint sich also bei Trotzki die bolschewistische Partei (nur sie kann ja die Avantgarde der Arbeiterklasse sein!) nicht auf die Räte, sondern diese sich auf die Partei zu stützen. Es heißt aber bald darauf, daß der Allrussische Kongreß der Arbeiterdelegierten seine Taktik derjenigen des Zentralexekutivkomitees, das auf „revolutionär-bürokratischen Höhen“ schwebe, scharf und unversöhnlich gegenüberstellen müsse:
„Das kann jedoch nur dann erreicht werden, wenn das Proletariat, als Klasse, sich seine eigene zentralisierte Organisation im Reichsmaßstabe schafft,“
Nicht der Allrussische Arbeiter-Rätekongreß stellt also die politische Konzentration der Arbeiterklasse dar, sondern er benötigt selbst noch zu seiner richtigen Führung eine besondere zentralistische politische Organisation, über ihm muß demnach noch die Partei stehen. Zum historischen Vergleich verweist Trotzki auf die französische Revolution von 1848, in welcher das Proletariat heroische Anstrengungen zu einer selbständigen Aktion gemacht habe,
„Aber es besaß weder eine klare, revolutionäre Theorie, noch eine autoritative Klassenorganisation.“
Damit ist unmißverständlich gesagt, daß ein Allrussischer Kongreß der Arbeiterräte keine autoritative Klassenorganisation darstellt, sondern nur die zentralistische bolschewistische Partei.
Die Rolle dieser Partei bestimmt Trotzki durchaus im jakobinischen Sinne, Auch in Rußland handele es sich um die Durchführung einer bürgerlichen Revolution ohne und gegen die Bourgeoisie, und:
„Nur die Diktatur der Jakobiner verlieh der ersten französischen Revolution ihre Hauptbedeutung, stempelte sie zur großen Revolution, Und trotzdem konnte diese Diktatur nicht nur ohne die Bourgeoisie verwirklicht werden, sondern nur unmittelbar gegen sie. ... Es ist klar: die Jakobiner machten die bürgerliche Revolution ohne die Bourgeoisie.“
Trotzki gibt zu, daß die Jakobiner auch zur kleinbürgerlichen Demokratie gehörten, aber dies unterscheide sie von den Menschewiki und Sozialrevolutionären, daß sie trotzdem nicht auf das Kleinbürgertum sich stützten, sondern auf das Vor- und Frühproletariat(28):
„Die Jakobiner stützten sich auf ärmliche und besitzlose Klassen, in denen auch das damalige, noch nicht als Klasse kristallisierte Proletariat einbegriffen war.“
In Rußland hatte sich aber nicht nur bereits das Proletariat als Klasse kristallisiert, sondern sich sogar schon in den Räten spontan organisiert; es brauchte offenbar keine Jakobiner mehr. Wenn wirklich das Pariser Vor- und Frühproletariat, die Sansculotten, noch die Jakobiner nötig hatte, so scheint es vielmehr 1917 in Rußland so gewesen zu sein, daß die modernen Jakobiner das Petersburger Proletariat brauchten, um überhaupt an die Macht zu kommen.
Wir stehen hier vor der Tatsache, daß auch Trotzki sich letzten Endes für die Macht der (jakobinischen) Partei und damit gegen die Macht der (sozialistischen) Räte entschieden hat. Und zwar noch vor der Machtergreifung der bolschewistischen Partei.(29)
Und derselbe Trotzki, der noch 1924 zugeben mußte, daß die Sowjets 1917 im Volksbewußtsein die Träger der Macht waren gibt schon ein halbes Jahr nach dem bolschewistischen „Staatsstreich“ öffentlich und wie selbstverständlich zu, daß die bolschewistische Partei
„gegenwärtig (21. April 1918) als die leitende Partei in den Sowjets, den Organen der Macht, erscheint“.
Es existiert also eigentlich keine Sowjetmacht mehr, sondern es gibt Organe der (Partei-)Macht, eben die Sowjets.(30) Es ist unnötig, noch auszusprechen, wer die Macht tatsächlich innehat und sie durch die Machtorgane ausübt. Es dauert nicht mehr lange, nur noch bis zum 7. Dezember 1919, und Trotzki wird vor einem Räte-Kongreß erklären (auf dem VII, Sowjetkongreß), daß die bolschewistische Partei einen neuen Samurai-Orden darstelle(31):
„Einstmals interessierten wir uns für die japanische Kaste der Samurai, die im Namen des Kollektivs, des nationalen Ganzen niemals vor dem Tore halt machen. Ich muß sagen, daß wir in der Person unserer Kommissare, der an der Spitze marschierenden Kämpferkommunisten, einen neuen kommunistischen Samurai-Orden bekommen haben, der – ohne Kastenprivilegien – für die Sache der Arbeiterklasse zu sterben versteht.“
Daß jedoch dieser neue bolschewistische Samurai-Orden auch noch andere Funktionen auszuüben hatte, geht aus einem Befehl des kriegsrevolutionären Tribunals vom 8. August 1918 hervor, der in Trotzkis Sonderzug ausgegeben wurde und seine Unterschrift in seiner Eigenschaft als Volkskommissar für Militär und Marine und Vorsitzender des höchsten Militärsowjets trägt. Es heißt darin u. a.(32):
„Genosse KAMENSCHIKOW, der von mir bestimmte Kommandant der Schutzwache der Eisenbahnlinie Moskau-Kasan, verordnete, Konzentrationslager in Murom, Arsamas und Swiaschsk zu errichten, wohin alle dunklen Agitatoren, konterrevolutionären Offiziere, Sabotierenden, Parasiten und Spekulanten gebracht werden mit Ausnahme derer, die an Ort und Stelle des Verbrechens erschossen oder vom revolutionären Militärtribunal zu anderen Strafen verurteilt werden.“
Trotzki muß demnach als derjenige Bolschewik gelten; der als erster die Verantwortung für die Einrichtung von Konzentrationslagern im „Räte-Rußland“ trägt. Wir werden in einem anderen Zusammenhang schildern, wie Trotzki, an der Spitze der militärischen Gewalt stehend, die Soldatenräte entmachtete, damit die erste Bresche in das Rätesystem schlug und so selbst schon das Fundament für den bolschewistischen Bonapartismus legte.
Nach der revolutionären Verfassung war Rußland eine Räte-Republik. In der „Gesetzessammlung der Gesetze und Verordnungen der Arbeiter- und Bauernregierung“ (Moskau) heißt es (Nr. 1, Art. 9):
„Alle (Staats-)Gewalt steht fortan den Räten zu. Die Kommissare der zeitweiligen Regierung werden abgesetzt. Die Vorsitzenden der Räte verkehren unmittelbar mit der revolutionären Regierung.“ (Veröffentlicht in der „Zeitung der Zeitweiligen Arbeiter- und Bauernregierung“ – Moskau, Nr, 1 vom 28. Okt. 1917.)
Und in der Nummer 2 der gleichen Gesetzessammlung findet sich ein Aufruf an die Bevölkerung (Art. 22), in dem sich folgende Sätze vorfinden:
„Kameraden! Arbeitende! Denket daran, daß ihr jetzt selbst den Staat regiert. Niemand wird euch helfen, wenn ihr euch selbst nicht vereinigt und die Staatsangelegenheiten in eure Hand nehmt. Eure Räte sind fortan die Organe der Staatsgewalt, bevollmächtigte, entscheidende Organe. Scharet euch um eure Räte, stärket sie. Greift selbst die Sache von unten an, ohne auf jemand zu warten. ... Führt die strengste Kontrolle über Produktion und Verteilung der Erzeugnisse ein. ... Bringt an den einzelnen Plätzen die gesamte Gewalt in die Hände eurer Räte. ...“ (Veröffentlicht in der gleichen Zeitung, Nr. 6 vom 8. November 1917.)
Schließlich sei noch angeführt, daß Nummer 5 dieser Gesetzessammlung die Wahl der Personen des Kommandobestandes in der Armee anordnete und die Rangunterschiede abschaffte; „nur der Stand nach dem bekleideten Amte wird beibehalten“. (Art. 80, veröffentlicht in Nr. 2 der genannten Zeitung vom 2. Dezember 1917)(33)
Nennen wir schließlich noch den ersten Absatz des ersten Artikels der Verfassung der RSFS, angenommen in der Tagung des V. Allrussischen Sowjetkongresses am 10. Juli 1918(34):
„Rußland wird als Räterepublik der Arbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten erklärt. Die gesamte zentrale wie örtliche Gewalt steht diesen Räten zu.“
Ausdrücklich heißt es in den „Allgemeinen Bestimmungen“ (Art. 5, Abs. 9), daß die Hauptaufgabe dieser auf die gegenwärtige Übergangszeit berechneten Verfassung der RSFS „in der Aufrichtung der Diktatur des Proletariats“ bestehe, und zwar „in der Gestalt einer machtvollen Allrussischen Rätegewalt“.(35)
Wir erinnern an die geschichtliche Tatsache der russischen Räterepublik von 1917/18 und an die obigen Auszüge aus den wichtigsten Dokumenten über dieses historische Faktum, weil nur in ihrem Lichte die folgenden Darlegungen in ihrer ganzen Bedeutung erscheinen. Als nämlich ALEXANDRA KOLLONTAI auf dem III. Weltkongreß der KOMINTERN (Juli 1921) prophezeite, daß der Bürokratismus nicht nur die Räte, sondern auch die proletarische Avantgarde (also die bolschewistische Partei) töten würde, wurden damals ihre Worte von ... Leo D. Trotzki, der sich in einer bonapartistischen Machtfülle sondergleichen befand und eben Kronstadt niedergeschlagen hatte, einfach verlacht! (1921) Hören wir also sie selbst, und entscheiden wir dann, wer zuerst diese Gefahren in aller Klarheit gesehen hat, sie oder Trotzki. A. Kollontai verteidigte damals die „Arbeiter-Opposition“.
Einer der Führer dieser „Arbeiter-Opposition“, SCHLJAPNIKOW, hatte eine grundlegende Änderung des „ganzen Organisationssystems der wirtschaftlichen Verwaltung“ gefordert und in seinem Bericht zur Zeit des VIII. Allrussischen Rätekongresses am 30. Dezember 1920 die Grundfrage der „Diktatur des Proletariats“ klar und deutlich aufgeworfen:
„Das Wesen des Streits besteht darin, welchen Weg unsere Kommunistische Partei in der augenblicklichen Übergangsperiode einschlagen soll, wie sie ihre wirtschaftliche Politik durchführen wird: vermittels der in Verbänden organisierten Arbeitermassen oder auf bürokratischem Wege über sie hinweg vermittels der kanonisierten Beamten.“
Dieser Fragestellung stimmte Alexandra Kollontai damals völlig zu, auch sie erblickte in ihr den wesentlichen Streitpunkt. Die Aufgabe der proletarischen Revolution bestehe ja gerade in der „Auffindung der neuen Produktionsformen“, „der neuen Organisationsformen und Antriebe zur Arbeit“. Nach ihrer Auffassung, die sie nach dem VIII. Rätekongreß öffentlich verteidigte, kann der Schöpfer der kommunistischen Wirtschaft nur diejenige Klasse sein, die mit der neu entstehenden, in furchtbaren Wehen geborenen Produktionsform eines produktiveren und vollkommeneren Wirtschaftssystems organisch verbunden ist. Träger der Vergesellschaftung sollen „die Produktionsgemeinschaften der Arbeiter“ sein. Darum unterstützt sie die Forderung der „Arbeiter-Opposition“:
„Die Verwaltung der Volkswirtschaft muß von dem Allrussischen Kongreß der Produzierenden, die sich in Verbänden nach Berufen oder Industriezweigen zusammenschließen, organisiert werden. Diese wählen ein Zentralorgan, das die ganze Wirtschaft der Republik verwaltet.“
Praktisch bedeutete diese These, daß die Verwaltung der kommunistischen Wirtschaft durch die Gewerkschaften wahrgenommen werden sollte. Es war aber im Grunde schon die Antithese zu der Forderung Trotzkis vom 30. Dezember 1920, den Obersten Volkswirtschaftsrat (längst eine bürokratische Behörde!) mit den Gewerkschaften so zusammenwachsen zu lassen, daß die letzteren vom ersteren „aufgesogen“ werden. Nach dem Referat Trotzkis sind nicht die Arbeiter
„die wirklichen Organisatoren der Produktion innerhalb der Gewerkschaft, sondern die sie führenden Kommunisten“,
also die bolschewistische Partei. Die Thesen der Arbeiter-Opposition (deren Führer – außer Schljapnikow wäre noch LUTOWINOW zu nennen – zwei ehemalige Metallarbeiter und seit langem angesehene Parteimitglieder waren) bedeuteten also nichts Geringeres als die Ausschaltung der Partei und ihre Ersetzung durch eine Selbstregierung der in ihren Gewerkschaften organisierten Arbeiter. Rosenberg ist sogar der Ansicht, daß die Arbeiter-Opposition im Grunde die Rückkehr zu der reinen Rätedemokratie von 1917 anstrebte. Jedenfalls erklärte Lenin die Arbeiter-Opposition 1920 als eine anarcho-syndikalistische Abweichung.(36) Darauf antwortete Alexandra Kollontai:
„Ist denn dies Syndikalismus? Ist es nicht umgekehrt dasselbe, was in unserem Parteiprogramm steht? Und weichen nicht vielmehr die Thesen der anderen Genossen von ihm ab?“
Die „anderen Genossen“ waren Lenin und Sinowjew, BUCHARIN und Trotzki. Trotz ihrer eigenen Meinungsverschiedenheiten – bekanntlich gerieten Lenin und Trotzki in der Frage der „Verstaatlichung der Gewerkschaften“, die Lenin ablehnte, hart aneinander – waren sie sich nach Alexandra Kollontai in einem Punkte einig:
„In dem einen Grundsatz stimmen sie alle überein, nämlich, daß die Wirtschaft fürs erste mittels eines bürokratischen Systems, eines Erbstücks der Vergangenheit, über die Köpfe der Arbeiter hinweg verwaltet werden soll. Alle Genossen, die den hohen Parteispitzen angehören, sind sich darin rührend einig. ... Es scheint den Genossen Lenin, Trotzki, Sinowjew und Bucharin, daß die Produktion etwas so ‚Ausgeklügeltes’ sei, daß man ohne ‚Anleitung’ nicht auskommen könne; zuerst müssen die Arbeiter ‚erzogen und gelehrt’ werden ...“
Vor allem von Trotzki erklärt sie, indem sie seine „Offenherzigkeit“ anerkennt:
„Er glaubt nicht, daß die Arbeitermasse reif genug sei, um den Kommunismus zu schaffen und unter schöpferischen Wehen und Irrtümern neue Produktionsformen aufzubauen.“
Schöpferische Wehen und Irrtümer kennt offenbar eine Bürokratie nicht. So spitzt Alexandra Kollontai schließlich die Streitfrage auf die Alternative „Bürokratismus oder Selbsttätigkeit der Massen“ zu.
„Welches Verwaltungssystem des Arbeiterstaates sichert der Klasse im Augenblick der Schaffung der wirtschaftlichen Basis des Kommunismus für ihre schöpferische Tätigkeit einen größeren Spielraum; das System der bürokratischen Staatsorgane oder das System der umfassenden praktischen Selbsttätigkeit der Arbeitermasse?“
Sie wirft den bereits erwähnten Spitzen der Partei vor, plötzlich „zu Verteidigern und Führern des Bürokratismus“ geworden zu sein und bemerkt, daß viele Genossen den folgenden Satz Trotzkis wiederholen:
„Wir leiden nicht darunter, daß wir uns die schlechten Seiten des Bürokratismus angeeignet, sondern darum, weil wir seine guten Eigenschaften nicht angenommen haben.“ (Trotzki, “Vom einheitlichen Wirtschaftsplan“)
Alexandra Kollontai bestimmt den Bürokratismus jedoch richtig als eine direkte Verneinung der Selbsttätigkeit der Massen, für sie gibt es hier weder gute noch schlechte Seiten, sondern nur eine einfache und definitive Verwerfung dieses untauglichen Systems für eine sozialistische Wirtschaft. Und sie stellt bereits – lange bevor die Gefahr von Trotzki bemerkt wurde – fest:
„Der Bürokratismus ist eine Geißel, die bis in die Tiefe unserer Partei durchgedrungen ist und die Sowjetorgane vollkommen zerfrißt.“
Mit dem bürokratischen System sei „die Angst vor der, Kritik und der Freiheit des Denkens“ verflochten. Die Schädlichkeit des Bürokratismus bestehe vor allem
„in der Entscheidung aller Fragen, nicht mit Hilfe eines Meinungsaustausches und einer lebendigen, unmittelbaren Initiative der Interessenten, aber auf dem Wege einer formalen Entscheidung der Frage ‚von oben’, von einer Person oder von sehr begrenzten Kollegien, in denen die Interessenten meist gar nicht anwesend sind.“
Um aber den Bürokratismus, der sich in den Sowjet-Institutionen eingenistet habe, zu vernichten, müsse vor allem der Bürokratismus innerhalb der Partei selbst überwunden werden. Dazu gehöre die Reinigung der Partei von den nichtproletarischen Elementen: „Die Partei muß zu einer Partei der Arbeiter werden!“ Denn: „Staatliche Erwägungen von mehr allgemeinem Charakter fingen an, die Interessen der Arbeiterklasse zu verdrängen.“ Sie fordert die Rückkehr der Partei „zum Prinzip des Wahlsystems“ und
„die Wiederkehr derjenigen Verhältnisse, bei denen alle Hauptfragen des Parteilebens und der Sowjet-Politik von den unteren Schichten besprochen und dann erst von den Spitzen summiert werden.“
Alexandra Kollontai wendet sich gegen eine weitere Erscheinung in der Partei, nämlich gegen das „Kronsbeamtentum“ und das allen gegenüber zum Ausdruck kommende offizielle, formelle Verhalten: „Kameradschaftlichkeit besteht nur noch in den untersten Reihen.“ Diese und die Brüderlichkeit verschwinden eben bei einer Abkehr vom Wahlsystem in der Partei:
„Die Ernennung bestimmter Personen darf nur als Ausnahme zugelassen werden; bei uns ist sie aber zur ‚Regel’ geworden. Das System der Ernennung, dies für den Bürokratismus charakteristische Merkmal, ist zu einer allgemein anerkannten, gesetzlichen Erscheinung geworden. ... Das Prinzip der Ernennung stumpft das Verantwortungsgefühl vor den Massen in derjenigen Person ab, die von ‚oben’ eingesetzt wird; es vertieft die Kluft zwischen oben und unten.“
Als entscheidende Schritte zur Vernichtung des bürokratischen Systems forderte Alexandra Kollontai schließlich die weiteste Öffentlichkeit, die Meinungs- und Diskussionsfreiheit und das Recht der Kritik innerhalb der Partei und in den Gewerkschaften; sowie die Entfernung derjenigen aus der Partei, denen die Öffentlichkeit, die strenge Verantwortlichkeit vor den unteren Schichten und die Freiheit der Kritik unvorteilhaft erscheinen.
Diese Auszüge zeigen, daß die Kritik der Arbeiter-Opposition und Alexandra Kollontais am Bürokratismus weit gründlicher und tiefer war als alles, was Trotzki später darüber schrieb, und zwar erst, als er ein Opfer des bürokratischen Systems geworden war. Auch das Beste, was er dann zu sägen wußte, hat jene Kritik nicht mehr übertreffen können, ja, setzt sie voraus! Noch mehr: Alexandra Kollontai hat in ihrer marxistischen Analyse dieser kritisierten Erscheinungen auch die gesellschaftliche Schicht erkannt, die hinter ihnen steht. Und genau hier gelangen wir an jenen Punkt, den Trotzki noch in seiner Auseinandersetzung mit JAMES BURNHAM und bis zu seinem Tode überhaupt nicht begriffen hat.
Alexandra Kollontai stellte nämlich schon damals folgendes fest: auf dem Gebiete der Verwaltung der Wirtschaft, der Industrie oder der Wiederherstellung der Handelsbeziehungen mit dem kapitalistischen Westen hätten „die Vertreter der größeren Bourgeoisie“ die verantwortlichen und leitenden Posten in den Sowjetorganen inne. Doch nicht nur dieser Rest der früheren Bourgeoisie erzeugte die Krise des bolschewistischen Systems in den Jahren 1920/21, vor der Einführung der NEP, sondern das Durchkreuzen von Tendenzen dreier verschiedener gesellschaftlicher Gruppen: erstens der Arbeiterklasse, zweitens der Bauernschaft und des Mittelstandes und drittens eben der bereits genannten früheren Bourgeoisie. Zu der letzten rechnet nun aber Alexandra Kollontai interessanterweise auch die „Spezialisten, Techniker und Geschäftsleute“. Während der Mittelstand als „Mitarbeiter“ in den Sowjetbehörden und im Intendanturpersonal der Roten Armee untergekrochen war, „bevölkern diese ‚Spezialisten’ jetzt die grundlegenden Wirtschaftsorgane“. Es sind also „Vertreter der früheren kapitalistischen Welt“, denen man in wachsendem Maße die russische Wirtschaft auslieferte. „Nicht den Arbeitern“ und ihren Klassenorganisationen, „sondern den Klassenfremden schenkt die Partei ihr Vertrauen“. Weder die Arbeiter-Opposition noch Alexandra Kollontai glauben aber, daß es möglich sei,
„die kommunistische Wirtschaft und Produktion mit den Händen jener aufzubauen, die aus einer anderen Klasse stammen und die von der Routine der Vergangenheit durchdrungen sind. Wenn wir marxistisch denken, so ist dies unmöglich. Es ist falsch anzunehmen, daß ‚die Leute der Praxis’, die Techniker, die Spezialisten des kapitalistischen Produktionsaufbaus, es plötzlich fertigbringen werden, ihre gewohnten Ansichten und Methoden über die Arbeit, die ihnen anerzogen und von der sie organisch wegen ihres Dienstes für das Kapital durchdrungen sind, aufzugeben und neue kommunistische Wirtschaftsformen zu schaffen beginnen werden.“
Darin erblickt Alexandra Kollontai ein Verdienst der Arbeiter-Opposition, daß sie die Frage aufgeworfen habe, wer denn eigentlich berufen sei, die neuen Wirtschaftsformen zu schaffen, die Techniker, Geschäftsleute aus der zaristischen Zeit, „die mit ihrer ganzen Psychologie mit der Vergangenheit verknüpft sind“ und die hier und da mit ein paar ehrlichen Kommunisten durchsetzten Sowjetbeamten oder die „Kollektiven der Arbeiterklasse“, im vorliegenden Streit: die Gewerkschaften? Und sie schildert schon deutlich genug jene Klasse, die damals zur Macht strebte und sie inzwischen gewonnen hat und mit einer terroristischen Diktatur ohnegleichen ausübt: Es sind die „Leute der Praxis“, die früher herrschenden Bürger des kapitalistischen Systems.
„Sie sind natürlich nicht die großen Kapitalsmagnaten, ... welche ja von der ersten Revolutionswelle fortgeschwemmt wurden, stellen aber – als die talentvollen Diener des kapitalistischen Produktionssystems – das Gehirn, das Genie des Kapitalismus dar – sind seine wahren Schöpfer und Befruchter. Diese Gruppe billigt auf dem Wirtschaftsgebiet die zentralistischen Tendenzen der Sowjetpolitik, beansprucht aber den ganzen Nutzen der Vertrustung und Regulierung der Produktion (womit sich auch das Kapital hier sowie in allen entwickelteren Ländern beschäftigt) für sich. Sie bemühen sich nur um das eine, daß den Arbeitern die getarnte Regulierung durch Arbeiterorganisationen (Industrieverbände) entwunden wird und sie dieselbe durch ihre eigenen Hände unter dem Deckmantel der sowjetwirtschaftlichen Apparate, der Haupt- und Zentralverwaltungen des Volkswirtschaftsapparates, in denen sie schon ziemlich festen Fuß gefaßt haben, leiten. Der Einfluß dieser Herrschaften auf die nüchterne Staatspolitik unserer Spitzen ist groß, sogar größer als wünschenswert ...“
Trotzki dagegen war noch 1929 der Meinung, daß „auch die zahlreichen technischen und intellektuellen Kräfte des Landes“ eine zuverlässige Stütze des Sowjetsystems geworden seien, nicht etwa überzeugt „durch die sozialistische Idee, sondern durch einen Patriotismus, der die elementaren Lehren der Geschichte in sich aufgenommen hat“. Diese Schichten hätten eben das Sowjetsystem als ein System zum Schutze der Unabhängigkeit der Land- und Volkswirtschaft vor imperialistischer, kolonialer Ausbeutung begriffen.(37) Gegenüber der Arbeiter-Opposition trat er aber 1920 mit einem Plan auf, der nichts Geringeres bedeutete als eine weitere Ausdehnung der „Militarisierung der Arbeit“ auch auf die Gewerkschaften, indem sie in den Staatsapparat eingebaut werden sollten. (Wir behandeln diesen kriegswirtschaftlich orientierten Bonapartismus Trotzkis in einem besonderen Aufsatz.) Und Lenin erklärte der Arbeiter-Opposition, wie er eine „Diktatur des Proletariats“ auffaßte:(38)
„Diese Diktatur wird nicht durch eine die gesamte Industriearbeiterschaft erfassende Organisation verwirklicht. Warum nicht? Das können wir nachlesen in den Thesen des II. Kongresses der Kommunistischen Internationale über die Rolle der politischen Partei überhaupt. Hier will ich darauf nicht eingehen. Es ergibt sich also, daß die Partei sozusagen die Avantgarde des Proletariats in sich aufsaugt und daß diese Avantgarde die Diktatur des Proletariats verwirklicht.“
Inzwischen haben wir aber gehört, wie Alexandra Kollontai diese Partei bald darauf charakterisierte. Hören wir sie jetzt nochmals:
„Die Reinheit der Klassenpolitik unserer Partei im Prozeß der Verschmelzung mit dem Sowjetstaatsapparat verwandelt sich immer mehr und mehr in eine Überklassenpolitik, die nichts anderes bedeutet als die ‚Anpassung’ der leitenden Organe an die widersprechenden Interessen der sozial verschiedenartig zusammengesetzten Bevölkerungsschichten.“
Sie verweist mit Empörung auf die Tatsache einer stets wachsenden Ungleichheit zwischen der Lage des Proletariats, des angeblichen „Rückgrats der Diktatur“, und derjenigen der „privilegierten Gruppen“ der Bevölkerung Sowjetrußlands. Der Arbeiter der großen Masse sehe es doch selbst, wie der „Mann der Praxis“ und der Sowjetbeamte lebten und wie er selbst, der die Stütze der proletarischen Diktatur sei, vegetieren müsse. Und Alexandra Kollontai fragt schließlich(39):
„Sind wir wirklich das Rückgrat der Klassendiktatur (so fragen die russischen Proletarier durch die Arbeiter-Opposition, Huhn) oder aber eine willenlose Herde, die denen zur Stütze dient, die – nachdem sie sich von den Massen losgerissen und unter dem sicheren Schutz des Parteiaushängeschildes eingenistet haben – ohne unsere Leitung und unsere schöpferische Klassentätigkeit Politik treiben und die Wirtschaft aufbauen?“
Als aber diese gründliche Kritik des russischen Proletariats an der bolschewistischen Parteidiktatur und an der Entfaltung einer neuen Ausbeutungsgesellschaft geübt wurde, da befand sich Trotzki nicht auf der Seite der Kritiker, sondern auf derjenigen der Kritisierten. Und da hatte er bereits die praktische Kritik der Arbeiter, Soldaten und Matrosen von Kronstadt (März 1921) mit der in Polen eben etwas ramponierten „Roten“ Armee niedergeschlagen.
Die Bolschewiki haben den Kronstädter Aufstand als eine konterrevolutionäre, weißgardistische Aktion zu diffamieren versucht, und ANTONOW-OWSEJENKO sprach von „Meuterern“ und „anarchistischen Partisanen“, Und sogar CLARA ZETKIN ist nicht nur von einem Zusammenhang mit den südrussischen Bauernrevolten überzeugt, sondern erblickt die Rebellion in Kronstadt auch im Lichte des Prozesses gegen die Sozialrevolutionäre (Sommer 1922), in den sie im Namen der Komintern vor dem Obersten Revolutionsgericht sprach und hierzu die Prozeßakten studierte. Aber sie muß im Unterschied zu den Forderungen der Bauernbewegung (Freihandel, Zulassung des Privat- und Auslandskapitals, demokratische Freiheiten, Konstituante) „eine auffallende Variation“ zugeben:
„Es hieß nämlich in Kronstadt: Es leben die Konstituante – und die freien Sowjets ohne die Kommunisten!“
Sie hält diese Forderung für ein formales Zugeständnis der Gegenrevolution an die proletarische Revolution.(40) Räte ohne Bolschewiki! OSKAR ANWEILER behauptete, diese Parole sei nicht von den Kronstädtern aufgestellt, sondern von MILJUKOW in der Emigration erfunden worden (Rätebewegung in Rußland 1905-1921, Leiden 1958, E.J. Brill, Seite 317, Fußnote 229). Darin liegt jedoch das „Geheimnis“ dieser „Pariser Kommune“ im bolschewistischen Rußland. So hatte z. B. die Arbeiter-Opposition durch den Mund Alexandra Kollontais gefordert, daß
„die Zahl der leitenden Funktionäre, die gleichzeitig in den Sowjet- und Parteiorganen Ämter bekleiden, auf das größtmögliche Minimum zu beschränken“
sei. Nun, RUTH FISCHER zitiert nach EMMA GOLDMAN als fünften Punkt des Kronstädter Programms(41):
„Abschaffung der Praxis, in jede Sowjetinstitution Parteivertreter zu delegieren; keine Partei soll bei der Propagierung ihrer Ideen Vorrechte und staatliche Unterstützung haben.“
Schließlich noch den Funkspruch vom 6. März 1921, in dem es u.a. heißt:
„Wir kämpfen für die Macht der Räte, nicht der Parteien Wir treten ein für die freie Wahl von Vertretern der arbeitenden Klassen. Die kommunistisch (man meint: bolschewistisch. Huhn) gelenkten Räte waren unseren Nöten und Forderungen gegenüber immer taub; sie antworteten nur mit Kugeln ...“
Am nächsten Tag begann auf Befehl von Lenin und Trotzki die Artilleriebeschießung Kronstadts. Diesmal antworteten also die Bolschewiki sogar mit Granaten!
Wir haben hier nicht die Absicht, auch nur skizzenhaft eine Darstellung des Kronstädter Aufstandes zu geben, das hat ALEXANDER BERKMAN schon ein Jahr später getan, aus bester eigener Sachkenntnis, da er sich bei Sinowjew für die Kronstädter Arbeiter und Matrosen eingesetzt hatte.(42) Wir möchten nur einige Züge hervorheben, die in unseren Zusammenhang gehören. Ende Februar 1921 war eine Streikbewegung der Petersburger Arbeiter ausgebrochen, welche die Bolschewiki unter Einsatz der „Kursanti“ (Schülern der Kadettenanstalt) unterdrückten und schließlich sogar die Arbeiter einer Fabrik aussperrten, womit diese gleichzeitig ihre Lebensmittelrationen einbüßten. Als die Kronstädter Matrosen davon hörten, sandten sie ein Komitee nach Petersburg, um die Situation zu prüfen. Dieses Komitee erstattete einer Volksversammlung am 1. März 1921 in Kronstadt Bericht, die offiziell von der 1. und 2. Brigade der Linienschiffe der Baltischen Flotte einberufen worden war und an der etwa 16.000 Matrosen der Roten Flotte, Soldaten der Roten Armee und Arbeiter teilnahmen. Die empörte Versammlung beschloß jene berühmte Kronstädter Resolution, deren Forderungen wir zum Teil schon kennen und die hier noch ergänzt seien:
1. Sofortige Neuwahlen der Sowjets mit geheimer Abstimmung;
2. Rede- und Pressefreiheit für Arbeiter und Bauern, für alle linksgerichteten sozialistischen Parteien und die Anarchisten;
3. Befreiung aller politischen Gefangenen der sozialistischen Parteien, ebenso der Arbeiter, Bauern, Rotgardisten und Matrosen, die anläßlich der damals das bolschewistische Rußland aufwühlenden Arbeiter- und Bauernbewegungen verhaftet und gefangengehalten wurden.
Gegen diese Resolution erhoben nur der bolschewistische Präsident des Exekutivkomitees des Kronstädter Sowjets, WASSILJEW, und der anwesende Präsident der RSFS, KALININ, Einspruch. Die Versammlung sandte eine Kommission an" die streikenden Arbeiter in Petrograd, um mit ihnen ein gemeinsames Vorgehen zu beraten. Sie bestand aus dreißig Mitgliedern und wurde sofort beim Betreten der Stadt von den Bolschewiki verhaftet. Man hat nie wieder etwas von ihnen gehört. Unmittelbar nach der Versammlung, am Morgen des 2. März 1921, wurde ein von Lenin und Trotzki unterzeichneter Befehl herausgegeben, in dem die Kronstädter Bewegung als ein bewaffneter Aufstand (Mjatosch) gegen die Räteregierung erklärt wurde! Während in Kronstadt außer dem Oberkommissar der Baltischen Flotte, KUSMIN, und Wassiljew kein Bolschewik verhaftet, geschweige denn erschossen wurde, erklärte Trotzki den Kronstädter Rebellen nach einem üblen publizistischen Verleumdungsfeldzug am 6. März 1921:“Ich werde euch wie die Fasanen niederknallen!“ Der Vermittlungsversuch Berkmans bei Sinowjew scheiterte; Sinowjew selbst hielt in der Sitzung des Petrograder Sowjets am 4. März 1921 eine Hetzrede gegen Kronstadt und es war sein engster Mitarbeiter JEWDOMIKOW,der die Resolution einbrachte, in der Kronstadt des konterrevolutionären Aufruhrs angeklagt und seine sofortige Unterwerfung gefordert wurde. Trotzki war auf der Tagung nicht anwesend, traf aber in der Nacht zum 5. März noch ein. Er und Stalin erhielten den Auftrag zur Liquidierung Kronstadts. TUCHATSCHEWSKI übernahm die Generalstabsarbeit, Trotzki die offizielle militärische Heldenrolle und Stalin die Liquidierung des Aufstandes, als nach zehntägigen Kämpfen Kronstadt gefallen war. Trotzki beeilte sich in Petersburg ebenfalls um die Liquidierung der dortigen Arbeiterbewegung. Das Ergebnis des Sieges von Trotzki, Stalin und Tuchatschewski in Kronstadt waren etwa 14.000 Leichen. Man hatte sich also die Mühe gegeben, so ziemlich jene ganze rebellische Volksversammlung vom 1. März 1921 zu vernichten.
Prinzipiell gesehen bedeutet die Niederwerfung der Kronstädter Erhebung gegen die Bolschewiki die endgültige, nicht mehr wegzudiskutierende, politisch-praktische Entscheidung Lenins und Trotzkis für die Parteimacht und gegen die Rätemacht. Daran kann ebenso wenig gezweifelt werden wie an der eindeutigen, unbestreitbaren politisch-praktisch Entscheidung Eberts und NOSKEs für die Parteimacht und gegen die deutschen Räte seit dem Abend des 9. November 1918. Wenn Alexander Berkman Kronstadt mit der Pariser Kommune, Lenin mit THIERS und Trotzki mit GALLIFET vergleicht, so bietet sich also noch ein anderer Vergleich für Trotzki an, und es ist Noske selbst, der ihn uns nahelegt: Als er einmal von seiner Absicht der Reorganisation der deutschen Armee unter sozialdemokratischer Obhut sprach, rühmte er sich, daß er „der Trotzki Deutschlands“ hätte werden können!(43)
Seit Kronstadt ist der ganze „Trotzkismus“ nur noch eine Apologie der Entscheidungen und Taten Trotzkis von 1917 bis 1921 und damit eben zugleich eine Apotheose des Bolschewismus jener Periode. Seit dem Frühjahr 1921 sinkt deshalb auch unter dem Zwang dieser Apologetik Trotzkis dialektische Methode auf das Niveau jener „Eristischen Dialektik“ SCHOPENHAUERs ab, die bereits dem jungen Trotzki zur Begründung i seiner Lieblingsmethode bei der Diskussion diente.(44) Ebenso wird seine Geschichtsschreibung in manchen entscheidenden Punkten durch seine apologetischen Bedürfnisse beeinträchtigt. Nehmen wir beispielsweise seine Perspektive der „Permanenten Revolution“, die der Lenin'schen Konzeption über die russische Revolution diametral entgegengesetzt war. Wir hörten bereits die Meinung von Martynow, daß diel erste Periode der Oktoberrevolution (1917 bis 1920) nicht der ursprünglichen Auffassung Lenins, sondern derjenigen Trotzkis von 1905 entsprochen habe. Er entwickelte sie in dem Schlußkapitel seines Werkes über die Geschichte der Revolution von 1905/06 und gerade im Hinblick auf seine „Perspektiven der russischen Revolution“ hat einmal LUNATSCHARSKI ihn als „orthodoxer denn Lenin“ bezeichnet. Trotzki hat mehr als ein Jahrzehnt zuvor den Charakter der russisehen Revolution – wenigstens in ihrer ersten Phase: bauerliche und damit bürgerliche Revolution, aber nicht unter Führung des städtischen Bürgertums, sondern des städtischen Fabrikproletariats, das sie in Permanenz erhalten sollrichtig vorausgesagt. Damit ist gleichzeitig gesagt, daß die ursprüngliche Konzeption Lenins von der Tagesordnung der Geschichte einfach abgesetzt wurde. Und es ist Trotzki selbst, der den letzten Brief ADOLF JOFFES vor seiner Selbsttötung (16. November 1927) an ihn anführt, in dem es u. a. heißt:
„Sie haben von 1905 an politisch immer Recht gehabt, und auch Lenin gab zu – ich erzählte Ihnen ja oft, daß ich es mit eigenen Ohren von ihm hörte –, im Jahre 1905 seien Sie und nicht er im Recht gewesen. Im Angesicht des Todes lügt man nicht, und ich wiederhole es Ihnen heute.“
In dem gleichen Bande jedoch, der im „Anhang“ diesen Brief enthält, finden wir auch den Abschnitt über „Wirkliche und angebliche Meinungsverschiedenheiten“, in dem es unter Punkt 18 heißt(45):
„Wir haben vor der ganzen kommunistischen Internationale gesagt: ‚Es ist nicht wahr, daß wir Trotzkismus verteidigen. Trotzki hat der Internationale erklärt, daß in allen grundsätzlichen Fragen, über die er sich mit Lenin gestritten hatte. Lenin im Recht war – besonders in der Frage der ständigen Revolution und des Bauerntums’. Diese, für die ganze kommunistische Internationale bestimmte Aussage weigert sich die Stalingruppe zu drucken. Sie fährt fort, uns des Trotzkismus zu beschuldigen. Natürlich bezieht sich diese Aussage auf zurückliegende Meinungsverschiedenheiten mit Lenin und nicht auf die von Stalin und Bucharin gewissenlos erfundenen angeblichen Zwistigkeiten.“
Als aber Trotzki in der erzwungenen Muße seiner Verbannung in Alma Ata 1928 seine alten Schriften über die permanente Revolution „mit einem Bleistift in der Hand“ wieder nachprüft, kommt er erneut zu dem Ergebnis, daß er
„gerade aufgrund seiner Konzeption, d.h. der Theorie der permanenten Revolution, ... die Unvermeidlichkeit der Oktoberrevolution dreizehn Jahre vor ihrer Verwirklichung“ vorausgesagt“
habe. Und so unternimmt er den Versuch, die Theorie der permanenten Revolution so wiederherzustellen, wie sie von ihm 1905 erstmalig formuliert wurde. Doch mit einem bemerkenswerten Zusatz(46):
„Ich zeige, worin sich meine Position von der leninschen tatsächlich unterschied und wie und weshalb sie sich in allen entscheidenden Situationen mit der Position Lenins deckte.“
Seine apologetische Methode mildert also nunmehr die Schärfe, ja Unvereinbarkeit der früheren Positionen Lenins und Trotzkis zueinander und besteht im wesentlichen in Beweisversuchen für die folgenden Behauptungen, die gleichzeitig Überschriften und Titel seiner Arbeiten darstellen:
„Mit Lenin in der Internationale“ – „Mit Lenin in der Bauernfrage“ – „Lenins Blankovollmacht“ (für Trotzki im Juli 1919) – „Mein Einvernehmen mit Lenin im Industrieaufbau“ – „Mit Lenin gegen Stalin“ – „Mit Lenin gegen Stalin, Rykow, Kalinin und Bucharin“.
Um die ganze Schärfe der Gegnerschaft Trotzkis gegenüber Lenin vor 1917 zu kennzeichnen und gleichzeitig zu beweisen, daß Trotzki sogar schon 1909 jene „Entartung“ der bolschewistischen Diktatur vorausgesehen hat, die er allerdings selbst erst frühestens 1923 in ihren Anfängen bemerkte, als seine Macht nach der Liquidierung des „Kriegskommunismus“ und in den ersten Jahren der NEP-Periode notwendig zusammenschmolz, begnügen wir uns mit einigen Sätzen aus einem Artikel Trotzkis, der in der polnischen Zeitschritt „Przeglad Social-demokratyczny“ – „wahrscheinlich im Jahre 1909“ erschien. Trotzki, dessen „permanente Revolution“ die Diktatur nur des Proletariats erfordert, wendet sich hier gegen Lenins These von der revolutionär-demokratischen Diktatur des Proletariats und des Bauerntums und wirft Lenin vor, er verlange vom siegreichen Proletariat nicht nur die Beschränkung auf eine nur bürgerlich-bäuerliche Revolution, sondern trete sogar dafür ein,
„die politische Selbstbeschränkung des Proletariats durch eine anti-sozialistische ‚Garantie’ in Gestalt der Bauern als Mitarbeiter zu ergänzen“,
Trotzki sieht für den Fall einer Verwirklichung der Lenin'schen Konzeption einen baldigen „Konflikt des Proletariats mit der revolutionären Regierung“ voraus und erblickt zu seiner Lösung nur die folgende Alternative:
„Dieser Konflikt kann entweder mit einer Zähmung der Arbeiter durch die Bauernpartei oder mit der Beseitigung der letzteren von der Macht enden.“
Das ganze Unglück liege darin, daß damit die Bolschewiki den Klassenkampf des Proletariats nur bis zum Augenblick des Sieges der Revolution führen, dann müßten sie das Proletariat von der Durchführung seiner Klassenaufgaben abhalten, da die Bauern keinen Sozialismus haben wollten. Den Unterschied zwischen der menschewistischen und der bolschewistischen Revolutionsperspektive bestimmte Trotzki damals folgendermaßen:
„Während sich die anti-revolutionären Seiten des Menschewismus mit aller Kraft schon jetzt zeigen, droht von den anti-revolutionären Zügen des Bolschewismus eine große Gefahr erst im Falle eines revolutionären Sieges.“
In seinem Buch über die Revolution von 1905, in dem er diesen Artikel von 1909 zitierte, fügte er nun Anfang 1922 diesem eine Bemerkung hinzu, die seinen Gegnern wenige Jahre später als Beleg für den „Trotzkismus“ diente:
„Dies (also die anti-revolutionäre Gefahr durch den Bolschewismus) ist bekanntlich nicht eingetreten, da der Bolschewismus unter Führung des Genossen Lenin – nicht ohne inneren Kampf – seine ideelle Umgestaltung in dieser äußerst wichtigen Frage im Frühjahr 1917, d.h. vor Eroberung der Macht, vollzogen hatte.“
Die Stalinisten bewiesen damit, daß Trotzki der Ansicht gewesen sei, nicht er sei zum Bolschewismus, sondern der Bolschewismus zu ihm übergegangen.(47)
Halten wir also an diesem Beispiel ein für allemal das Prinzip der Apologetik Trotzkis fest:
Er drückt unmißverständlich die Ansicht aus, daß Lenin im Frühjahr 1917 zur Position der „permanenten Revolution“ übergegangen sei und seine Partei unter Überwindung des erheblichen Widerstandes der alten Bolschewiki (KAMENEW, Sinowjew, STALIN u.a. m.) im trotzkistischen Sinne umorientiert habe.
Der frühere Menschewik Martynow stellt fest, daß die Oktoberrevolution in Durchführung der Perspektive Trotzkis 1921 in eine Sackgasse geriet, „indem sie das Proletariat von der Bauernschaft losriß“ und zu einem weitgehenden Rückzug der bolschewistischen Partei gezwungen habe (NEP). Nach demselben trat er in die bolschewistische Partei ein.
Trotzki erklärt vor der ganzen KOMINTERN, daß Lenin in der Frage der „permanenten Revolution“ Recht gehabt hätte.
Trotzki behauptet erneut, daß der Verlauf der Revolution seiner Prognose von 1905, d.h. der Perspektive der „permanenten Revolution“ entspreche.
Trotzki bemüht sich, seine Gegensätze mit Lenin vor 1917 zu mildern und zu beweisen, daß er in allen grundsätzlichen und entscheidenden Fragen mit Lenin übereinstimme.
Und dabei ist es seitdem geblieben!
In jener Schrift, in welcher er die Stalin'schen Fälschungen der Geschichte der Oktoverrevolution anprangert, erklärt er bereits 1929(48) ,
„daß meine Meinungsverschiedenheiten mit Lenin von sehr nebensächlicher Art waren und ich mich als ein entschiedener Revolutionär immer mehr – und zwar nicht nur in Worten, sondern auch in Taten – zum Bolschewismus hin entwickelt habe“.
Diese Äußerung bezieht sich auf seine Tätigkeit während des 1. Weltkrieges. Ja, als Trotzki demissionierte, seine Position als Vorsitzender des Revolutionären Kriegsrates niederlegte (15. Januar 1925), ging er sogar so weit, seine eigene Lehre als längst liquidiert zu erklären:
„Ich dachte im Laufe der letzten acht Jahre kein einzig ges Mal daran, an irgendein Problem vom Gesichtspunkt des sogenannten ‚Trotzkismus’ aus heranzutreten. Der Trotzkismus war und ist für mich längst liquidiert.“
Und Trotzki behauptet, dieser Ausdruck sei überhaupt erst im Laufe der Diskussion über sein Buch „1917. Die Lehren des Oktober“ aufgetaucht.(49) Wir wissen aber bereits, daß Trotzki seine Theorie zumindest im Jahre 1922 noch nicht liquidiert haben konnte.
Trotzkis politische und prinzipielle Haltung nach 1925 ist also nur durch seinen Gegensatz und Kampf gegen die alten Leninisten zu verstehen. Immer wieder versucht er, den vergeblichen Nachweis zu führen, daß nicht die „Alte Garde“ der Bolschewiki – von denen nur noch Stalin übrig geblieben ist –, sondern er die wahren Gedanken und Absichten Lenins gegen seine stalinistischen Epigonen vertrete und verfechte. Spätestens im Winter 1920/21 hatte Trotzki aber einsehen müssen, daß die bolschewistische Partei nicht trotzkistisch geworden war. Und nachdem selbst Lenin 1921 den trotzkistischen Kurs unter dem Druck der Bauernbewegungen und seiner alten Parteigenossen revidieren und zu seiner ursprünglichen, eigenen Konzeption zurückkehren mußte, war der Sturz Trotzkis nur noch eine Frage der Zeit. Auch Lenin hätte Trotzki in dieser Frage nicht mehr gegen die Parteimehrheit unterstützen können, und Trotzki wußte das, als er den Übergang zur NEP, die doch seiner Konzeption ein Ende machte, ohne Widerstand geschehen ließ.(50) Ja, Lenin hätte auch, wenn er 1925 noch gelebt hätte, Trotzki nicht mehr halten können. Trotzki war der Mann des „Kriegskommunismus“, er stand mit ihm und er fiel mit ihm.
Wir haben gesehen, daß Trotzki schon vor dem bolschewistischen „Staatsstreich“ die Macht der Partei über die Macht der Räte stellte. In diesem Punkte war aber Trotzki ebenso sehr Menschewik wie Bolschewik, die Überordnung der Partei bzw. der Parteien über die Räte ist nicht allein „bolschewistisch“, sondern allgemein „sozialdemokratisch“.
Hätte Trotzki nun nicht wenigstens nach seinem Sturz (1925) die Gefahr einer Parteidiktatur über das Proletariat – trotz seiner militärischen Niederwerfung des Kronstädter Aufstandes – einsehen müssen? Berichtet er doch selbst von seiner letzten Unterredung mit Lenin (Ende 1923), er habe sich mit ihm zu einem „Kampf gegen den Bürokratismus des leitenden Parteibüros“ verbunden, dessen Vorsitzender Stalin als Generalsekretär war.(51) Und hatte Trotzki nicht 1926 während einer Versammlung des Politbüros Stalin ins Gesicht gesagt, er sei ein Kandidat für das Amt des Totengräbers der Partei?(52) Außerdem hatte der XII. Parteitag schon auf Betreiben der alten Bolschewiki (Lenin war bereits durch seine schwere Erkrankung nicht mehr imstande, an ihm teilzunehmen) eine Resolution angenommen, die klar und deutlich u. a. erklärte (April 1923)(53):
„Alle Bemühungen, den Staat von der Partei selbständig zu machen, sind Gegenrevolution; der Partei muß die faktische Herrschaft und die Leitung des Sowjetapparates und der Wirtschaft des Staates gesichert bleiben.“
Das war noch vor dem offenen Ausbruch des Kampfes zwischen Trotzki und dem Triumvirat Kamenew-Sinowjew-Stalin, das ihn zu seinen Besprechungen nicht mehr hinzuzog und damit allmählich ausschaltete (Ende 1923).
Alle diese Erfahrungen haben Trotzki nicht veranlassen können, die bolschewistische Auffassung von der Rolle der Partei aufzugeben; in diesem Punkte war er tatsächlich Bolschewik geworden und blieb es auch, wie wir bald sehen werden.
Das bereits erwähnte Buch Trotzkis: „1917. Die Lehren der Revolution“ war bekanntlich der unmittelbare Anlaß für den Ausbruch des Konfliktes mit den alten Bolschewiki und damit der Auftakt zu seinem Sturze (1924). Was aber die „Alte Garde“ darin ärgerte, das war die Aufzeigung ihrer teils hemmenden, teils ablehnenden Haltung in der Frage der Machtergreifung im Oktober 1917, bestimmt aber nicht die darin entwickelten Auffassungen Trotzkis über die Bedeutung und die Rolle der Partei. Trotzki kann sich wie der Leninismus die proletarische Revolution nicht ohne die Partei vorstellen, ohne sie gibt es keine. Den Unterschied zwischen der bürgerlichen und der proletarischen Revolution bestimmt er folgendermaßen:
„Die proletarische Revolution unterscheidet sich gerade dadurch, daß in ihr das Proletariat nicht nur die treibende, sondern durch seine Vorhut auch die führende Kraft, ist. Die Rolle, die in den bürgerlichen Revolutionen die ökonomische Macht der Bourgeoisie, ihre Bildung, ihre städtischen Verwaltungen und Universitäten gespielt haben, kann in der proletarischen Revolution nur die Partei des Proletariats innehaben.“
Hier haben wir schon die bolschewistische Grundansicht: die Arbeiterklasse soll zwar nicht mehr eine nur treibende, sondern eine sich auch selbstführende Klasse sein, aber diese Selbstführung kann nicht die ganze Klasse verwirklichen, sondern nur ihre Avantgarde. Und soweit darunter die bolschewistische Partei verstanden werden muß, geht sie historisch nicht einmal aus der Arbeiter-, sondern aus der Intellektuellenbewegung hervor und zieht nur begabte Proletarier endgültig aus der Fabrik heraus, um sie in sich aufzusaugen. So versteht denn auch Trotzki unter dem Bolschewismus eine bestimmte Erziehung zu einem ganz bestimmten Typus einer politischen Organisation, nämlich
„eine solche Organisation des proletarischen Vortrupps, durch den ihm eine bewaffnete Ergreifung der Macht ermöglicht wird“.
Die Aufgabe dieser Organisation der proletarischen Avantgarde, eben der Partei, ist völlig im Hinblick auf den bewaffneten Aufstand bestimmt.
„Doch hat die ganze vorbereitende Arbeit insofern einen Wert, als sie die Partei und in erster Linie ihre führenden Organe in die Lage versetzt, den Augenblick des Aufstandes zu bestimmen und den Aufstand zu leiten. Denn die Aufgabe der kommunistischen Partei ist die Eroberung der Macht, mit dem Ziele, die Gesellschaft umzugestalten.“
So taucht die alte Idee der „Narodnaja Wolja“: „Alles für das Volk – durch einen Teil desselben“ (die Formel der „Narodowolzi“ im Unterschied zu derjenigen der älteren Narodniki: „Alles für und durch das Volk“) im Leninismus und bei Trotzki ebenso wieder auf wie die andere alte Vorstellung, daß die revolutionäre Organisation „die Gewalt usurpieren“ und mit ihrer Hilfe eine „ökonomische Umwälzung“ vollziehen solle. Bei MARX und Engels dagegen soll die Staatsmacht nur als die Bastion des Kapitalismus erobert werden, um die Macht der Gesellschaft von ihren letzten politischen Fesseln zu befreien.
Wenn natürlich die Partei vor allem für den bewaffneten Aufstand organisiert wird, dann ist es auch verständlich, wenn Trotzki schreibt: „Das Hauptmittel des proletarischen Umsturzes ist die Partei.“ Wie war es nun aber im Oktober 1917? Da standen sich zwei Auffassungen gegenüber. Nach der einen sollte
„die Vorbereitung zum Umsturz und dieser selbst durch die Partei und in ihrem Namen geschehen und erst der Sieg vom Sowjetkongreß besiegelt werden“.
Nach dem oben Gelesenen müßten wir denken, daß diese Meinung diejenige Trotzkis gewesen sei. Weit gefehlt! Dies war Lenins Ansicht über „die Kunst des bewaffneten Aufstandes“. Das Zentralkomitee nahm auf Betreiben Trotzkis diesen Vorschlag nicht an und verfuhr in seinem Sinne und das hieß:
„Der Aufstand wurde in das Fahrwasser der Sowjets geleitet und agitatorisch mit dem zweiten Sowjetkongreß verbunden.“
Trotzki beeilt sich aber hinzuzufügen, daß „dieser Zwiespalt“ zwischen Lenin und ihm „keine Prinzipienfrage, sondern eher technischer Art“ sei. Wir glauben ihm das gerne und studieren seine Darstellung besonders im Hinblick auf die Rolle, welche die Räte neben der Partei spielen dürfen. Wir haben jetzt schon den Eindruck, als ob die Leitung des Aufstandes in das Fahrwasser der Räte und seine agitatorische Verbindung mit dem II. Rätekongreß nur die Machtergreifung der Partei „tarnen“ sollte. Tatsächlich macht Trotzki in seiner weiteren Darstellung daraus keinen Hehl. Er schreibt,
„daß die Vorbereitungen zum Aufstand durch die Vorbereitungen zum II. Sowjetkongreß verdeckt wurden, unter dem Verwande, dieser müsse geschützt werden“.
Trotzki gelang unter diesem Vorwand ein glücklicher Schachzug: nämlich einen Befehl Kerenskis, zwei Drittel der Petersburger Garnisontruppen an die Front zu schicken, durch den Petrograder Sowjet unter Protest zurückzuweisen und am 16. Oktober das Kriegsrevolutionäre Komitee zu bilden, welches das Verbleiben der Truppen anordnete. Damit war praktisch der Aufstand schon gewonnen, wie Trotzki richtig hervorhebt, und es dürfte auch stimmen, daß Lenin diesen Umstand in seiner vollen Bedeutung nicht erkannte, da er sich ja außerhalb Petersburgs befand.
„Wir hatten es in Wirklichkeit mit einem bewaffneten, wenn auch unblutigen Aufstand der Petrograder Regimenter gegen die zeitweilige Regierung zu tun, der unter der Leitung des kriegsrevolutionären Komitees stand und angeblich die Aufgabe hatte, den II. Sowjetkongreß, auf dem das Schicksal der Regierung entschieden werden sollte, zu schützen.“
Dieser „stille“, fast „legale“ Aufstand vom 16. Oktober habe es erst ermöglicht, den Zeitpunkt der Machteroberung dem Moment des Zusammentrittes des II. Sowjetkongresses (25.Oktober) anzupassen. Möglich war dies nur durch die Doppelregierung, d.h. durch das Recht der Räte, Entscheidungen der provisorischen Regierung zu überprüfen und zu korrigieren.
„Damit hatten wir durch die Traditionen und Gepflogenheiten der legalisierten Doppelregierung den tatsächlichen Aufstand der Petrograder Garnison maskiert.“
Trotzki hat also die Räte zur Maskierung des bewaffneten Aufstandes der bolschewistischen Partei mißbraucht, „den Rahmen der sowjetischen Legalität für den bolschewistischen Aufstand“ benutzt. „Unter der Losung des Kampfes für den II. Kongreß gewannen wir und gliederten uns organisatorisch die Waffen der revolutionären Armee an.“ Wir lernen zugleich daraus, was die Bolschewiki unter einer „Losung“ verstehen. Trotzki kommt noch einmal auf den „technischen Zwiespalt“ zwischen ihm und Lenin in einer sehr bezeichnenden Weise zu sprechen:
„Die Organisation des bewaffneten Aufstandes unter der Parole: Ergreifung der Macht durch die Partei ist eine Sache; die Vorbereitung und spätere tatsächliche Durchführung des Aufstandes mit der Losung: Verteidigung der Rechte des Sowjetkongresses, sind etwas ganz anderes.“
Demnach scheinen sich eine „Parole“ und eine „Losung“ genau so zu unterscheiden, wie z. B. die Wahrheit und die Lüge. Trotzki berichtet aber, daß der II. Rätekongreß nicht nur das Schicksal der provisorischen Regierung klären, sondern auch die Lösung der Machtfrage bringen sollte. Bedeutet dies etwa eine Anerkennung des Rätesystems, die Absicht, seine Macht zu verstärken, ihm die politischen Entscheidungen zu überlassen? Trotzki gibt auf diese Fragen eine ebenso klare wie zynische Antwort:
„Die zeitliche Annäherung des Aufstandes und des II. Sowjetkongresses bedeutete demnach nicht, daß wir irgendwelche, wenn auch noch so naive Hoffnungen (!, Huhn) hegten, der Kongreß könnte die Machtfrage von sich aus entscheiden. Ein solcher Fetischismus der Sowjetform war uns ganz fremd.“
Vielleicht hegten aber die Petersburger und Kronstädter Soldaten, Matrosen und Arbeiter derartige „naive Hoffnungen“? Und vielleicht wurden sie sogar in ihnen durch die „Losung“ bestärkt? Vielleicht glaubten deshalb auch sie an das, was die Bolschewiki vorgaben, während es sehr unwahrscheinlich ist, daß die provisorische Regierung dies glaubte, d.h. wie Trotzki es hinstellt,
„diese Leute glaubten tatsächlich, es handelte sich für uns um den Sowjetparlamentarismus (!, Huhn), um den neuen Kongreß, aus dem eine neue Resolution über die Machtfrage hervorgehen werde, nach dem Beispiel der Moskauer und Petrograder Sowjetresolutionen.“
Die Räte, die sich nach Trotzki sowohl 1905 wie 1917 als „natürliche Organisationsform“ der Arbeiter- und Soldatenbewegung bildeten, sind also nach seiner und Lenins Meinung nur Organe des Kampfes um die Macht ... der Partei. Sobald sie spontan entstanden sind, haben sie der Partei als Stufe zur Machtergreifung zu dienen:
„Man darf nicht vergessen, daß die Sowjets noch in der ‚demokratischen’ Etappe der russischen Revolution entstanden, daß sie auf dieser Etappe legalisiert worden und daß sie dann an uns übergegangen sind und von uns nutzbar gemacht wurden.“
Nur „im Volksbewußtsein waren die Sowjets die Träger der Macht“, jedoch die Bolschewiki wußten dies besser. Und wenn die Räte sich nicht ausnutzen ließen? Dann konnten sie zum Teufel gehen, dann wurde – wie von Lenin im Juli 1917 – gegen sie ein „Kampf“ eröffnet, der sich „gegen den Fetischismus in bezug auf die Organisationsformen der Sowjets“ richtete. Dabei spricht Trotzki selbst von jener großen neuen revolutionären Bewegung der Jahre 1914/15, die wahrscheinlich nur durch den Kriegsausbruch sich nicht voll entfalten konnte und schreibt darüber:
„Es spricht aber vieles dafür, daß, wenn die siegreiche Revolution sich auf dem Wege weiterentwickelt hätte, den ihr die Juli-Ereignisse von 1914 eröffnet haben (man stelle sich vor, daß gleichzeitig in Deutschland Gewerkschaften und Sozialdemokratie den politischen Massenstreik ausgerufen hätten! Huhn), nach Beseitigung des Zarentums die revolutionären Arbeitersowjets ans Ruder gekommen wären, die durch die linken ‚Narodniki’ (in der ersten Zeit!) auch die Bauernmassen in ihr Lager hinübergezogen hätten.“
Es ist also nicht daran zu zweifeln, daß sich Trotzki vollkommen darüber im klaren ist, daß jede revolutionäre Bewegung der Arbeiterklasse sich organisatorisch in der Form der Räte ausdrücken wird, die dann vor die Entscheidung gestellt werden, „entweder unterzugehen oder die Macht tatsächlich zu ergreifen“. Aber, betont der Bolschewik Trotzki ausdrücklich,
„die Macht ergreifen konnten sie nicht in ihrer Eigenschaft als demokratische Koalition der Arbeiter und Bauern, die sich aus vielen Parteien zusammensetzte, sondern nur durch die proletarische Diktatur, die von einer einzigen Partei geführt wird, ...“
Und wenn sich die Räte von einer einzigen Partei nicht führen lassen? Dann, erklärt Trotzki, „wäre die Revolution über unsere Partei hinweggegangen, und wir hätten zum Schluß einen Aufstand der Arbeiter- und Bauernmassen ohne Parteiführung erlebt“. Und wenn da ein Arbeiter fragen würde: „Na und?“, dann würde ihm Trotzki „mit anderen Worten“ sagen, daß dies eben die „Katastrophe“ bedeute. Vielleicht antwortet darauf unser Arbeiter: „Für die Partei!“ Trotzki jedoch behauptet:
„Ohne die Partei, unter Umgehung der Partei, durch ein Surrogat der Partei kann die proletarische Revolution nie siegen. Das ist die Hauptlehre des letzten Jahrzehntes.“
Wir überblicken heute einige Jahrzehnte mehr und sind zu der Einsicht gekommen, daß es immer die Parteien gewesen sind, die der proletarischen Revolution den Sieg aus den Händen schlugen; und als Trotzki die obigen Sätze schrieb, waren nach dem russischen Hauptbeweis für diese These (Kronstadt) schon drei Jahre vergangen. Es war in Rußland auch gerade die bolschewistische Partei, welche die Arbeiterrevolution liquidierte. Die Lehre der Geschichte sagt uns, daß die sozialistische Arbeiterrevolution ihr Organisationsprinzip bisher stets in Form der Räte zum Ausdruck brachte, und es ist demgegenüber Trotzki, der fordert, die Sowjets „zweckentsprechend zu gestalten“, d.h. „als biegsame, lebendige Kampfform“ für die Machteroberung durch die Partei, aber „nicht als Organisationsprinzip, das in die Partei eindringt und ihre natürliche Entwicklung stört“, Man sollte nun eigentlich annehmen, daß Trotzki von der unvermeidlichen „Entartung“ einer politischen Organisationsform, die sich dem Räteprinzip verschließt, genug hätte. Aber wir sehen immer wieder, daß Trotzki „in letzter Analyse“ nichts anderes gegen das bolschewistische Organisations- und Massenbeherrschungsprinzip einzuwenden hat, als daß er nicht an seiner Spitze steht.
Zum Abschluß unserer kritischen Betrachtung der Kampfschrift Trotzkis gegen das Triumvirat Kamenew-Sinowjew-Stalin sei nur noch auf einen Umstand hingewiesen, der uns ganz besonders angeht. Nach den von Trotzki formulierten Voraussetzungen der „Kunst des bewaffneten Aufstandes“, damit eine bolschewistische Partei die Macht zu ergreifen vermag, stellen die Prinzipien Lenins nicht etwa eine besondere, einmalige Erscheinung dar, wie sie nur unter den russischen Verhältnissen notwendig wurden.
„Unsere grundsätzliche und unseres Erachtens unbestreitbare Erwägung, wonach der Prozeß der Eroberung der Macht in Amerika und Europa auf einen viel größeren, viel mehr durchdachten und hartnäckigeren Widerstand der herrschenden Klasse stoßen wird als bei uns, verpflichtet uns, den bewaffneten Aufstand und überhaupt den Bürgerkrieg in der Tat als eine Kunst zu behandeln.“
Damit wird behauptet, daß die bolschewistische Auffassung der Arbeiterbewegung, die sich – nach Trotzkis Worten! – nicht primär an „dem großen Maß der Politik“, sondern an „dem kleinen Maß des Krieges“ orientiert, für die industriell und sozial viel höher entwickelten Länder Amerikas und Europas ungleich höhere Bedeutung und Gültigkeit besitzt.
So zeigt also unsere eingehende Betrachtung des Buches, das den Kampf gegen den Stalinismus eröffnete, nicht die geringste grundsätzliche Abwendung vom Bolschewismus, eher im Gegenteil eine gewisse doktrinäre Ausgestaltung und dogmatische Verfestigung desselben.(54)
In dem gleichen Jahre, in dem Trotzki seine polemische Schrift „1917“ verfaßte und sich bereits in einer schweren Auseinandersetzung mit der bolschewistischen Partei befand (1924), die sich – nach seiner Ansicht – vom „Leninismus“ entfernte, behauptete er jedoch, daß zwar Lenin nicht mehr lebe, wohl aber der Leninismus.
„Er lebt in der Partei, die er gegründet hat, lebt in dem ersten Arbeiterstaat, an dessen Spitze er stand und den er leitete.“ (Verfaßt in Tiflis am 22. 1. 1924)
Hier beginnt bereits jene Mythologisierung des Führers, dessen Inkarnation die Partei sein soll. Wie die christliche Gemeinde Christi Leib, so verkörpert die bolschewistische Partei den Geist, das Genie Lenins:
„Lenin war ein Genie, ein Genie wird im Jahrhundert einmal geboren, und Genies als Führer der Arbeiterklasse kennt die Weltgeschichte nur zwei: Marx und Lenin. Auch durch eine Verfügung der mächtigsten und diszipliniertesten Partei läßt sich kein Genie schaffen, aber die Partei kann versuchen, soweit es nur möglich ist, das Genie, zu ersetzen, solange es fehlt, durch die Verdoppelung der kollektiven Anstrengungen.“
Dies sagte Trotzki während der schweren Erkrankung Lenins am 5. April 1923 in seinem Referat auf der VII. Allrussischen Parteikonferenz, also noch vor dem Tode Lenins. Diese These bedeutet nichts Geringeres, als daß eine bolschewistische Partei während der längsten Zeit eines Jahrhunderts in Stellvertretung eines Genies zu denken und zu handeln hat! Sie muß sozusagen „im Geiste“ ihres Gründers leben und im Falle der Partei Lenins ist dies auch selbstverständlich, da sie ja von ihm als eine – wie Trotzki sagt – „proletarische Aristokratie“ geschult wurde. (Was hatte Lenin bloß gegen die englische „Arbeiteraristokratie“?) Es gibt bekanntlich eine Genie-Ideologie, ja, der österreichische Marxist EDGAR ZILSEL sprach sogar von einer „Genie-Religion“. Die Arbeiterbewegung muß für eine solche nicht viel übrig gehabt haben, da sie in ihrer „Internationale“ auch die Verse sang: „Es rettet uns kein höh'res Wesen, kein Gott, kein Kaiser, kein Tribun; uns aus dem Elend zu erlösen, das können wir nur selber tun“. Trotzki dagegen, als Schöpfer der Lenin Mythe, ist da anderer Meinung(55):
„Wir singen: ‚Es rettet uns kein höh'res Wesen’ – und darunter auch ‚kein Tribun’ ... Das ist richtig, aber nur im letzten historischen Sinne, d.h. insofern, als die Arbeiterklasse letzten Endes auch siegen würde, wenn es Marx nicht gegeben hätte, wenn Uljanow Lenin nicht gewesen wäre. Die Arbeiterklasse hätte die Ideen und Methoden, die sie braucht, selbst ausgearbeitet, aber langsamer.“
Wir hörten aber von Trotzki, daß die Arbeiterrevolution nicht siegen kann ohne die bolschewistische Partei, die Lenin gegründet hat. Und die Arbeiterklasse hat ihre „Methoden“, die Räte, schon vor und ohne Lenin selbst ausgearbeitet, also nicht langsamer, sondern schneller.
Es geht aber den Bolschewiki nicht nur um die Abkürzung des Weges, den die Arbeiterbewegung gehen muß, um sich von der Kapitalsherrschaft zu befreien; es geht nicht einmal um die Partei im Sinne Rosa Luxemburgs, sondern um den Herrschaftsanspruch einer neuen Kaste, die sich im Feuer einer bäuerlich-bürgerlichen Revolution aus den Trägern des „Genies des Kapitalismus“ bildete, um mit Alexandra Kollontai zu sprechen. Sie gibt sich in der bolschewistischen Partei eine militärische Organisation, um als „Generalstab der Weltrevolution“ fungieren zu können und sich selbst an die Stelle der herrschenden Klasse zu setzen, so, wie Lenin im September 1917 davon spricht, die bolschewistische Partei an den Platz der Junkerkaste zu stellen. Man kann aber eine Partei und ihre Rolle auch anders auffassen, nämlich so, wie es der vorbolschewistische deutsche Kommunismus in der Gestalt des Spartakusbundes tat(56):
„Der Spartakusbund ist keine Partei, die über der Arbeitermasse oder durch die Arbeitermasse zur Herrschaft gelangen will. Der Spartakusbund ist nur der zielbewußteste Teil des Proletariats, der die ganze breite Masse der Arbeiterschaft bei jedem Schritt auf ihre geschichtlichen Aufgaben hinweist, der in jedem Einzelstadium der Revolution das sozialistische Endziel und in allen nationalen Fragen die Interessen der proletarischen Weltrevolution vertritt. ...
Der Spartakusbund wird nie anders die Regierungsgewalt übernehmen als durch den klaren unzweideutigen Willen der großen Mehrheit der proletarischen Masse in ganz Deutschland, nie anders als kraft ihrer bewußten Zustimmung zu den Ansichten, Zielen und Kampfmethoden des Spartakusbundes. ... Der Sieg des Spartakusbundes steht nicht am Anfang, sondern am Ende der Revolution; er ist identisch mit dem Siege der großen Millionenmassen des sozialistischen Proletariats.“
Wir meinen; zwischen dieser „luxemburgistischen“ und der von Lenin und Trotzki entwickelten bolschewistischen Auffassung über die Rolle der Partei klaffen grundverschiedene Welten auf.
Auch nach seiner Entmachtung, in der Verbannung und im Exil hat Trotzki den von Lenin auf dem X. Parteitag (März 1921) gegen die syndikalistische und anarchistische „Abweichung“ formulierten Grundsatz,(57) –
„daß nur die politische Partei der Arbeiterklasse, d.h. die kommunistische Partei, imstande ist, eine solche Avantgarde des Proletariats und der gesamten werktätigen Masse zusammenzufassen, zu erziehen und zu organisieren, die allein fähig ist, ... die ganze zusammengefaßte Tätigkeit des gesamten Proletariats zu leiten, d.h. politisch zu leiten und durch das Proletariat alle werktätigen Massen zu leiten. Sonst ist die Diktatur des Proletariats nicht zu verwirklichen,“
niemals aufgegeben. Er formuliert ihn nur bedeutend kürzer als „den für jeden Bolschewisten unverletzlichen leninistischen Grundsatz“, „daß die Diktatur des Proletariats nur durch eine Diktatur der Partei durchgeführt werden kann und soll“. Man beachte: nicht nur „kann“, sondern sogar „soll“!(58) Das bedeutet natürlich, daß Trotzki im stalinistischen Rußland nicht die Partei-Diktatur beseitigt hätte, sondern nur „die Partei durch Zerbrechen der Diktatur des bürokratischen Apparates erneuert“ haben würde(59) ; es wären also die Trotzkisten nur an die Stelle der Stalinisten getreten. Schon in Alma-Ata forderte Trotzki in seiner ersten Erklärung an den VI. Weltkongreß der Komintern vom 12. Juli 1928 die „Wiedereinreihung der Bolschewiki-Leninisten (Opposition) in die Partei“. Und in ihrem „Offenen Brief“ im Jahre 1932 forderten die Trotzkisten die „Zurückberufung der Genossen Trotzki, RAKOWSKI und aller Oktoberkämpfer in die Führung der kommunistischen Weltpartei“.(60)
Es war im Jahre 1932. Ich war erst seit drei Jahren in der freigewerkschaftlichen und sozialistischen Jugend tätig, hatte aber angefangen, Marx zu studieren und einiges von Rosa Luxemburg gelesen. Mit der Lehre Lenins setzte ich mich damals erstmalig auseinander und verteidigte innerhalb der SAP und des SJV den „Luxemburgismus“ gegen die Minderheit der KPO. Die Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung kannte ich schon ein wenig. Da gab man uns eines Tages eine Broschüre in die Hand, die wir stellenweise nur kopfschüttelnd lesen konnten. In ihr äußerte sich Trotzki zu den „Schicksalsfragen des deutschen Proletariats“ und versuchte, ihm klarzumachen, was es nun tun sollte. Zunächst belehrte er die deutschen Arbeiter, die eine Rosa Luxemburg als Lehrerin und Leiterin erlebt hatten, darüber, daß sie „an sich“ lediglich „Ausbeutungsmaterial“ seien, nur durch „das Mittel der Partei“ könnten sie eine Klasse „für sich“ werden:
„Die Partei ist jenes historische Organ, durch dessen Vermittlung die Klasse das Selbstbewußtsein erlangt.“
Unsere These, daß die Klasse höher stehe als die Partei, erklärte er als eine falsche, reaktionäre Spießertheorie. Wir senkten bei diesem kräftigen Argument damals alle niedergeschlagen unsere Köpfe. Dann wollten wir gerne wissen, wie die Arbeiter vermittels der Partei zum Selbstbewußtsein gelangen und lasen:
„Der Marsch der Klasse zum Selbstbewußtsein, d.h. die Herausschälung einer revolutionären Partei, die das Proletariat hinter sich herführt, ist ein verwickelter und widerspruchsvoller Prozeß.“
Bekümmert nickten wir damals, denn die Sache war wirklich verwickelt und widerspruchsvoll:
1. nur durch die Vermittlung der Partei gelangt das Proletariat zum Klassenbewußtsein;
2. die Partei schält sich heraus, indem die Klasse – anscheinend spontan – zum Klassenbewußtsein marschiert.
Da saßen wir nun mit rauchenden Köpfen und strengten unser dialektisches Verständnis an, um zu begreifen, wie eine Klasse bereits auf dem Marsche zum Klassenbewußtsein erst jene Partei herausschält, ohne die sie nie zum Klassenbewußtsein käme.
Wir standen damals in heftigen Auseinandersetzungen um die Frage der Einheitsfront und stritten darüber, ob in Rußland die Räte wirklich die Macht inne hätten oder nicht. In diesem Augenblick belehrte Trotzki uns darüber, daß die Räte „lediglich die Klassenvertretung des Proletariats“ seien, „an und für sich“ aber „keine Wunderkraft“ in sich bergen. (Diese war anscheinend der Partei und ihrem Genius vorbehalten.) Damals erklärte es Trotzki als „die große, historische Funktion“ der Sowjets in Deutschland, die Organe der proletarischen Einheitsfront zu werden. Bei genauerem Zusehen kamen wir aber dahinter, daß die zu schaffenden deutschen Räte der bolschewistischen Partei nur auf einem Umweg die Massen der freigewerkschaftlichen und sozialdemokratischen Arbeiter zuführen und ihrer Führung unterwerfen sollten. Da hatten wir dann genug(61):
„Würde es der kommunistischen Partei glücken, in der vorbereitenden Periode alle übrigen Parteien aus den Reihen der Arbeiter zu verdrängen, die überwältigende Mehrheit der Arbeiter unter ihrem Banner politisch wie organisatorisch zu vereinigen, bestünde keinerlei Bedarf an Sowjets.“
Bedarf an Räten besteht also nur so lange, wie die bolschewistische Partei das Proletariat noch nicht hinter sich herführen kann. Wir sagten damals dem Trotzkismus ab, der sich zudem einer besonderen Förderung durch den sozialdemokratischen Parteiapparat erfreute (in Dresden wurde Trotzkis Broschüre „Soll der Faschismus wirklich siegen?“ allen SPD-Funktionären kostenlos geliefert!) und verneinten energisch die im Oktober 1932 von der links-sozialdemokratischen Gruppe „Roter Kämpfer“ aufgeworfene Frage: „Kann der Trotzkismus wirklich siegen?“, indem wir mit dieser Gruppe begriffen: „Mit seiner Auffassung verrät Trotzki, wie sehr er auch in der Frage der Räte seinem Feinde Stalin eng verwandt ist.“(62) Dann hörten wir tausend Jahre nichts mehr von Trotzki und vom Trotzkismus – abgesehen von der Kunde seiner Ermordung am 20. August 1940 – und bekamen seine Literatur nicht mehr in die Hände.
Nach 1945 waren wir froh, wenn wir diese oder jene ältere Schrift gerettet hatten oder bei einem Genossen noch auffinden konnten. Dagegen war es schwer, wenn nicht unmöglich, Schriften Trotzkis aus der Epoche von 1933 bis 1940 zu erhalten. Endlich gab es Einiges, teils hektographiert, teils nur Schreibmaschinen-Abschriften von deutschen ÜberSetzungen aus dem Amerikanischen. Das lasen wir nun und stellten mit Erschütterung fest, daß dieser bedeutende Mann auch nach 1933 nichts mehr hinzugelernt hatte. Da erklärte er im Jahre 1937 – nach der Liquidierung der ganzen „Alten Garde“ der Bolschewiki –, daß der Bolschewismus für unsere Epoche „die einzige Form des Marxismus“ sei und daß die bolschewistische Partei „zum erstenmal das Verhältnis zwischen Avantgarde und Klasse hergestellt“ habe. Jetzt erklärte er die Räte „nur“ als „die organisierte Form der Verbindung zwischen Avantgarde und Klasse“. Noch immer kann das Proletariat nur „in Person seiner Avantgarde an die Macht gelangen“, und sowohl die Revolution als auch die Diktatur des Proletariats können nur „unter Führung der Avantgarde“ als Sache der Klasse vor sich gehen.
„Ohne Vertrauen der Klasse zur Avantgarde, ohne Unterstützung der Avantgarde durch die Klasse kann von Machteroberung keine Rede sein.“
Das Proletariat kann eben „ohne politische Führung durch eine Partei, die weiß, was sie will“, die Macht nicht erobern.(63) Trotzki konnte natürlich 1937 nicht bestreiten,
„daß die Herrschaft einer einzigen Partei juridisch zum Ausgangspunkt für das stalinistische totalitäre System diente“,
doch noch im Januar 1940 hindert ihn das nicht zu schreiben:
„Es stimmt, zur Rechtfertigung ihrer Diktatur beruft sich die Sowjetbürokratie auf die Grundsätze des demokratischen Zentralismus, aber in der gesamten Entwicklung verwandelt sie diese in ihr genaues Gegenteil. Aber das diskreditiert natürlich nicht im geringsten die Methode des Bolschewismus.“
Dieser bleibt für ihn bis kurz vor seinem Tode „das Phänomen ... der hervorragenden revolutionären Partei“, und er versichert noch einmal:
„Bei seinem Eintritt in die bolschewistische Partei hat Trotzki vollkommen und mit ganzem Herzen die Richtigkeit der Lenin'schen Methode, eine Partei aufzubauen, anerkannt.“
Diese hervorragende revolutionäre Partei ist und bleibt eine militärische Organisation, sie ist als Ganzes ein „Kader“, und jedes Parteimitglied sollte und muß sich als „Offizier der proletarischen Armee“ betrachten.(64) Trotzki schreibt solche und zahlreiche andere Sätze, deren Bilder fast immer militärischen oder mechanistischen Charakter haben, vergleicht die Arbeiterbewegung mit einer marschierenden Armee, faßt die Partei der Arbeiter als einen Offiziersstab auf und ... empört sich über den Thermidor und den Bonapartismus? 1929 sah er als „heutige Variante des Bonapartismus“ „einfach eine Militärdiktatur“ voraus(65), erkannte 1937, daß „Stalins thermidorianische Umwälzung mit dem Umbau der Sowjetgesellschaft im Interesse einer privilegierten Minderheit einhergeht“. Niemals aber vermag er die Frage aufzuwerfen, geschweige denn wissenschaftlich (historisch-kritisch) zu untersuchen, inwieweit nicht die Prinzipien des Bolschewismus dieser thermidorianischen Entwicklung zum Bonapartismus entsprechen oder Vorschub leisten. Und das liegt ganz einfach daran, weil Trotzki selbst nicht die Frage aufwerfen kann, ob er als mächtigster Mann des „Kriegskommunismus“, als Schöpfer und Organisator der Roten Armee und eines Programms, deren Organisationsprinzipien in der Form einer „Militarisierung der Arbeit“ der russischen Industrie und der Arbeiterklasse Rußlands zu oktroyieren, nicht schon selbst statt der von ihm so oft emphatisch hervorgehobenen „sozialistischen Fundamente“ vielmehr die Basis des Bonapartismus geschaffen hat. Da er sie nicht stellt und da auch die Trotzkisten vor dieser Frage die Augen verschließen, werden wir sie aufwerfen müssen, um zu sehen, wie eigentlich das noch von Trotzki mitgeschaffene Fundament des „Arbeiterstaates“ beschaffen ist.
(1) B. Kritschewski, „Die russische revolutionäre Bewegung einst und jetzt“, in: „Die Neue Zeit“, IX. Jhg., Bd. I, 1890/1891, Nr. 20-22, S. 658-661.
(2) M. Pokrowski, „Russische Geschichte von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1917“. Deutsche Übersetzung und „Einführung“ von A. Maslow. Berlin 1930,S.266. Ein Vergleich mit der Polemik Lenins gegen Trotzki im Mai 1914 ist in diesem Zusammenhang recht interessant: „Ausgewählte Werke“, Bd. I, Moskau 1946, S. 607 ff.
(3) A. Schapowalow, „Auf dem Wege zum Marxismus“, Berlin 1926, S. 5.
(4) M. Pokrowski, aaO, S. 264-266.
(5) B. G. Gorew, „Aus der Vergangenheit der Partei“, 1924. Russischer Staatsverlag. Zitiert in: Lenin, „Sämtliche Werke“, Bd. IV: „Die Periode der ‚Iskra‚“, 2. Halbband, S. 402.
(6) W. I. Lenin, „Ausgewählte Werke“, Bd. I, 1946, S. 162.
(7) W. I. Lenin, ebenda, S. 274-275.
(8) W. I. Lenin, „Sämtliche Werke“, Bd. IV, 2; Fußnote auf S. 330. Diese fehlt in den „Ausgewählten Werken“, Bd.I, 1946 auf S. 309!
(9) Leo D. Trotzki, „Unsere politischen Aufgaben“, Genf 1904. Zitiert in: Lenin, „Sämtliche Werke“, Bd. IV: „Menschewismus und Bolschewismus“, S. 6 25-6 26. Und Nr. 10, S. 324-325.
(10) Elias Hurwicz, „Staatsmänner und Abenteurer, Russische Porträts von Witte bis Trotzki 1891-1925“. Leipzig 1925, S. 325-326.
(11) G. Sinowjew, „Geschichte der kommunistischen Partei Rußlands (Bolschewiki)“, Verlag der Komintern, Hamburg 1923, S. 124.
(12) G. Sinowjew, „Vom Werdegang unserer Partei“, Verlag der Komintern, Hamburg 1920, S. 26. Vgl. auch Nr. 13, S. 235.
(13) Arthur Rosenberg, „Geschichte des Bolschewismus von Marx bis zur Gegenwart“, Berlin 1932, S. 40.
(14) Martow-Dan, „Geschichte der russischen Sozialdemokratie“, Berlin 1926, S. 145.
(15) W. I. Lenin, „Ausgewählte Werke“, Sammelband. Wien 1925, S. 170-171.
(16) W. I. Lenin, „Zwei Taktiken der Sozialdemokratie in der demokratischen Revolution“, Berlin 1946, S. 35,37, 38-39,40. Vgl. auch: „Ausgewählte Werke“, Bd. I, 1946, S. 431, 433, 435-437.
(17) W. I. Lenin, „Ausgewählte Werke“, 1925, S. 176.
(18) W. I. Lenin, „Sämtliche Werke“, Bd. X: „Am Ausgang der ersten russischen Revolution“, S. 19-20.
(19) W. I. Lenin, ebenda, S. 523.
(20) Karl Radek, „Wege der russischen Revolution“, Hamburger Verlag der Komintern, S. 18.
(21) Siehe meine Darstellung, „Lenin und die russische Revolution“, in: „pro und contra“, 1. Jhg., Nr. 7 (Juli 1950), S. 8-9.
(22) Leo D. Trotzki, „Die Bilanz und die Aussichten. Über die treibenden Kräfte der Revolution“. (1905) Moskau 1919, S. 40.
(23) Hier ist es an der Zeit zu erwähnen, daß ich die Hinweise auf Nr. 11, 12, 18, 19, 20 und 22 der noch ungedruckten Arbeit des in den USA lebenden Soziologen Rudolf Sprenger, „Die Grundlagen der bolschewistischen Machtpolitik – Zur Soziologie des Bolschewismus“, verdanke, die sich im Sozialarchiv Zürich befindet und mir dank einiger Freunde in der Schweiz auszugsweise vorliegt.
(24) Leo D. Trotzki, „Wer leitet heute die Kommunistische Internationale?“, Berlin-Wilmersdorf 1930, S. 23-24. Vgl. hierzu auch meine Darstellung in „Trotzkis Rolle beim Oktoberumsturz“, in: „pro und contra“, 1. Jhg., Nr. 10 (Oktober 1950), S. 5 ff.
(25) Leo D. Trotzki, „Unsere Revolution“, 1906, S. 285.Zitiert in Nr. 26, S. 50-51.
(26) Leo D. Trotzki, „Der Charakter der russischen Revolution. Ergebnisse und Aussichten.“ Wien 1921, S. 12,18, 21, 26 f., 36 und 40.
(27) M. Pokrowski, aaO, S. 326-327.
(28) Leo D. Trotzki, „Der Charakter der russischen Revolution“, aaO, S. 10, 14-15, 39 und 42-45.
(29) Selbstverständlich ergibt sich aus meinen heutigen Ausführungen eine erhebliche Korrektur meines Standpunktes zum Trotzkismus im Jahre 1950 (vgl. Nr. 21 und 24); ich kann seine Kennzeichnung als Ausdruck der „internationalen proletarischen Revolution“, als „Repräsentant des internationalen proletarischen Sozialismus“ nicht einmal – wie im Juli und Oktober 1950 – im Sinne einer Relativierung im Hinblick auf den Leninismus und Stalinismus aufrechterhalten.
(30) Leo D. Trotzki, „Die Sowjetmacht und der internationale Imperialismus“, Promachos-Verlag Belp-Bern 1918, S. 17.
(31) W. Antonow-Owsejenko, „Der Aufbau der Roten Armee in der Revolution“, Hamburg 1923. Zitiert auf S. 79.
(32) Wl. Kossowski,"Das bolschewistische Regime in Rußland“. Mit einem Vorwort von Hermann Greulich, Olten/Schweiz 1918. „Anhang“, S. 72-73. (Der Verfasser war damals Mitglied des ZK der jüdischen sozialdemokratischen Partei „Bund“, der ältesten Arbeiterorganisation im Siedlungsgebiet der Juden Rußlands.)
(33) Il. Klibanski, „Die Gesetzgebung der Bolschewiki“, Osteuropa-Institut in Breslau, „Quellen und Studien“, I. Abteilung, „Recht und Wirtschaft“, 2. Heft, Leipzig und Breslau 1920, S. 84, 108-109, 162-163.
(34) „Grundgesetz der RSFR vom 10. Juli 1918“, (Verfassungsurkunde), 1. Abschnitt: „Deklaration der Rechte des arbeitenden und ausgebeuteten Volkes“, bei Klibanski, aaO, S. 71-73; „Die Verfassung der RSFSR“, Berlin-Wilmersdorf, Verlag der Wochenschrift „Die Aktion“, S. 3 bis 5 .
(35) Bei Klibanski S. 73, in der Ausgabe der „Aktion“ S. 5 bis 6.
(36) Arthur Rosenberg, aaO, S. 153-154.
(37) Leo D. Trotzki, „Ist die Umwandlung der Sowjets in eine parlamentarische Demokratie wahrscheinlich?“, in: „Die Neue Bücherschau“, VII. Jhg., 6. Heft, Juni 1929, S. 297.
(38) W. I. Lenin, „Über die Gewerkschaften, über die gegenwärtige Lage und über die Fehler des Genossen Trotzki": im „Sammelband“ von 1925 (s. Nr. 15!). S. 589; im Sammelband „Über die Gewerkschaften“, Wien/Berlin 1927, S. 86; in den „Sämtlichen Werken“, Bd. XXVI, Moskau 1940, S. 78-79; nur in den „Ausgewählten Werken“, Bd. II, Moskau 1947, sucht man diese Polemik Lenins gegen Trotzki vergebens!
(39) Alexandra Kollontai, „Die Arbeiter-Opposition in Rußland“, mit kritischen Anmerkungen von R. Korpelanski. Herausgegeben von der russischen Sektion der 4. Internationale, ins deutsche übersetzt von M. N. und Fr. R-t., S. 15, 17-19, 20, 22-23, 25-29, 31, 43, 45-49, 50, 51 und 54. Wie man sieht, hat sich die trotzkistische Internationale einfach an die Stelle der „Kommunistischen Arbeiter-(4.)Internationale“ gesetzt, deren russische Sektion die KAP Rußlands gewesen ist.
(40) Clara Zetkin, „Wir klagen an! Ein Beitrag zum Prozeß der Sozialrevolutionäre“. Verlag der Komintern, Hamburg 1923, S. 57.
(41) Ruth Fischer, „Stalin und der deutsche Kommunismus“, US-amerikanische Ausgabe Cambridge 1948. Deutsche Übersetzung im Verlag der „Frankfurter Hefte“, Frankfurt/Main, 0. J., S. 203.
(42) Alexander Berkman, „Kronstadt – die Pariser Kommune Rußlands!“, (März 1922), in: „Der Syndikalist“, Organ der FAUD, IV. Jhg. (1922), Nr. 11. – Es handelt sich hier um die ursprüngliche Fassung des 1951 im „Monat“ (Nr. 30) erschienenen erweiterten Aufsatzes „Der Aufstand von Kronstadt“ des gleichen Autors.
(43) Ruth Fischer, aaO, S. 99.
(44) Elias Hurwicz, aaO, S. 319.
(45) Leo D. Trotzki, „Die wirkliche Lage in Rußland“, autorisierte Ausgabe. Übersetzung von Wilhelm Cremer, Avalun-Verlag, Hellerau bei Dresden, o. J., (8.-12. Tausend), S. 264-265, 149. (Nach der Mitteilung der „Neuen Bücherschau“, VII/6, Juni 1929, ist dieses Buch „aus zufälligen Zeitungsartikeln zusammengesetzt und wird von Trotzki als Buchpublikation nicht anerkannt“, S. 299. Bei der Schwierigkeit der Beschaffung von Trotzki-Literatur hier in West-Berlin werden wir wohl über die Differenzen Trotzkis mit dem Avalun-Verlag hinweggehen müssen, wenn nur die in jenem Sammelband zusammengefaßten Zeitungsartikel „zufällig“ von Trotzki selbst verfaßt worden sind. Außerdem interessieren wir uns ganz besonders für seine „zufälligen Zeitungsartikel“ ...)
(46) Leo D. Trotzki, „Die Permanente Revolution“, Berlin-Wilmersdorf 1930, S. 31.
(47) Grigori Dimitroff (Herausgeber), „Die Tragödie Trotzki“, Berlin 1925, S. 55-56.
(48) Leo D. Trotzki, „Die wirkliche Lage in Rußland“, aaO, S. 165-166.
(49) Grigori Dimitrioff, aaO, S. 54.
(50) Arthur Rosenberg, aaO, S. 153,
(51) Leo D. Trotzki, „Die wirkliche Lage“, aaO, S. 243.
(52) Leo D. Trotzki, „Mein Kampf mit Stalin“, in: „Das Tagebuch“, X. Jhg. (1929), Heft 10 vom 9. März 1929, S. 377.
(53) Schlesinger, „Das bolschewistische Rußland“, Breslau 1926, abgedruckt auf S. 68/69.
(54) Leo D. Trotzki, „1917. Die Lehren der Revolution“. Mit einem Vorwort von Paul Levi, Berlin 1925, S. 15, 20-24, 58, 60-64, 69-74 und 78-79.
(55) Leo D. Trotzki, „Über Lenin. Material für einen Biographen“, Berlin 1924, S. 166, 168 und 171.
(56) Rosa Luxemburg, „Was will der Spartakusbund?“, Berlin 1918, S. 13-14 des Sonderdruckes.
(57) W. I. Lenin, „Ausgewählte Werke“, Bd. II, Moskau 1947, S. 806.
(58) Leo D. Trotzki, „Die wirkliche Lage“, aaO, S. 100.
(59) Leo D. Trotzki, „Erfolge des Sozialismus und Gefahren des Abenteurertums“, in: „Die Aktion“, XXI. Jhg., Heft 1/2, April 1931, S. 16.
(60) Leo D. Trotzki, „An den VI. Weltkongreß der Komintern“, in: „Die Aktion“, XVIII. Jhg., Heft 10-12. Mitte Dezember 1928, S. 209; „Permanente Revolution“, Organ der Trotzkisten, Jhg. 1932, Nr. 6.
(61) Leo D. Trotzki, „Was nun? Schicksalsfragen des deutschen Proletariats.“ Berlin 1932, 2. Aufl., S. 24 und 54.
(62) „Kann der Trotzkismus wirklich siegen? Grundlinien einer Trotzki-Kritik“. Berlin, Oktober 1932, Gruppe Roter Kämpfer.
(63) Leo D. Trotzki, „Stalinismus und Bolschewismus“,. Sondernummer 3 des 1. Jhgs. der Zeitschrift „Der Marxist“, S. 9-12.
(64) Leo D. Trotzki, „Von einer Schramme bis zur Krebsgefahr“, Polemik gegen Shachtman, datiert in Coyoacan, D. F. am 24. Januar 1940. (Liegt mir nur abschriftlich in deutscher Übersetzung vor, die ich Herrn Klaus Schütz verdanke.)
(65) Siehe Nr. 37, S. 298.
Zuletzt aktualisiert am 19.6.2008