Der Partisanenkrieg ist unzählige Male in
der Geschichte unter verschiedenen Bedingungen und zur Erreichung
unterschiedlicher Ziele angewandt worden. In letzter Zeit ist er
in verschiedenen Volksbefreiungskriegen benützt worden, dort,
wo die Avantgarde des Volkes den Weg des irregulären bewaffneten
Kampfes gegen Feinde mit überlegenem militärischen Potential
wählte. Asien, Afrika und Amerika sind Schauplatz dieser Aktionen
gewesen. wenn es sich darum handelte, die Macht zu erringen im Kampf
gegen die feudale, neokoloniale oder koloniale Ausbeutung. In Europa
wurde er als Ergänzung zu den eigenen und verbündeten
regulären Armeen angewandt.
In Amerika hat man bei verschiedenen Gelegenheiten
zum Partisanenkampf gegriffen. Als Beispiel aus der jüngsten
Vergangenheit läßt sich das Unternehmen von Cesar Augusto
Sandino anführen, der gegen die Yankee-Expeditionstruppen in
der Segovia von Nicaragua kämpfte. Und neuerdings der revolutionäre
Krieg in Cuba. Seitdem sind Amerika die Probleme des Partisanenkrieges
in den theoretischen Diskussionen der fortschrittlichen Parteien
des Kontinents aufgeworfen, und die Möglichkeit und Zweckmäßigkeit
seiner Anwendung ist Gegenstand gegensätzlicher Polemiken.
Die folgenden Notizen werden versuchen, unsere
Ansichten über den Partisanenkrieg und seine richtige Anwendung
zum Ausdruck zu bringen. Vor allem muß klargestellt werden,
daß diese Sonderform des Kampfes eine Methode ist; eine Methode,
um ein Ziel zu erreichen. Dieses für jeden Revolutionär
unerläßliche, unumgängliche Ziel ist die Eroberung
der politischen Macht.
Bei der Analyse der spezifischen Bedingungen
in den verschiedenen Ländern Amerikas muß daher ein Begriff
von Guerrilla verwendet werden, der auf die einfache Kategorie einer
Methode des Kampfes zur Erreichung jenes Zieles zurückführbar
ist.
Sofort erhebt sich die Frage: Ist die Methode
des Partisanenkrieges die einzige Formel für die Eroberung
der Macht in ganz Amerika? oder wird sie jedenfalls die vorherrschende
Form sein? oder wird sie bloß eine weitere Formel unter all
den für den Kampf gebrauchten sein? und zu allerletzt die Frage:
wird das Beispiel Cubas anwendbar sein auf andere Realsituationen
des Kontinents? Im Verlauf der Polemik pflegt man diejenigen, die
den Partisanenkrieg durchführen wollen, mit dem Argument zu
kritisieren, sie vernachlässigten den Massenkampf als
ob das einander entgegengesetzte Methoden wären. Wir weisen
die Anschauung, die dieser Standpunkt impliziert, zurück; der
Partisanenkrieg ist ein Volkskrieg, ist ein Massenkampf. Diese Art
von Krieg ohne die Unterstützung der Bevölkerung verwirklichen
zu wollen, ist der Auftakt zu einer unvermeidlichen Katastrophe.
Die Partisanen sind die kämpferische Avantgarde des Volkes,
an einem bestimmten Ort irgendeines Territoriums postiert, bewaffnet,
bereit, eine Reihe militärischer Aktionen zu entfalten, die
auf das einzig mögliche strategische Ziel hin gerichtet sind:
die Eroberung der Macht. Sie werden unterstützt durch die Bauern-
und Arbeitermassen des Gebiets und des ganzen betreffenden Territoriums.
Ohne diese Voraussetzungen läßt sich nicht von Partisanenkrieg
reden.
"In unserem amerikanischen Bereich sehen wir
drei grundlegende Lehren der Cubanischen Revolution für die
Technik der revolutionären Bewegungen in Amerika:
1. Die Volkskräfte können einen Krieg
gegen die Armee gewinnen. 2. Nicht immer muß man warten, bis
alle Bedingungen für die Revolution gegeben sind; der aufständische
Brennpunkt kann sie schaffen. 3. Im unterentwickelten Amerika müssen
Schauplatz des bewaffneten Kampfes grundsätzlich die ländlichen
Gebiete sein."
Das sind die Lehren Cubas für die Entwicklung
des revolutionären Kampfs in Amerika, und sie lassen sich auf
jedes beliebige Land unseres Kontinents anwenden, in dem ein Partisanenkrieg
sich zu entwickeln beginnt.
Die Zweite Deklaration von Havanna stellt heraus:
"In unseren Ländern treffen die Bedingungen einer unterentwickelten
Industrie mit einem Agrarregime feudalen Charakters zusammen. So
kommt es, daß so hart auch die Lebensbedingungen der
städtischen Arbeiter sind die Landbevölkerung noch immer
unter den furchtbarsten Bedingungen der Unterdrückung und Ausbeutung
lebt; sie bildet aber auch von Ausnahmen abgesehen die absolute
Mehrheit der lateinamerikanischen Bevölkerungen in einem Verhältnis,
das zuweilen 70% übersteigt.
Abgesehen von den Großgrundbesitzern, die
vielfach in den Städten ihren Wohnsitz haben, fristet der Rest
dieser großen Masse sein Leben durch miserabel bezahlte Taglöhnerarbeit
auf den Latifundien oder durch eigene Landbestellung unter Ausbeutungsbedingungen,
die dem Mittelalter in nichts nachstehen. Diese Umstände sind
der Grund dafür, daß in Lateinamerika die arme Landbevölkerung
eine gewaltige potentielle revolutionäre Kraft darstellt. Die
für den konventionellen Krieg formierten und ausgerüsteten
Armeen, die das Gewaltinstrument bilden, auf das sich die politische
Macht der Ausbeuterklassen stützt, er weisen sich als völlig
unwirksam, wenn sie dem irregularen Kampf der Bauern in deren vertrautem
Gelände begegnen sollen; sie verlieren zehn Mann für jeden
Revoluticnar, der fällt, und die Demoralisierung breitet sich
mit reißender Schnelligkeit unter ihnen aus, da sie einem
unsichtbaren und unbesiegbaren Gegner die Stirn bieten müssen,
der ihnen keine Gelegenheit bietet, ihre Akademietaktiken und ihre
Militärdemonstrationen in Szene zu setzen, mit denen sie großtun
bei der Niederwerfung der Arbeiter und Studenten in den Städten.
Der anfängliche Kampf verhältnismäßig
kleiner Kerne von Partisanen verstärkt sich unablässig
durch neue Kräfte; die Massenbewegung beginnt loszubrechen,
die alte Ordnung zerspringt nach und nach in tausend Stücke,
und dann kommt der Augenblick. wo die Arbeiterklasse und die städtischen
Massen die Schlacht entscheiden. Was macht diese ersten Kerne vom
Anbeginn des Kampfes an unbesiegbar unabhängig von der
Anzahl, der Macht und den Ressourcen ihrer Feinde? Es ist die Unterstützung
des Volkes, und über diese Unterstützung der Massen werden
sie in immer höherem Grade verfügen. Jedoch die Bauernschaft
ist eine Klasse, die wegen des Zustandes der Unbildung, in dem sie
gehalten wird, und wegen der Isolierung, in der sie lebt, die revolutionäre
und politische Führung der Arbeiterklasse und der revolutionären
Intellektuellen braucht, eine Führung, ohne die sie nicht fähig
wäre, sich von allein in den Kampf zu stürzen und den
Sieg zu erringen.
Unter den gegenwärtigen historischen Bedingungen
Lateinamerikas kann die nationale Bourgeoisie den antifeudalen und
antiimperialistischen Kampf nicht anführen. Die Erfahrung zeigt,
daß in unseren Nationen diese Klasse, auch wenn ihre Interessen
zu denen des Yankee-lmperialismus im Widerspruch stehen, unfähig
gewesen Ist, jenem die Stirn zu bieten, paralysiert durch die Angst
vor der sozialen Revolution und erschreckt durch die Stimme der
ausgebeuteten Massen.".
Die Tragweite dieser Aussagen, die den Kernpunkt
von Amerikas revolutionärem Programm bilden, wird durch die
Zweite Deklaration von Havanna an anderer Stelle folgendermaßen
vervollständigt: "Die subjektiven Bedingungen eines jeden Landes,
d. h. Bewußtsein, Organisation, Führung, können
die Revolution beschleunigen oder verzögern, je nach ihrem
größeren oder geringeren Entwicklungsgrad; aber früher
oder später in jeder historischen Epoche, wenn die objektiven
Bedingungen heranreifen, wird das Bewußtsein erworben, wird
die Organisation geschaffen, bildet sich die Führung heraus
und vollzieht sich die Revolution.
Ob diese auf friedlichem Wege erfolgt oder durch
eine schmerzensreiche Geburt in die Welt gelangt, hängt nicht
von den Revolutionären ab; es hängt von den reaktionären
Kräften der alten Gesellschaft ab, die sich dagegen sträuben,
die neue Gesellschaft entstehen zu lassen; die neue Gesellschaft,
die durch die Widersprüche erzeugt wird, weiche die alte Gesellschaft
in ihrem Schoße trägt. Die Revolution spielt in der Geschichte
die Rolle eines Geburtshelfers. Sie wendet nicht ohne Not Gewaltmaßnahmen
an, aber sie wendet sie ohne Zögern jedesmal an, wenn es nötig
ist, um der Geburt zu Hilfe zu kommen. Eine Geburt, die den versklavten
und ausgebeuteten Massen die Hoffnung eines besseren Lebens bringt.
In vielen Ländern Lateinamerikas ist die Revolution heute unvermeidbar.
Diese Tatsache wird nicht vom Willen irgendjemands bestimmt. Sie
wird bestimmt durch die furchtbaren Ausbeutungsverhäitnisse,
unter denen der amerikanische Mensch lebt, durch die Entwicklung
des revolutionären Bewußtseins der Massen, durch die
weltweite Krise des Imperialismus und durch die universale Kampfbewegung
der unterjochten Völker."
Wir werden bei der ganzen Analyse der Partisanenfrage
in Amerika von diesen Grundlagen ausgehen.
Wir stehen fest, daß es sich um eine Kampfmethode
zur Erreichung eines Zieles handelt. Als erstes haben wir das Ziel
zu analysieren und zu sehen, ob die Eroberung der Macht hier in
Amerika auf andere Weise als durch den bewaffneten Kampf möglich
ist.
Der friedliche Kampf kann mittels Massenbewegungen
vor sich gehen und in besonderen Krisensituationen die
Regierungen zum Nachgeben zwingen, wobei eventuell die Volkskräfte
die Macht ergreifen und die Diktatur des Proletariats errichten
würden. Richtig in der Theorie! Wenn wir das anhand des amerikanischen
Panoramas untersuchen, müssen wir zu folgenden Schlußfolgerungen
kommen: Auf diesem Kontinent gibt es im allgemeinen objektive Bedingungen,
welche die Massen zu gewaltsamen Aktionen gegen die Bourgeois- und
Grundbesitzer-Regierungen treiben, gibt es in vielen Ländern
Machtkrisen und auch manche subjektiven Bedingungen. In den Ländern,
in denen alle Bedingungen gegeben sind, wäre es selbstverständlich
geradezu verbrecherisch, nicht tätig zu werden für die
Ergreifung der Macht. In denen, auf die das nicht zutrifft, ist
es in Ordnung, daß verschiedene Alternativen auftauchen und
daß aus der theoretischen Diskussion die auf das jeweilige
Land anwendbare Entscheidung hervorgeht. Das einzige, was die Geschichte
nicht gestattet, ist, daß die Theoretiker und Ausführer
der Politik des Proletariats sich verrechnen. Niemand kann sich
um den Titel einer Avantgardepartei bewerben wie um ein offizielles
Universitätsdiplom. Avantgardepartei sein heißt an der
Spitze der Arbeiterklasse stehen im Kampf um die Macht, es verstehen,
sie zu deren Eroberung zu fuhren und dazu auch die kürzesten
Wege zu finden. Das ist die Mission unserer revolutionären
Parteien, und die Analyse muß tiefschürfend und erschöpfend
sein, damit es kein Sichverrechnen gibt.
Heutzutage beobachtet man in Amerika einen Zustand
labilen Gleichgewichts zwischen der oligarchischen Diktatur und
dem Druck des Volkes. Wir brauchen das Wort oligarchisch
zur Bezeichnung der reaktionären Allianz zwischen den Bourgeoisien
jedes Landes und seinen Grundbesitzerklassen, bei stärkerem
oder geringerem Vorherrschen der Feudalstrukturen. Diese Diktaturen
spielen sich innerhalb eines bestimmten Legalitätsrahmens ab,
den sie sich selbst gegeben haben zur Erleichterung ihrer Arbeit
während der ganzen Periode uneingeschränkter Klassenherrschaft
wir aber erleben eine Phase, in welcher der Druck des Volkes
äußerst stark ist; es klopft an die Türen der bürgerlichen
Legalität, und diese muß von ihren eigenen Urhebern verletzt
werden, um das Andrängen der Massen aufzuhalten. Allerdings,
die schamlose Verletzung jeder überkommenen Gesetzgebung bzw.
die nachträgliche Gesetzgebung zur Sanktionierung des Tatbestands
versetzen die Volkskräfte in noch größere Spannung.
Deshalb versucht die oligarchische Diktatur die alten Gesetzesvorschriften
zu benutzen, um die Verfassungswirklichkeit zu ändern und das
Proletariat weiterhin abzuwürgen, ohne daß ein frontaler
Zusammenprall entsteht. Dennoch: eben hier entsteht der Widerspruch.
Das Volk erträgt schon nicht mehr die alten und noch weniger
die neuen Zwangsmaßnahmen der Diktatur und versucht, sie zu
durchbrechen. Wir dürfen niemals den autoritären und repressiven
Klassencharakter des bürgerlichen Staates vergessen. Lenin
sagt von ihm: "Der Staat ist Produkt und Äußerung der
Unversöhn1ichkeit der Klassenwidersprüche. Der Staat entsteht
dort, dann und insofern, wo, wann und inwiefern die Klassenwidersprüche
objektiv nicht versöhnt werden können. Und umgekehrt:
das Bestehen des Staates beweist, daß die Klassenwidersprüche
unversöhnlich sind" (Staat und Revolution).
D. h., wir dürfen nicht zulassen, daß
das Wort Demokratie, in apologetischer Weise zur Darstellung
der Diktatur der Ausbeuterklasse verwendet, die Tiefe seines Begriffs
verliert und nur den Sinn bestimmter, größerer oder geringerer
Freiheiten des Staatsbürgers erhält. Nur für die
Wiederherstellung einer bestimmten bürgerlichen Legalität
kämpfen, ohne sich statt dessen die Frage der revolutionären
Macht zu stellen, heißt für die Rückkehr zu einer
bestimmten von den herrschenden Gesellschaftsklassen vorher etablierten
diktatorischen Ordnung kämpfen; heißt auf jeden Fall
für die Einführung eines Fußeisens kämpfen,
das an seinem Ende eine für den Sträfling weniger schwere
Kugel hat. Bei solchen Konfliktbedingungen bricht die Oligarchie
ihre eigenen Verträge, ihre eigene Scheindemokratie und greift
das Volk an, auch wenn sie dabei stets versucht, die Methoden ihres
zum Zweck der Unterdrückung geschaffenen Überbaus zu verwerten.
In diesem Moment stellt sich von neuem die Frage: Was tun? Wir erwidern:
Die Gewalt ist kein Vorrecht der Ausbeuter, auch die Ausgebeuteten
können sie anwenden und, mehr noch, müssen sie anwenden
im rechten Moment. Martí sagte: ,,Verbrecherisch handelt,
wer in einem Land einen Krieg, der vermeidbar ist, vorbereitet;
und wer einen unvermeidbaren Krieg vorzubereiten unterläßt.
Lenin seinerseits sagte: "Die Sozialdemokratie
hat nie betrachtet und betrachtet nicht den Krieg von einem sentimentalen
Standpunkt aus. Sie verdammt absolut den Krieg als grausames Mittel
der Klärung von Differenzen zwischen den Menschen, aber sie
weiß, daß kriege unvermeidlich sind, solange die Gesellschaft
in Klassen gespalten ist. solange es Ausbeutung des Menschen durch
den Menschen gibt. Und um mit dieser Ausbeutung Schluß zu
machen, werden wir nicht vom Krieg absehen, zu dem immer und überall
die eigenen Ausbeuter-, Herrscher- und Unterdrückerklassen
greifen." Das sagte er im Jahre 1905; später, als er im Militärprogramm
der proletarischen Revolution eine tiefgründige Analyse der
Natur des Klassenkampfes gab, stellte er fest: ,,Wer den Klassenkampf
anerkennt, der kann nicht umhin, auch Bürgerkriege anzuerkennen,
die in jeder Klassengesellschaft eine natürliche, unter gewissen
Umständen unvermeidliche Weiterführung, Entwicklung und
Verschärfung des Klassenkampfes darstellen. Alle großen
Revolutionen bestätigen das. Bürgerkriege zu verneinen
oder zu vergessen, hieße in den äußersten Opportunismus
verfallen und auf die sozialistische Revolution verzichten." D.
h., wir dürfen die Gewalt nicht fürchten, die Hebamme
der neuen Gesellschaften; nur daß die Gewalt genau in dem
Moment entfesselt werden muß, wo die Führer des Volkes
die günstigsten Umstände ausfindig gemacht haben.
Welche sind dies? Sie hängen subjektiv von
zwei Faktoren ab, die sich ergänzen und die sich ihrerseits
im Verlauf des Kampfes allmählich vertiefen: dem Bewußtsein
von der Notwendigkeit einer Änderung und der Gewißheit
von der Möglichkeit dieser revolutionären Änderung;
zusammen mit den objektiven Bedingungen die in fast ganz
Amerika äußerst günstig sind für die Entfaltung
des Kampfes , mit der Festigkeit des Willens zur Erreichung
jenes Zieles und mit dem neuen Kräfteverhältnis in der
Welt bedingen sie die Art des Handelns.
Wie weit die sozialistischen Länder auch
entfernt sind, immer wird ihr wohltätiger Einfluß auf
die kämpfenden Völker spürbar sein, und ihr erzieherisches
Beispiel wird ihnen größere Kraft geben. Fidel Castro
sagte am 26. Juli dieses Jahres: "Und die Pflicht der Revolutionäre
ist es vor allem jetzt, die auf der Welt stattgefundenen Veränderungen
im Kräfteverhältnis wahrnehmen zu können, aufspüren
zu können und zu begreifen, daß diese Veränderung
den Kampf der Völker erleichtert. Die Pflicht der Revolutionäre,
der lateinamerikanischen Revolutionäre, besteht nicht im Warten
darauf, daß die Veränderung im Kräfteverhältnis
das Wunder der sozialen Revolution in Lateinamerika hervorbringe,
sondern im richtigen Ausnützen all der Vorteile, die diese
Veränderung im Kräfteverhältnis für die revolutionäre
Bewegung bietet, und im Machen der Revolutionen!"
Es gibt Leute, die sagen: "wir akzeptieren den
revolutionären Krieg als angemessenes Mittel, um in bestimmten
besonderen Fällen zur Eroberung der politischen Macht zu gelangen;
aber woher nehmen wir die großen Anführer, die Fidel
Castros, die uns zum Triumph führen?" Fidel Castro ist wie
jedes Menschliche Wesen ein Produkt der Geschichte. Die wenn
möglich in einer Person vereintenmilitärischen und
politischen Führer, die die Aufstandsbewegungen in Amerika
leiten sollen, werden die Kriegskunst erlernen durch die Kriegsführung
selbst. Es gibt kein Handwerk und keinen Beruf, die man nur aus
Lehrbüchern erlernen könnte. Der Kampf ist in diesem Fall
der große Lehrmeister.
Selbstverständlich wird die Aufgabe weder
einfach sein noch in ihrem ganzen Verlauf frei von schweren Bedrohungen.
In der Entwicklung des bewaffneten Kampfs treten zwei Momente äußerster
Gefahr für die Zukunft der Revolution auf. Das erste davon
entsteht in der Vorbereitungsphase. und die Art, wie es gelöst
wird, gibt ein Maß ab für die Kampfentschlossenheit und
das klare Zielbewußtsein der Volkskräfte. Wenn der bürgerliche
Staat gegen die Positionen des Volkes vorrückt, muß offensichtlich
ein Prozeß der Verteidigung ins Werk gesetzt werden gegen
den Feind, der in diesem Moment der Überlegenheit angreift.
Wenn sich bereits die objektiven und subjektiven Minimalbedingungen
entwickelt haben, muß die Verteidigung eine bewaffnete sein,
jedoch dergestalt, daß die Volkskräfte nicht zu bloßen
Empfängern der Schläge des Feindes werden; man darf auch
nicht zulassen, daß der Schauplatz der bewaffneten Verteidigung
sich bloß in eine letzte Zuflucht der Verfolgten verwandelt.
Der Kleinkrieg. zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Verteidigungsbewegung
des Volkes, birgt in sich und muß ständig entfalten die
Fähigkeit zum Angriff auf den Feind. Diese Fähigkeit ist
es, die mit der Zeit allmählich seinen Charakter als Katalysator
der Volkskräfte bestimmt. Das heißt, der Kleinkrieg ist
keine passive Selbstverteidigung, er ist Verteidigung mit Angriff,
und sobald er als solcher konzipiert wird, hat er als Endperspektive
die Eroberung der politischen Macht. Dieses erste Moment ist bedeutungsvoll.
In den gesellschaftlichen Prozessen kann der Unterschied zwischen
Gewalt und Nichtgewalt nicht an der Zahl der gewechselten Schüsse
gemessen werden; er bezieht sich auf konkrete im Fluß befindliche
Situationen. Und man muß den Augenblick zu erkennen wissen,
wo die Volkskräfte, ihrer relativen Schwäche bewußt,
aber zugleich auch ihrer strategischen Stärke bewußt,
den Feind zwingen müssen, die Schritte zu tun, die nötig
sind, damit die Situation nicht rückläufig wird. Das Gleichgewicht
oligarchische Diktatur Druck des Volkes muß zerstört
werden. Die Diktatur versucht regelmäßig, ohne auffällige
Gewaltanwendung auszukommen; indem man sie zwingt, sich ohne Maske
zu zeigen, d. h. in ihrer wahren Gestalt als gewaltsame Diktatur
der reaktionären Klassen, wird man zu ihrer Entlarvung beitragen,
was den Kampf so bis zum Äußersten verschärfen wird,
daß es kein Zurück mehr gibt. Davon, wie die Volkskräfte,
welche die Diktatur zum Aufdecken der Karten entweder zum
Nachgeben oder zum Auslösen des Kampfes zwingen müssen,
ihre Funktion erfüllen, hängt der gesicherte Beginn einer
weitreichenden bewaffneten Aktion ab.
Das Fertigwerden mit dem zweiten gefährlichen
Moment hängt von der Macht der aufsteigenden Entwicklung der
Volkskräfte ab. Marx empfahl immer, wenn einmal der revolutionäre
Prozeß in Gang gekommen sei, müsse das Proletariat pausenlos
zuschlagen. Eine Revolution, die sich nicht ständig vertieft,
ist eine zurückgehende Revolution. Die Kämpfer beginnen,
erschöpft, die Zuversicht zu verlieren, und dann kann irgendeines
der Manöver verfangen, die uns die Bourgeoisie schon so oft
vorexerziert hat. Es kann in Wahlen bestehen mit Übertragung
der Macht an einen anderen Herrn mit süßerer Stimme und
engelhafterem Antlitz als der abgelöste Diktator oder in einem
Staatsstreich der Reaktionäre, die gewöhnlich von der
Armee angeführt werden und sich dabei direkt oder indirekt
der fortschrittlichen Kräfte als Stütze bedienen. Es sind
noch andere Manöver denkbar, aber es ist nicht unsere Absicht,
taktische Tricks zu untersuchen.
Wir lenken de Aufmerksamkeit hauptsächlich
auf das oben erwähnte Manöver des Militärputschs.
Was können die Militärs für die wahre Demokratie
tun? Welche Loyalität kann man von ihnen verlangen, wenn sie
bloße Herrschaftsinstrumente der reaktionären Klassen
und der imperialistischen Monopole sind und wenn sie als eine Kaste,
die so viel wert ist als sie Waffen besitzt, lediglich nach der
Aufrechterhaltung ihrer Privilegien streben?
Wenn die Militärs in für die Unterdrücker
schwierigen Situationen konspirieren und einen da facto besiegten
Diktator stürzen, so muß man annehmen, daß sie
es deswegen tun, weil dieser nicht imstande ist, ihre Kassenprivilegien
zu erhalten, ohne zur äußersten Gewalt zu greifen
was unter den gegenwärtigen Umständen den Interessen der
Oligarchie gewöhnlich nicht zuträglich ist.
Diese Behauptung bedeutet keineswegs ein Verwerfen
der Nutzbarmachung von Militärs als individuelle Kämpfer,
losgelöst von dem sozialen Milieu, in dem sie gewirkt haben.
Und diese Nutzbarmachung muß erfolgen im Rahmen der revolutionären
Führung, der sie als Kämpfer und nicht als Vertreter einer
Kaste angehören werden.
In schon weit zurückliegenden Zeiten schrieb
Engels Im Vorwort zur dritten Auflage des Bürgerkrieges in
Frankreich:"Die Arbeiter (waren nach jeder Revolution) bewaffnet;
für die am Staatsruder befindliche Bourgeois war daher Entwaffnung
der Arbeiter erstes Gebot. Daher nach jeder, durch die Arbeiter
erkämpften Revolution ein neuer Kampf, der mit der Niederlage
der Arbeiter endigt." (Zitiert nach Lenin, Staat und Revolution).
Dieses Spiel fortwährender Kämpfe,
bei dem eine formale Änderung irgendwelcher Art erreicht wird
und strategisch ein Rückschritt erfolgt, hat sich jahrzehntelang
in der kapitalistischen Welt wiederholt. Mehr noch, der permanente
Betrug am Proletariat in dieser Form hat bereits über ein Jahrhundert
periodischen Vorkommens hinter sich.
Gefährlich Ist es auch, wenn, vom Wunsch
geleitet, durch Ausnutzung gewisser Aspekte der bürgerlichen
Legalität für eine Zeit lang günstigere Bedingungen
für die revolutionäre Aktion zu behalten, die Führer
der fortschrittlichen Parteien die Begriffe durcheinanderbringen
eine im Verlauf der Aktion sehr geläufige Erscheinung
und das entscheidende strategische Ziel vergessen: die Eroberung
der Macht.
Diese zwei schwierigen Momente der Revolution,
die wir summarisch untersucht haben, werden dann überwunden,
wenn die marxistisch-leninistischen Führungsparteien imstande
sind, die momentanen Verwicklungen zu durchschauen und die Massen
im höchsten Grade zu mobilisieren, indem man sie auf dem richtigen
Weg der Lösung der Hauptwidersprüche führt.
Bei der Ausarbeitung des Themas haben wir angenommen,
daß man eventuell den Gedanken des bewaffneten Kampfs akzeptieren
wird und auch die Form des Partisanenkrieges als Kampfmethode. Warum
halten wir unter den gegenwärtigen Bedingungen Amerikas den
Partisanenkrieg für den richtigen Weg? Es gibt grundlegende
Argumente, die unserer Meinung nach die Notwendigkeit einer Guerrilla-Aktion
als zentraler Achse des Kampfes in Amerika bestimmen.
1. Wenn man als wahr annimmt, daß der Feind
kämpfen wird, um sich an der Macht zu halten, muß man
an die Zerstörung der Unterdrückungsarmee denken; um sie
zu zerstören, muß man ihr eine Volksarmee entgegenstellen.
Diese Armee entsteht nicht spontan, sie muß sich aus dem Arsenal,
das ihr der Feind beschert, bewaffnen, und das bedingt einen harten
und sehr langen Kampf, in dem die Volkskräfte und ihre Führer
stets dem Angriff überlegener Streitkräfte ausgesetzt
wären, ohne entsprechende Verteidigungs- und Manövriermöglichkeiten.
Demgegenüber gewährleistet der in kampfgünstigem
Gelände eingenistete Partisanen-Kern Sicherheit und Dauer der
revolutionären Führung. Die städtischen Kräfte
können, vom Generalstab der Volksarmee gesteuert, Aktionen
von unübersehbarer Bedeutung vollbringen. Die eventuelle Zerschlagung
dieser Gruppen würde die Seele der Revolution, ihren Führungsstab,
nicht töten, der von seiner ländlichen Festung aus fortfahren
würde, als Katalysator des revolutionären Geistes der
Massen zu wirken und neue Kräfte für weitere Schlachten
zu organisieren.
Darüberhinaus beginnt in diesem Gebiet die
Herausbildung des zukünftigen Staatsapparats, der während
der ganzen Übergangsperiode die Aufgabe hat, die Klassendiktatur
wirksam anzuleiten. Je länger der Kampf dauert, desto größer
und komplizierter werden die administrativen Probleme sein, und
ihre Lösung wird die Kader trainieren für die schwierige
Aufgabe, in einer zukünftigen Phase die Macht zu festigen und
die Wirtschaft zu entwickeln.
2. Die allgemeine Lage der lateinamerikanischen
Bauernschaft und der von Mal zu Mal explosivere Charakter ihres
Kampfes gegen die feudalen Strukturen, Im Rahmen einer gesellschaftlichen
Bündnissituation zwischen einheimischen und ausländischen
Ausbeutern.
Zurück zur Zweiten Deklaration von Havanna:
Die Völker Amerikas befreiten sich von der spanischen Kolonialherrschaft
zu Beginn des vorigen Jahrhunderts, aber sie befreiten sich nicht
von der Ausbeutung. Die feudalen Großgrundbesitzer übernahmen
die Autoritätsfunktion der spanischen Gouverneure, die Indios
verharrten in leidvoller Knechtschaft, der lateinamerikanische Mensch
blieb weiterhin in der einen oder anderen Form ein Sklave, und die
geringsten Hoffnungen der Völker kommen unter der Macht der
Oligarchien und unter dem Joch des ausländischen Kapitals zum
Erliegen. Das ist die bisherige amerikanische Wirklichkeit, mit
der oder jener Schattierung, mit der einen oder anderen Variante.
Heute ist Amerika einem viel wüsteren, viel mächtigeren
und viel erbarmungsloseren Imperialismus unterworfen, als es der
spanische Kolonialimperialismus war.
Und welches ist, angesichts der objektiven und
historisch unabwendbaren Realität der lateinamerikanischen
Revolution, die Haltung des Yankee-lmperialismus? Vorbereitung auf
die Führung eines Kolonialkrieges gegen die Völker Lateinamerikas;
Schaffung des militärischen Apparats, der politischen Vorwände
und der pseudolegalen Handhaben in Gestalt von Verträgen mit
den Vertretern der reaktionären Oligarchien, um den Kampf der
lateinamerikanischen Völker mit Feuer und Schwert niederwerfen.
Diese objektive Lage zeigt uns die Kraft, die ungenutzt in unseren
Bauern schlummert, und die Notwendigkeit, sie zur Befreiung Amerikas
fruchtbar zu machen.
3. Der kontinentale Charakter des Kampfes:Ließe
sich diese neue Phase der Emanzipation Amerikas vorstellen als ein
Sichmessen zweier örtlicher Kräfte im Kampf um die Macht
über ein bestimmtes Territorium? Schwerlich. Der Kampf wird
ein Kampf auf Leben und Tod sein zwischen allen Volkskräften
und allen Repressionskräften. Auch die oben zitierten Passagen
sagen es voraus.
Die Yankees werden intervenieren aus Interessensolidarität
und, weil der Kampf in Amerika entscheidend ist. Tatsächlich
intervenieren sie bereits mit der Vorbereitung der Repressionskorps
und mit der Organisierung eines kontinentalen Kampfapparates. Aber
von nun an werden sie es mit aller Energie tun; sie werden die Volkskräfte
mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Vernichtungswaffen
züchtigen; sie werden der revolutionären Macht nicht erlauben,
sich zu konsolidieren; und sollte eine solche dennoch dazu kommen,
werden sie von neuem angreifen, sie nicht anerkennen, die revolutionären
Kräfte zu spalten versuchen, Saboteure jeder Art einschleusen,
Grenzkonflikte schaffen, andere reaktionäre Staaten dagegen
aufhetzen, sich daran zu machen, den neuen Staat wirtschaftlich
zu strangulieren, kurz: zu vernichten.
Angesichts dieses amerikanischen Panoramas gestaltet
sich die Erringung und Konsolidierung des Sieges in einem isolierten
Land schwierig. Auf die Vereinigung der Repressionskräfte muß
mit der Vereinigung der Volkskräfte geantwortet werden. In
allen Ländern, in denen die Unterdrückung einen unerträglichen
Grad erreicht, muß die Fahne der Rebellion aufgepflanzt werden,
und diese Fahne wird aufgrund historischer Notwendigkeit kontinentale
Züge tragen. Die Andencordillere ist berufen, die Sierra Maestra
Amerikas zu sein, wie Fidel sagte: und all die riesigen Territorien,
die dieser Kontinent umschließt, sind berufen, Schauplatz
des Kampfes auf Leben und Tod gegen die Macht des Imperialismus
zu sein.
Wir können nicht sagen, wann der Kampf diesen
kontinentalen Charakter annehmen wird. noch, wie lange er dauern
wird; aber wir können sein Heraufkommen und seinen Triumph
voraussagen, weil er das Ergebnis unvermeidlicher historischer,
ökonomischer und politischer Umstände ist und weil sein
Kurs nicht umgebogen werden kann. Ihn zu beginnen, wenn die Bedingungen
gegeben sind, unabhängig von der Situation in den anderen Ländern,
ist die Aufgabe der revolutionären Kraft in jedem Land. Die
Entwicklung des Kampfes wird nach und nach die Gesamtstrategie bedingen;
die Voraussage des kontinentalen Charakters entspringt der Analyse
der Kräfte auf jeder Seite, aber das schließt keineswegs
den unabhängigen Ausbruch aus. So wie die Eröffnung des
Kampfes an einem Punkt eines Landes dazu bestimmt Ist, ihn in dessen
gesamtem Bereich zu entfalten, so trägt die Auslösung
des revolutionären Kriegs dazu bei, neue Bedingungen in den
Nachbarländern zu entwickeln.
Die Entwicklung der Revolutionen ist normalerweise
in der Form umgekehrt proportionaler Gezeitenströme vor sich
gegangen; der revolutionären Flut entspricht die konterrevolutionäre
Ebbe, und umgekehrt gibt es in den Momenten revolutionären
Niedergangs einen konterrevolutionären Aufstieg. In diesen
Augenblicken wird die Lage der Volkskräfte wieder schwierig,
und sie müssen zu den besten Verteidigungsmitteln greifen.
um die geringsten Rückschläge zu erleiden. Der Feind ist
außerordentlich stark, er ist kontinental. Deshalb darf die
relative Schwäche der lokalen Bourgeoisien nicht zugrundegelegt
werden, um Entscheidungen von beschränkter Reichweite zü
treffen. Noch weniger ließe sich an ein eventuelles Bündnis
dieser Oligarchien mit dem bewaffneten Volk denken. Die Cubanische
Revolution hat die Alarmglocke geläutet. Die Polarisierung
der Kräfte wird total werden: Ausbeuter auf der einen Seite
und Ausgebeutete auf der anderen; die Masse des Kleinbürgertums
wird sich der einen oder anderen Partei zuneigen, je nach ihren
Interessen und dem politischen Geschick, mit der sie behandelt wird;
das Neutralbleiben wird eine Ausnahme bilden. So wird der revolutionäre
Krieg aussehen.
Sehen wir, wie ein Guerrilla-Brennpunkt anfangen
könnte.
Relativ kleine Kerngruppen von Menschen wählen
für den Partisanenkrieg günstige Örtlichkeiten aus,
sei es mit der Absicht, einen Gegenangriff zu entfesseln oder dem
großen Sturm elastisch auszuweichen, und beginnen dort zu
wirken. Man muß klar folgendes herausstellen: im ersten Moment
ist die relative Schwäche der Partisanen so groß, daß
sie ihre Arbeit darauf beschränken müssen, sich im Gelände
festzusetzen, die Umgebung kennen zu lernen, indem sie Verbindungen
zur Bevölkerung herstellen und die Orte verstärken, die
eventuell zu Stützpunkten werden können.
Es gibt drei Bedingungen für das Überleben
einer Partisaneneinheit, die ihre Entwicklung unter den hier genannten
Voraussetzungen beginnt: dauernde Beweglichkeit, dauernde Wachsamkeit,
dauernder Argwohn. Ohne die entsprechende Anwendung dieser drei
Elemente der militärischen Taktik wird die Partisaneneinheit
kaum überleben. Es muß daran erinnert werden, daß
der Heroismus des Guerrillakämpfers in diesen Momenten in der
Größe des gesteckten Ziels besteht und in der Vielzahl
von Opfern, die er zu seiner Verwirklichung wird bringen müssen.
Diese Opfer werden nicht das tägliche Gefecht,
der Kampf Mann gegen Mann mit dem Feind, sein; sie werden viel subtilere
und körperlich und geistig für die Partisanen viel schwerer
auszuhaltende Formen annehmen.
Sie werden vielleicht von den feindlichen Armeen
schlimm heimgesucht werden; bisweilen in Gruppen zersprengt werden;
gefoltert werden, wenn sie in Gefangenschaft geraten; in den für
die Aktivität gewählten Gebieten wie gehetzte Tiere verfolgt
werden; ständig davon beunruhigt, daß Feinde den Partisanen
auf den Fersen sind: mit dem ständigen Argwohn gegenüber
allem und jedem, sogar daß die eingeschüchterten Bauern
sie unter gewissen Umständen ausliefern werden, um mit dem
Verschwinden des Vorwands die Repressionstruppen loszuwerden: ohne
eine andere Alternative als Tod oder Sieg In Augenblicken, wo der
Tod eine tausendmal gegenwärtige Vorstellung ist und der Sieg
der Traum, den nur ein Revolutionär träumen kann.
Dies ist das Heldentum des Kleinkriegs; deshalb
sagt man, daß auch Marschieren eine Form des Kämpfens
ist, daß einem Gefecht zu einem bestimmten Zeitpunkt aus dem
Wege zu gehen nichts als eine Form des Kämpfens ist. Die Zielsetzung
besteht darin, angesichts der allgemeinen Überlegenheit des
Feindes die taktische Formel zur Erlangung einer relativen Überlegenheit
an einem gewählten Punkt zu finden, indem man das Kräfteverhältnis
entweder dadurch umkehrt, daß man größere Truppenstärken
als jener konzentrieren kann, oder dadurch, daß man sich bei
der Ausnutzung des Geländes Vorteile sichert. Unter diesen
Bedingungen ist der taktische Sieg gesichert; wenn die relative
Überlegenheit nicht eindeutig ist, ist es besser, nicht tätig
zu werden. Man darf kein Gefecht liefern, das nicht zu einem Sieg
führt; das Wie und Wann dagegen kann man auswählen.
Im Rahmen der großen politisch-militärischen
Aktion, von der er ein Bestandteil ist, wird der Kleinkrieg allmählich
anwachsen und festen Fuß fassen; es werden sich dann die Stützpunkte
herausbilden, ein grundlegendes Element für das Gedeihen der
Partisanenarmee. Diese Basen sind Punkte, wo das feindliche Heer
nur um den Preis hoher Verluste eindringen kann; Bastionen der Revolution,
Zuflucht und Sprungbrett der Partisanen für immer weitere und
kühnere Streifzüge.
Dieser Moment wird erreicht, wenn man die Schwierigkeiten
taktischer und politischer Natur gleichzeitig überwunden hat.
Die Partisanen dürfen niemals ihre Funktion als Avantgarde
des Volkes, den Auftrag, den sie verkörpern, vergessen und
müssen deshalb die notwendigen politischen Voraussetzungen
schaffen für die Errichtung der revolutionären Macht,
die sich auf die vollständige Unterstützung der Massen
gründet. Die großen Forderungen der Bauernschaft müssen
in dem Maß und in der Form, wie es die Umstände gestatten,
befriedigt werden, wobei man aus der ganzen Bevölkerung eine
kompakte und entschlossene Gesamtheit macht.
Wenn die militärische Situation der ersten
Momente schwierig sein wird, so wird die politische nicht weniger
heikel sein; und wenn ein einziger militärischer Fehler den
Kleinkrieg liquidieren kann, so kann ein politischer Fehler dessen
Entwicklung während langer Perioden hemmen.
Politisch-militärisch ist der Kampf, als
solcher muß er entwickelt und folglich verstanden werden.
Der Kleinkrieg gelangt in seinem Wachstumsprozeß
an einen Punkt, wo sein Aktionsradius eine Region bestreicht, für
deren Dimensionen weniger Partisanen nötig sind, und wo sie
in dem Gebiet übermäßig konzentriert sind. Dann
beginnt der Bienenstockeffekt, bei dem einer der Anführer,
ein bewährter Partisan, in eine andere Region wechselt und
die Entwicklungsreihe des Partisanenkriegs wiederholt, freilich
unter einem zentralen Oberbefehl.
Hier nun ist der Hinweis angebracht, daß
man nicht auf den Sieg hoffen kann ohne die Bildung eines Volksheers.
Die Partisanenkräfte werden sich bis zu einer bestimmten Größe
ausdehnen können; die Volkskräfte in den Städten
und in sonstigen für den Feind passierbaren Gebieten werden
dem Feind Schaden zufügen können aber das Militärpotential
der Reaktion wird trotzdem intakt bleiben. Man muß sich immer
vor Augen halten, daß das Endergebnis die Vernichtung des
Gegners sein soll. Zu diesem Zweck müssen all diese neuen Gebiete,
die geschaffen werden, plus die Gebiete, die hinter den Linien des
Feindes bereits Löcher bilden, plus die Kräfte, die in
den wichtigsten Städten operieren, dem revolutionären
Oberbefehl unterstehen. Man wird nicht verlangen können, daß
die lückenlose hierarchische Befehlsstruktur besteht, die ein
Heer auszeichnet, aber doch eine strategische Befehlsstruktur. Innerhalb
eines bestimmten Spielraums von Handlungsfreiheit müssen die
Partisaneneinheiten alle strategischen Anordnungen des zentralen
Oberkommandos ausführen, das in irgendeinem der Gebiete installiert
ist, in dem sichersten und stärksten, und die Bedingungen vorbereitet
für die Vereinigung der Kräfte zu einem gegebenen Zeitpunkt.
Der Partisanenkrieg oder Befreiungskrieg hat
in der Regel drei Phasen: die erste ist die der strategischen Defensive,
wo die kleine Streitmacht, die flieht, den Feind beißt; sie
verkriecht sich nicht, um eine passive Verteidigung in einem kleinen
Umkreis durchzuführen, sondern Ihre Verteidigung besteht in
den begrenzten Angriffen, die sie ausführen kann. Danach gelangt
man an einen Punkt des Gleichgewichts, wo sich die Aktionsmöglichkeiten
des Feindes und der Guerrilla stabilisieren, und schließlich
zur Endphase der Uberflügelung der Repressionsarmee, die zur
Einnahme der großen Städte, zu den großen Entscheidungsschlachten,
zur völligen Vernichtung des Gegners führen wird. Nachdem
er den Gleichgewichtspunkt erreicht hat, wo beide Kräfte sich
gegenseitig für voll nehmen, nimmt der Partisanenkrieg im Verlauf
seiner weiteren Entwicklung neue Züge an. Der Begriff des Manövers
beginnt Eingang zu finden; große Kolonnen, die Befestigungen
angreifen; Bewegungskrieg mit Truppenverschiebung und Angriffsmittel
von relativer Schlagkraft. Aber infolge der Widerstands- und Gegenangriffskapazität,
die der Feind trotzdem behält, ersetzt der Krieg der Manöver
nicht die Partisanen; er ist lediglich eine Form ihres Wirkens;
eine gesteigerte Quantität der Partisanenstreitkräfte
bis sich aus ihr ein Volksheer mit Armeekorps herauskristallisiert.
Noch in diesem Moment werden, den Aktionen der Hauptstreitkräfte
vorausmarschierend, die Partisanen in ihrer "reinen" Form auftreten,
indem sie Nachrichtenverbindungen zerstören, den gesamten Verteidigungsapparat
des Feldes sabotieren.
Wir haben vorausgesagt, daß der Krieg kontinental
sein wird. Das bedeutet auch, daß er langwierig sein wird;
er wird viele Fronten haben, er wird viel Blut kosten, ungezählte
Leben lange Zeit hindurch. Aber darüber hinaus bedeuten die
Erscheinungen von Kräftepolarisierung, die in Amerika auftreten,
die klare Trennung zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten, die in
den zukünftigen revolutionären Kriegen vorhanden sein
wird, daß im Moment der Eroberung der Macht durch die bewaffnete
Avantgarde des Volkes das Land oder die Länder, denen sie gelingt,
in der Gestalt des Unterdrückers gleichzeitig die Imperialisten
und die einheimischen Ausbeuter liquidiert haben werden. Die erste
Etappe der sozialistischen Revolution wird herauskristallisiert
sein; die Völker werden bereit sein, ihre Wunden zu verbinden
und den Aufbau des Sozialismus in Angriff zu nehmen.
Wird es andere, weniger blutige Möglichkeiten
geben?
Es ist lange her, das die letzte Aufteilung der
Welt durchgeführt wurde, bei der die USA den Löwenanteil
an unserem Kontinent abbekommem; heute formieren sich von neuem
die Imperialisten der Alten Welt, und die Potenz der EWG schüchtert
selbst die Nordamerikaner ein. All das könnte den Gedanken
nahelegen, es bestünde die Möglichkeit, dem interimperialistischen
Kampf als Zuschauer beizuwohnen, um danach vorzurücken, vielleicht
im Bündnis mit den stärksten nationalen Bourgeoisien.
Abgesehen davon, daß eine passive Politik niemals gute Ergebnisse
im Klassenkampf zeitigt und daß die Bündnisse mit der
Bourgeoisie, so revolutionär diese auch in einem bestimmten
Moment scheinen mag, lediglich vorübergehenden Charakter tragen,
gibt es zeitliche Gründe, die zur Einnahme eines anderen Standpunkts
veranlassen. Die Verschärfung des Hauptwiderspruches scheint
in Amerika so rasend schnell vor sich zu gehen, daß sie die
"normale" Entwicklung der Widersprüche im imperialistischen
Lager in dessen Kampf um die Märkte stört.
Die nationalen Bourgeoisien haben sich in ihrer
großen Mehrheit mit dem nordamerikanischen Imperialismus vereinigt
und müssen dasselbe Schicksal wie jener im jeweiligen Land
erleiden. Selbst in den Fällen, wo es zu Pakten zwischen der
nationalen Bourgeoisie und anderen lmperialismen bzw. zu einem Zusammenfall
der Widersprüche gegenüber dem nordamerikanischen Imperialismus
kommt, geschieht das im Rahmen eines grundlegenden Kampfes, der
im Verlauf seiner Entwicklung notwendigerweise alle Ausgebeuteten
und alle Ausbeuter einbeziehen wird. Die Polarisierung der antagonistischen
Kräfte von Klassengegnern erfolgt bis jetzt viel schneller
als die Entwicklung der Widersprüche zwischen Ausbeutern bei
der Teilung der Beute. Die Lager sind zwei: die Alternative wird
klarer für jedes Individuum und für jede besondere Bevölkerungsschicht.
Die Allianz für den Fortschritt ist ein Versuch, das Unaufhaltsame
aufzuhalten.
Wenn jedoch der Vormarsch der EWG oder irgendeiner
anderen imperialistischen Gruppe auf die amerikanischen Märkte
schneller als die Entwicklung des Hauptwiderspruchs erfolgen sollte,
so bliebe nur, die Volkskräfte als Keil in die geöffnete
Bresche hineinzuführen, wobei diese den gesamten Kampf führen
und die neuen Eindringlinge benutzen im klaren Bewußtsein
von deren Endabsichten.Man darf dem Klassenfeind weder eine Position
noch eine Waffe noch ein Geheimnis anvertrauen, sonst verliert man
sie.
Tatsächlich ist der Ausbruch des amerikanischen
Kampfes erfolgt. Wird sein Sturmzentrum in Venezuela, Guatemala,
Columbien, Peru, Ecuador... liegen? Werden sich die gegenwärtigen
Scharmützel lediglich als Äußerung einer Unruhe
erweisen, die keine Frucht gezeitigt hat? Es spielt keine Rolle,
was das Ergebnis der heutigen Kämpfe ist. Es spielt keine Rolle
für das Endergebnis, wenn die eine oder andere Bewegung vorübergehend
vom Weg abkommt. Entscheidend ist die Kampfentschlossenheit, die
von Tag zu Tag heranreift; daß Bewußtsein von der Notwendigkeit
der revolutionären Änderung, die Gewißheit ihrer
Möglichkeit.
Das ist eine Voraussage. Wir machen sie in der
Überzeugung, daß die Geschichte uns recht geben wird.
Die Analyse der objektiven und subjektiven Faktoren Amerikas und
der imperialistischen Welt gibt uns die Gewähr für die
Richtigkeit dieser Behauptungen, die auf der Zweiten Deklaration
von Havanna fußen.
|